FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Tom Neuwirth

Tom Neuwirth © Daniel Mayer courtesy Kulturhauptstadt Europas Salzkammergut 2024

Auf Laut

„Das Salzkammergut ist mehr als Heimat“

Am Wochenende ist in Bad Ischl die Europäische Kulturhauptstadt 2024 Salzkammergut eröffnet worden. Bei der großen Party war auch Conchita Wurst dabei. Ein Gespräch mit Tom Neuwirth bei seinem Heimatbesuch.

Von Gersin Livia Paya und Rainer Springenschmid

Tom Neuwirth, bekannt als Conchita, beginnt seine Geschichte in der beschaulichen Kulisse des Salzkammerguts, einem Ort, der seine künstlerische Seele geprägt hat. „Das Salzkammergut hat mich geerdet" sagt Tom im FM4 Gespräch.

Diese tiefe Verbindung zu seiner Heimat bildet das Fundament seiner künstlerischen Reise. Sein Weg von den ruhigen Gewässern des Salzkammerguts zu den großen Bühnen Europas ist unter anderem geprägt von Mut und Selbstentdeckung. „Kunst ist für mich ein Weg, meine Geschichte zu erzählen“, erklärt Tom. In jeder seiner Performances spiegelt sich ein Stück seiner Lebensreise wider, ein persönliches Bekenntnis zur Vielfalt und Individualität. „In einer Welt, die Dich in Schubladen stecken will, ist es ein Akt der Rebellion, einfach Du selbst zu sein“, betont er.

Zurück nach Bad Ischl hat ihn die Eröffnungszeremonie zur europäischen Kulturhauptstadt 2024 geführt. FM4-Redakteur Rainer Springenschmid hat Tom Neuwirth vor Ort zum Gespräch getroffen.

Tom Neuwirth

Tom Neuwirth © Daniel Mayer courtesy Kulturhauptstadt Europas Salzkammergut 2024

Rainer: Was ist am meisten Salzkammergut an dir?

Tom: At the End it’s always about Fashion. Also ich merke schon, dass die Handarbeit, das Dirndl, die Tracht etwas ist, was ich ästhetisch einfach extrem schön finde und bei dem ich immer wieder merke, wie es auch in meine Kleidungswahl einfließt.

Gibt es ein Erlebnis oder etwas, was sich in deinen Kopf eingebrannt hat? Wo du gemerkt hast, dass du mit dem Salzkammergut nicht 100% kompatibel bist?

Tom: Während der Hauptschulzeit vor allem, da wurde mein Sein kommentiert. Ich komm aus einer Gasthausfamilie und wurde immer beobachtet, das fiel mir schon als Kind auf. Und das fand ich natürlich nicht immer schön und es war ein Stück weit traumatisierend. Ich habe mich so schnell es ging dann auch verabschiedet. Auch weil ja auch der ländlichen Gegend immer nachgesagt wird, es gibt es keine Möglichkeiten. Das stimmt vielleicht zum Teil, aber zum anderen nicht ganz, das sieht man jetzt auch am Programm der Kulturhauptstadt und welche Leute da mitarbeiten. Die wohnen ja zum Teil auch hier, die sind so visionär und so multikulturell! Da sieht man, wie alles nur zum Teil wahr ist, je nachdem wie man es beleuchtet.

Man sagt ländlichen Gegenden oft nach, dass das kulturelle Angebot - vor allem in irgendwelchen Nischen - eher dünn gesät ist und die Möglichkeit sich zu entfalten sehr gering ist. Hast du bemerkt, dass es anderen aus der Gegend ähnlich ergangen ist wie dir? Du bist dann ja vom Salzkammergut nach Graz gegangen.

Tom: Natürlich sagt man gern, alle Künstlerpersönlichkeiten gehören in die Stadt: Dort können sie sich austauschen, die Szene ist da. Aber ich glaube, es gibt hier genauso eine große Szene, nur es wird irgendwie ein bisschen anders kategorisiert. Das Handwerk ist ja genauso kreativ und künstlerisch, aber es wird anders konnotiert. Es hat auch einen anderen Stellenwert, vielleicht ein bisschen mehr praxisbezogen. Ich glaube aber, hier gibt es genauso eine Künstlerszene! Und um die 20er Jahre hat sich ja um den Grundlsee alles geschart, was irgendwie große Gedanken hatte und künstlerisch tätig sein wollte und ich glaube Kunst hat im Salzkammergut schon immer eine große Rolle gespielt. Aber ich glaube, es wurde anders gelernt oder verlernt. Und dann sind die Nazis gekommen, das war dann eine ganz andere Abteilung.

Der Geist dieser Künstlerzeit in den 20er Jahren, und sei es jetzt nur in Retrospektiven oder auch in Tourismuswerbung, der schwebt ja eigentlich immer noch durch das Salzkammergut. Kriegt man das mit im Gasthaus Neuwirth, in Bad Mitterndorf oder ist es eher andere Welt?

