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Film: "Civil War"

A24 Films

FILM

„Civil War“: das Zerbrechen von demokratischen Gesellschaften

Der neue Film von Alex Garland ist ein universeller Film über Krieg.

Von Natalie Brunner

Am 5. November werden die USA einen neuen Präsidenten wählen und nach den Szenen bei der Abwahl von Donald Trump, der Verwüstung des Capitols durch Trump-Ultras, liegt Nervosität in der Luft. Ein Momentum, den „Civil War“, der neue Film des britischen Regisseurs Alex Garland nutzt, aber nicht überstrapaziert. Anstatt Angst und Hysterie zu schüren, konzentriert sich Garland auf die Frage, was Krieg aus Menschen macht, und wie die Repräsentant:innen der vierten Gewalt, also Journalist:innen, damit umgehen, wenn vor ihren Augen eine demokratische Gesellschaft zerfällt. „Civil War“ ist nicht unbedingt ein Film über den aktuellen Zustand und die Bedrohungsszenarien der US-Demokratie, sondern ein universeller Film über das Zerbrechen von demokratischen Gesellschaften.

„Civil War“ spielt in einem Nordamerika der nahen Zukunft. Der Präsident hat sich zu einer dritten Amtszeit geputscht, die er mit Waffengewalt verteidigt. Dem gegenüber stehen die Western Forces, eine Allianz zwischen Texas und Kalifornien. Während die Western Front gegen Washington DC vorrückt, wird in den Vorstädten gekämpft, geplündert und gemordet. Zur gleichen Zeit lernt der mit einer Trumpschen Rhetorik ausgestattete Präsident, verbarrikadiert im Weißen Haus, seine neue Fernsehansprache auswendig und schwadroniert vom endgültigen Sieg.

Film: "Civil War"

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Wir erleben den amerikanischen Bürgerkrieg aus der Perspektive von vier Kriegsberichterstatter:innen. Die erfahrene, abgehärtete, aber nicht demoralisierte Kriegsfotografin Lee Smith wird von einer in dieser Rolle brillierenden Kirsten Dunst gespielt. Dunst schafft es der wortkargen Figur durch ihre Blicke, ihre Mimik und ihre körperliche Präsenz eine empathische Tiefe zu geben.

Die Zuseher:innen spüren, man hat es mit einer Frau zu tun, die alles gesehen hat, vermeintlich Distanz hält, nicht eingreift oder Seiten ergreift, niemanden rettet, aber sich größten Greuel aussetzt, weil sie die Hoffnung nicht verloren hat, dass ihre Bilder zukünftig Menschen von solchen Taten abhalten können. „Es ist nicht die Rolle der Kriegsfotograf:innen sich mit moralischen Fragen zu befassen. Es ist ihre Aufgabe, aufzuzeichnen, damit andere die Fragen stellen.“, erklärt sie ihre Arbeitsphilosophie in einer Szene.

Widerwillens wird Lee zur Mentorin der jungen Fotografin Jessie, die sich in die Expedition schmuggelt die Lee und zwei andere Journalist:innen nach Washington führt, um bei dem Eintreffen der Western Front exklusiv Berichterstatten zu können. Joel, gespielt von dem brasilianischen Schauspieler Wagner Moura, ist ein nihilistischer Scherzbold, der plant den Präsidenten kurz vor seinem Fall zu interviewen.

Großartiger Soundtrack

Was folgt ist ein Roadmovie durch die vereinigten Staaten, eine Abfolge von Szenen und aus dem Auto gefilmten Bildern, die man in letzter Zeit oft in Zombiefilmen gesehen hat: verlassene Mallparkplätze auf denen gecrashte Hubschrauber wie Rieseninsekten liegen, Hunderudel, die durch leere Straßen ziehen, Leichen von Gelynchten, die von Brücken und in Autowaschanlagen hängen. Großartig ist der Einsatz von Musik: während die Kriegsberichterstatter:innen durch die Ruinen der USA fahren, ist Dream „Baby Dream“ von Suicide zu hören, das auch schon Bruce Springsteen gecovert hat, um über den Zustand der USA zu kommentieren.

Zwei Szenen und Details aus „Civil War“ werden in Erinnerung bleiben, weil sie den Horror von Krieg verständlich machen: Jesse Plemons als Anführer einer gerade ein Massengrab aushebenden Miliz, dem der Wahnsinn durch die Gläser seiner roten Sonnenbrille blitzt und der ein sadistisches Spiel mit den Journalist:innen treibt, indem er sie fragt welche Art von Amerikaner:innen sie sind.

Aaaron

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Geste des Respekts

In der zweiten einschneidenden Szene treffen wir zwei Kids, die seit langer Zeit vor einem Haus verbarrikadiert sind, in dem ein Scharfschütze ist, der auf alles schießt das versucht die Straße zu überqueren. Wir finden nicht heraus auf welcher Seite der Schütze steht und auch die jungen Männer haben vergessen wofür, oder wogegen sie kämpfen. Besonders hart ist das Detail des abgeblätterten Nagellacks und der verblichenen bunten Haare eines der Schützen, weil es wie ein Indiz funktioniert, dass wir es mit einem Menschen zu tun haben, der in seinem zivilen Vorleben eine respektierende Ideologie gelebt hat. Es ist eine Szene, die mich an das legendäre Bild des jungen Soldaten erinnert, der „Make Love Not War“ auf seinen Helm geschrieben hat. Ein Bild aus der Anti-Kriegs-Doku „In the Year of the Pig“ von Emile de Antonio aus dem Jahr 1967.

Vielleicht eine Geste des Respekts von Regisseur Alex Garland an Kriegsberichterstatter:innen, wie auch der Umstand, dass seine Hauptfigur Lee den gleichen Vornamen hat wie Lee Miller, die Fotografin, die bei der Befreiung des KZ Buchenwald dabei war und am nächsten Tag in München in Hitlers Badewanne ein Selbstporträt von sich geschossen hat, wie sie sich den Schlamm von Buchenwald vom Körper wäscht.

„Civil War“ ist ein detailreicher und wichtiger Film über Krieg und die Menschen, die versuchen sich ihm an der Front mit Kameras entgegenzustellen.

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