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Arcade Fire Stadthalle

Franz Reiterer

„Back to Vollgas!“

Zwei österreichische Konzertveranstalter über die bevorstehenden Öffnungsschritte und die kommende Konzertsaison im Frühling 2022.

Von Susi Ondrušová

Die stufenweisen Lockerungen der österreichischen Bundesregierung lassen die Veranstalterszene aufatmen. Im März 2020 wurde der erste bundesweite Lockdown verhängt, Konzerte wurden abgesagt und verschoben. Nach zwei Jahren Coronavirus gibt es ab dem 5. März 2022 ein „Zurück zur Normalität“. Denn Konzerte können ohne Zutrittsregelungen stattfinden. Einzig in Wien wird die 3G-Regel gelten. Aber Venues können zur vollen Auslastung bespielt werden. FFP2-Maske wird empfohlen, ist aber nicht mehr Pflicht. Die Pandemie ist noch lange nicht vorbei, aber ab dem 5. März können wir bei Konzerten wieder Drinks konsumieren, uns Schulter an Schulter in die erste Reihe vorkämpfen und Konzerte von nicht nur heimischen Acts, sondern auch von internationalen Bands genießen.

RIN im Gasomenter

radio fm4/ Chris Stipkovits

RIN-Fans im Gasometer im Februar 2020

„Back to normal. Back to Vollgas!”, meint Harry Jenner von Barracuda Music. Mit dem Nova Rock, dem FM4 Frequency Festival und hunderten Konzerten vom Gürtellokal bis zum Stadion, zählt Barracuda Music zu den größten Konzertveranstaltern Österreichs. Schon seit letztem Herbst arbeiten seine Mitarbeiter*innen mit Hochdruck, um die Konzert- und Festivalsaison 2022 vorzubereiten.

Der Alltag eines Veranstalters ist von langen Vorlaufzeiten und Planungen geprägt. Das heißt auch, dass man bereits heute wissen sollte, wie man in einem Jahr das Konzert einer tourenden Band abwickelt und zur Zufriedenheit der Band, der Besucher*innen, der involvierten Locations und letztendlich auch des eigenen Teams organisiert. Der Arbeitsalltag hat sich in den letzten zwei Jahren stark verändert, die Regierung hat in regelmäßigen Pressekonferenzen über aktuelle Bestimmungen informiert. Teilweise recht kurzfristig, das FM4 Frequency Festival musste letztes Jahr trotz eines 2G-Plus-Sicherheitskonzepts verschoben werden.

Für Konzertfans war das Konzertleben ein einsames: zu Beginn der Pandemie hier und da ein Streaming-Konzert, dann Sitzplatzkonzerte, Konzerte im Freien, 3G, 2G oder 2G-Plus. Eine Zeit lang auch immer der gefürchtete Blick in den Spam-Ordner, um zu erfahren, ob man vielleicht Teil eines Contact-Tracing-Kettenbriefes ist.

Internationale Bands waren in den letzten zwei Jahren seltener zu Gast in Österreich. Einen Überblick über die Verschiebungen und Konzertabsagen zu behalten war nicht unmöglich, aber angesichts der sich verändernden Lebensrealitäten auch ermüdend. Jedes Ticketing-E-Mail mit einer Terminänderung oder -absage war für Hardcore-Konzertgeher*innen mit Phantomschmerzen an ein früheres Leben verknüpft.

Der für die Konzertbranche notwendigen Planungssicherheit stand ein sich veränderndes Infektionsgeschehen gegenüber. „Geht’s impfen!“ lautete der Appell von Harry Jenner bei einem FM4 Interview zur Konzertsituation in Österreich letztes Jahr. Denn für Veranstalter, die internationale Tourneen planen und österreichweit agieren, war immer klar: Es gibt für sie nur eine Konzertnormalität und die heißt: volle Auslastung der Locations, Stehplätze, offene Bars, keine Masken.

Mit dem Nova Rock Encore, das Barracuda Music letztes Jahr im Herbst an einem Tag im Wiener Neustadt Stadion organisiert hat, hat man gute Erfahrungen gemacht. Es konnte keine Infektion nachgewiesen werden. Ein befürchtetes Superspreader-Event war das also keines. Seit Oktober letzten Jahres sei sein Team wieder voll im Einsatz, meint Jenner. „Wir waren wohl ein wenig schneller als die Regierung. Es war schon relativ klar, dass man wieder spielen wird können. Es war nur eine Frage der Zeit, und die Festivals und speziell unsere ganzen Stadien-Shows - wir haben heuer sieben Stadien-Shows in Österreich - kann man auch nicht einen Tag vorher organisieren. Wir sind in vollem Einsatz im Büro.“

Alle Liveshows von Barracuda Music

Alle Termine von Arcadia Live

Gigs von Ed Sheeran, Iron Maiden oder Guns n’ Roses sind die logistisch größten Shows, an denen Barracuda Music heuer arbeitet. Im Herbst hat Omikron die Vorfreude auf eine Konzertnormalität zwar gedämpft, aber auch bei Arcadia Live laufen die Konzertvorbereitungen nun auf Hochtouren und die Stimmung ist relativ positiv, sagt Filip Potocki. Er ist Geschäftsführer von Arcadia Live. Shows von Rammstein und Wanda und kleinere Gigs von Acts wie Lucy Dacus oder Ätna wickelt seine Firma in Österreich ab. In der erst 2019 eröffneten neuen Location Metastadt Wien organisieren Arcadia Live im Sommer Openair Shows von alt-J oder Lauryn Hill.

In den ersten zwei Pandemiejahren hat man Konzerttermine nicht nur einmal, sondern öfter verschieben müssen. Damals ohne zu wissen, ob bis zum Livetermin diese herbeigesehnte Konzertnormalität überhaupt eintreffen wird. Mit den neuen Öffnungsschritten ist das nun der Fall. Harry Jenner freut sich auf Amy McDonald im Wiener Gasometer am 11. März und auf die Tour der Mighty Oaks, die am 1. April im Orpheum in Graz spielen und am 2. April in der Ottakringer Brauerei zu Gast sind. Filip Potockis erstes Konzert wird wohl das von Olli Schulz am 4. März im Wiener Wuk sein, auch das Konzert von Metronomy am 14. März im Gasometer Wien will er sich nicht entgehen lassen.

Deichkind live in der Stadthalle

Christian Stipkovits/ radio fm4

Deichkind-Fans in der Stadthalle Wien im Februar 2020

Ein Konzerttermin in Österreich ist allerdings nur ein Puzzlestück einer ganzen wochen- wenn nicht monatelangen Tour. Ob eine Band in Österreich auftritt, hängt also nicht nur von den Öffnungsschritten in Österreich ab, sondern auch von den Maßnahmen in den anderen Ländern, die auf dem Tourplan stehen. Während die Deutschland-Konzerttermine von Metronomy vom März in den August verschoben werden mussten, kann der Wien-Termin stattfinden.

Das Konzert ist eingebettet zwischen Tourstops in Slowenien, Ungarn und Polen. Ein Land, das – vorsichtig ausgedrückt – von den coronabedingten Konzertstauungen und den immer rarer werdenden freien Konzertterminen in Österreich und Deutschland profitiert hat, meint Filip Potocki, der neben Arcadia Live in Wien auch das Büro von FKP Scorpio Poland in Warschau leitet: „Da war Polen dann schon öfter plötzlich auf der Landkarte, weil man dann gesagt hat: So weit ist es nicht! Lass uns die Tour soweit verändern, dass, wenn ich keinen Termin mehr bekomme, vielleicht auch mal das eine oder andere Konzert in Polen spielen kann. Somit habe ich das eigentlich als Gewinn gesehen für das Land.“

AnnenMayKantereit

Radio FM4 / Christian Stipkovits

AnnenMayKanterreit-Fans in der Stadthalle Wien im Februar 2020

Selbst wenn das Konzertleben jetzt aber wieder losgeht, ist die Pandemie noch nicht zu Ende. Veranstalter erfüllen die Auflagen, die ihnen von Seiten der Regierung präsentiert werden. Für die Konzertbesucher*innen wünschen sie sich klare Ansagen, damit Musikfans wissen, was sie erwartet. Aber auf welche Vorsichtsmaßnahmen darf man sich als Konzertbesucher*in nun einstellen? Maske ist optional und 3G gibt es nur in Wien. Als jemand, der in den letzten Jahren sehr, sehr vorsichtig war und aus den unterschiedlichsten Gründen alle Vorsichtsmaßnahmen mitgetragen hat, um sich und das enge Umfeld zu schützen, ist die Vorstellung, am 9. März bei einem vollen Caribou-Konzert im Gasometer zu stehen, noch ein wenig unrealistisch. Harry Jenner sagt, ich soll keine Angst haben.

„Das Leben normal weiterleben und genießen. Das ist das, was wir tun. Wir genießen nicht nur die Arbeit, sondern wir genießen am Abend dann die Konzerte, die jetzt wieder auf uns zukommen!“ Im Sicherheitskonzept von Veranstaltungen, die in den letzten zwei Jahren durchgeführt wurden, war zum Beispiel von der Notwendigkeit eines Coronabeauftragten die Rede. Oder Contact Tracing. „Wäre ja sinnlos das jetzt aufzugeben?“, frage ich Filip Potocki. Aber nach zwei Jahren Corona und dem dazugehörigen Auf und Ab in der Veranstalterszene müsste ich eigentlich wissen, dass auf meine Logik nicht immer Verlass ist.

Filip Potocki: „Dieses Glauben und diese Prognosen in den letzten Jahren, das ist echt schwer. Das hat sich so oft geändert, gewandelt, mit Hoffnung und mit all dem, was da mitspielt. Ganz ehrlich, ich weiß es nicht, aber ich glaube schon, dass es nicht so von null auf hundert gehen wird und dass es halt so eine Art Übergangszeit geben wird.“

Wir werden also sehen, wie der Konzertalltag ab dem 5. März ausschauen und wie es sich für uns Konzertfans anfühlen wird. Hinter den Kulissen gilt es jedenfalls einige Herausforderungen zu meistern. In den Büralltag wieder zurückfinden ist nicht schwer. „Wir sprühen vor Motivation und Vorfreude“, sagt Filip Potocki, aber: „Die Abläufe und Preise haben sich teilweise verändert, Personalsituationen haben sich verändert. Die Verfügbarkeit der Venues ist ein Thema.“ Termine sind Mangelware, bestätigt auch Harry Jenner: „Einen Termin finden ist durchaus ein spannendes Minenfeld. Es geht jetzt schon in Richtung 2023!“ All die Konzerte, die 2022 nachgeholt werden und neue Termine, die seit der Pandemie dazugekommen sind, haben dazu geführt, dass es kaum noch spielfreie Tage in den österreichischen Konzertvenues gibt. An Konzertauswahl wird es in den nächsten Monaten also nicht mangeln.

Filip Potocki dazu: „Ich glaube, dass das sicher ein spannendes Jahr wird, mit sehr, sehr vielen guten Shows und spannenden Künstlern und Künstlerinnen. Es ist eher prall gefüllt, aber von mir aus, jetzt gerne ein bisschen mehr, und dann wird sich das auch schon wieder einpendeln. Wir haben ja auch lange genug darauf verzichten müssen. Ich hoffe und denke, dass es doch den einen oder anderen Menschen gibt, der Konzerte genauso vermisst hat wie wir!“

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