Tom: Ja, ich glaube schon. Für den Tourismus wurde schon immer damit geworben, wer nicht hier aller Gedichte und Lieder geschrieben hätte. Damals ist mir das noch nicht so aufgefallen. Was ich aber immer schon gewusst habe, ist natürlich, dass die kaiserlichen Zeiten ein großes Thema waren. Aber weil ich ein riesen Sisi-Fan bin! Also das hat mich natürlich schon immer interessiert. Aber ich glaube in die Tiefe zu gehen und zu verstehen, dass hier was Progressives passiert, das habe ich erst vor einigen Jahren unterrichtet bekommen. Und das ist extrem schön und es hat so eine Enge und zugleich aber auch einen Gigantismus, der mich auch extrem inspiriert.

War das ein Aha-Erlebnis oder hat sich das langsam aufgebaut?

Tom: Es war ein absolutes Aha-Erlebnis! Durch die Teilnahme am Komitee der Kulturhauptstadt habe ich meine Heimat, das Salzkammergut, mehr wahrgenommen. Ich habe in meinen Zeichnungen und Gesang meine Wurzeln extrem wahrgenommen. Ich bin eben aus einem Dorf und wurde von allen miterzogen und habe dann eigentlich aus dieser vorherigen Ablehnung dann eine extreme Dankbarkeit verspürt.

„Ich bin der, der ich bin, wegen allen Leuten die mich - in erster Linie positiv - beeinflusst haben.“

Tom: Es ist ein bisschen ein Empowerment, ich bin auch ein Teil von hier. Und auch wenn es hier genauso wie überall anders auch Menschen gibt, die meine Existenz infrage stellen, denke ich mir „Ja, aber ich bin von da und ich bin ein lebendes Manifest davon, wie nahrhaft dieser Boden im Salzkammergut ist, für jegliche kreative Auswüchse oder Motivationen, die man im Leben haben kann.“

Wie stehst du zur Landschaft im Salzkammergut?

Tom: Ich liebe es. Zum einen ist Natur eines der heilsamsten Dinge, die man für sich selbst tun kann. Wir sind ja von Eindrücken und Stressfaktoren übersäht, das ist ja unmenschlich in a way. Und dann in die Natur zu kommen ist einfach das Beste, was man sich schenken kann.

Was ist dein Lieblingsplatz? Hast du sowas hier?

Tom: Grundlsee ist schon ziemlich geil und Mitterndorf ist ein Wahnsinn. All diese Ecken meiner Kindheit, es ist schon immer sehr besonders wenn ich heim komme. Und ich muss auch sagen, es ist immer etwas Unnatürliches, das Showbiz hierher zu holen. Also wenn ich etwa hier auftrete. Aber es ist so sehr echt hier, dass die Phantasie vom Showbiz sich nicht ganz einfügt, das macht es auch so Besonders hier aufzutreten. Die Verbindung zu den Menschen schafft hier eine besondere Energie.

Welche Chancen ergeben sich durch das Kulturjahresprogramm für die Queer Community?

Tom: Ich glaube, die Chancen für die Queer Community in dieser Gegend multipliziert sich durch die Kulturhauptstadt, weil es wird ein Austausch stattfinden. Es wird die Welt ins Salzkammergut kommen und ich denke, da werden viele Dialoge gestartet. Die Leute lassen sich inspirieren, treten in Kontakt mit den Leuten, die hier wohnen. Und die Vielfalt ist ja allgegenwärtig. Also auch wenn wir wirklich viel Zeit damit verbracht haben, das zu negieren, ist es ja die Realität. Und ich glaube, dass dies gerade den Menschen helfen wird, die hier schon lange leben, die vielleicht auch Angst vor Neuem haben. Weil wenn sie das Neue akzeptieren müssen, dann müssten sie vielleicht alles infrage stellen, was sie bisher wussten. Das macht Angst. Das verstehe ich, aber ich kann nur sagen, auf der anderen Seite stehen sie schon mit offenen Armen da und sagen „Wo warst’n so lang?“ Ich bin da sehr optimistisch und freue mich über eine positive Entwicklung, die sicher eintreten wird.

“Should I Stay Or Should I Go?” - Aufwachsen im Salzkammergut

Ein FM4 Auf Laut live aus Bad Ischl

„Ich hab mir gedacht, ich muss weg von da“, sagt Tom Neuwirth, wenn er aus seiner Jugend in Bad Mitterndorf im steirischen Salzkammergut erzählt. Sätze wie diese hört man bis heute von vielen jungen Menschen, die das Gefühl haben, sich zwischen Bergen und Seen, zwischen Tourismus und Tradition nicht entfalten zu können. Warum ist das so? Kann die Europäische Kulturhauptstadt daran etwas ändern? Und wie geht’s denen, die dableiben?

FM4 Auf Laut sendet am Dienstag, 23. Jänner, ab 21 Uhr live aus der Alten Kurdirektion in Bad Ischl und spricht mit jungen Menschen, die noch, wieder oder trotzdem im Salzkammergut sind. Deine Nummer in unser Studio: 0800 226 996

Aktuell: