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CC BY-SA 3.0 Manfred Werner - Tsui

MARC CARNAL

Warum immer Bücher und Podcasts?

Wäre es nicht schön, wenn Promis zur Abwechslung statt dem nächsten lieblosen Ghostwriter-Buch oder dem tausendsten Laber-Podcast mal in anderen Kunstformen dilettieren würden?

Eine Kolumne von Marc Carnal

Hat man mehr als hunderttausend Instagram-Follower, eine Nebenrolle in einer ARD-Serie oder irgendwann zwei drei Super Gs gewonnen, war man mal für ein paar Monate Gesundheitsminister, vor Jahren Miss Marchfeld oder ist im Songcontest-Semifinale ausgeschieden, MUSS man entweder ein Buch schreiben, einen Podcast starten oder gleich beides. Von A- bis E-Promi ballern alle permanent Bücher oder Podcasts in die Produktpipeline, ohne sich je die Frage zu stellen: Wer soll denn diese ganzen Bücher bitte lesen und wer die ganzen Podcasts hören? Und natürlich gibt es zu allem Überdruss auch noch Podcasts von Autor:innen und Geschenkbücher von Podcast-Größen.

Man muss das gebotoxte Promi-Gfries nur ein paarmal in die Seitenblicke-Kamera gehalten haben, schon schickt verlässlich der Amalthea Verlag den Ghostwriter vorbei - Hauptsache, man kommt schnellstmöglich auf hundert Seiten inkl. Fotos und Gefälligkeits-Vorwort eines anderen Promis. Man muss nur ohne Skript drei halbwegs verständliche Sätze in ein Mikro brabbeln können, schon wird man mit irgendeinem anderen VIP zusammengespannt und Spotify vom nächsten hinfälligen Brabbel-Podcast zugespamt.

Ein paar weitere Klassiker der künstlerischen Nebenkarrieren gibt es auch noch: Die erste Riege der “Publikumslieblinge”, also alles ab Jedermann-Hauptrolle, Gesamtweltcup-Sieg oder Großindustrieller, darf manchmal ein Album mit großer Mehrzweckhallen-Tour aufnehmen, brunzhässliche Aquarelle für Licht ins Dunkel versteigern oder sich Kabarettprogramme schreiben lassen.

Allzu schwer macht es sich freilich niemand. Die wichtigste Triebfeder ist nicht das künstlerische Wagnis, sondern das schnelle Abmelken der Reichweite.

Fesch ist aber die Vorstellung, dass die ganzen It-Boys und -Girls, Castingagentur-Leichen und Charity-Fratzen ihr fehlendes Talent mal ausnahmsweise in anderen Kunstrichtungen unter Beweis stellen, die ihnen wirklich fremd sind.

Man stelle sich vor, Birgit Sarata würde ein Cloudrap-Konzeptalbum raushauen und fortan als Begründerin der Döblinger Donaukanal-Westcoast gelten. Oder Leo Hillinger würde sich radikal von der Produktion übler Weine abwenden und plötzlich in der Ballett-Regie ein Ventil für seinen fragwürdigen Schaffensdrang finden. Auch die Idee einer regelmäßigen M Base Open Stage im Jazzland unter der Leitung des arbeitslosen Franco Foda “hat was”.

Nina Proll versucht mit “erfrischend unkorrekten” Reim-Assoziationsketten die Poetryslam-Szene aufzumischen? Go for it! Armin Assinger sattelt radikal auf Postkolonialismus-kritischen Aktionismus um? Immer noch besser als die fünfte Autobiographie! Alexander van der Bellen startet nach dem FPÖ-Putsch eine geheime Spätkarriere als Streetart-Phantom? Cool! Mathias Strolz nimmt ein Album mit Kurt Razelli auf? Ah ok…

Es gibt viel zu viele Bücher und Podcasts. Was wir brauchen, sind komische Opern von Heidi Horten, contemporary Schwerttanz von & mit Heinz Faßmann oder unverfilmbare Trash-Science-Fiction aus der Feder von Dagi Koller. Man wird ja noch fordern dürfen.

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