FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

leicht geöffnete Lippen, Zähne

Interscope Records (Top Dawg Entertainment)

musik

„Blue Lips“ von ScHoolboy Q - ein Album komplex wie das Leben

Das neue Album von ScHoolboy Q heißt „Blue Lips“. Das ist im Englischen ein Ausdruck für Erstaunen bis zur Sprachlosigkeit. Und der aus LA stammende Rapper scheint selbst davon überrascht zu sein, wohin ihn das Leben verschlagen hat.

Von Natalie Brunner

ScHoolboy Q ist 1986 geboren und hat sein erstes Mixtape „ScHoolboy Turned Hustla“ im Jahr 2008 veröffentlicht, gefolgt von „Gangsta & Soul“ im darauffolgenden Jahr. Über das in seinem Heimatbezirk Carson ansässige Plattenlabel Top Dawg Entertainment, auch ehemalige Heimat von Kendrick Lamar, hat Q in zwei Jahren 2011 und 2012 sein Debütalbum „Setbacks“ und kurz dannach dessen Nachfolger „Habits & Contradictions“ veröffentlicht. „Oxymoron“ war 2014 das Album, mit dem er große Aufmerksamkeit erregte.

Zu Beginn seiner Karriere hat ScHoolboy Q viel über Drogen gerappt, aber jetzt spielt er fünf- bis sechsmal pro Woche Golf, um seine Dämonen loszuwerden. Das ist wahrscheinlich eine gute Strategie, um den Kopf freizubekommen und um zu seinen komplexen, doppelten und dreifachen Bedeutungen zu gelangen.

Auf seinem neuen Album „Blue Lips“ durchlebt Schoolboy Q die vielen Nuancen zwischen mürrisch und manisch. Es ist erstaunlich, wie auf wie viele verschiedene Weisen er rappt und sich geben kann hat. Auf „Blue Lips“ klingt er nie arrogant oder protzig stolz auf seinen Erfolg. Die Tracks des neuen Albums sind nicht geeignet für die Party oder den Golfplatz. Sie balancieren zwischen der Freude über den Erfolg, das Familienleben und den tiefsitzenden Schmerz vergangener Traumata - ein Balanceakt zwischen Paranoia und Stolz.

„Blue Lips“ ist beeindruckend in seiner Bandbreite

Es ist ein vielseitiges Hörerlebnis, ein Showcase von virtuoser Raps Skills, ein Showcase in dessen Rahmen ScHoolboy Q seine Stimme als zentrales Instrument in verschiedenen Facetten zum Einsatz bringt.

Auf der Nummer „Pop“ holt er die Rapperin Rico Nasty an Bord. Eine MC, die schon in der Vergangenheit punkige Ausbrüche in ihre Raps eingebaut hat. Eine Nummer die, so ein Review, daran erinnert, dass die Westküste nicht nur Tupac sondern auch Black Flag hervorgebracht hat.

„Cooties“ ist ein Song über Schießereien an Schulen, und zwar aus der Perspektive eines Elternteils. Schoolboy Q ist inzwischen Vater von zwei Töchtern, die sowohl selbst stimmlich als auch in Erzählungen auf dem Album vorkommen.

Die Features von Blue Lips sind klug und sorgfältig gewählt. Sie sind sparsam verteilt, klug eingesetzt und ordnen sich dem Narrativ dieses persönlichen Albums unter. Das jazzig beginnende „Ohio“ mit seinen Tempi und Beatwechseln ist ein lyrisches Pingpong-Spiel mit Freddie Gibbs, in dem sich die beiden über den Staus austauschen, den sie im Laufe der Jahre hart und bitter erkämpft haben.

Ein sehr persönlicher Track von „Blue Lips“ ist Germany 86. Der Name bezieht sich auf ScHoolboy Qs Geburtsort und -jahr: Eine US-Army Base in Deutschland, wo seine Mama stationiert war. Q erzählt, wie er zurück in LA nicht vorbereitet war auf den von Gewalt geprägten Alltag, Freunde sterben hat sehen und später seiner Kindsmutter das Versprechen gibt, lebendig nachhause zu kommen.

„Blue Lips“ ist eine Platte in ungefilterter Form. In der Stunde Laufzeit des Albums, in den 18 Tracks, lernen wir ScHoolboy Q als Spaßvogel, als reumütigen Gangster, als nicht ganz so reumütigem Gangster, als einen in seine Kinder vernarrtem Vater u.v.m. kennen. Mit unglaublicher Leichtigkeit wechselt ScHoolboy Q zwischen all den Personas und Szenarios, in denen er lebt, hin und her. Es ist ein plastisches, dreidimensionales Bild, das er entwirft, die verschiedenen Flows, die wechselnden Tonalitäten, ein Album so komplex wie das Leben.

mehr Musik:

Aktuell: