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Jan Böhmermann isst Fritattensuppe

Radio FM4 | Clemens Fantur

interview #3

Böhmermann: „We Will Rave“ bringt die österreichische Leitkultur nach vorne

Jan Böhmermann und Olli Schulz kommentieren wieder für FM4 den Eurovision Song Contest. Sie sehen sich als ESC-Alternativprogramm. Im Interview erklärt Jan Böhmermann, wie relevant der Song Contest noch ist, wie er ihn reformieren würde und was er von dem deutschen und dem österreichischen Act hält.

Von Lena Raffetseder und Alex Wagner

Alex Wagner (Radio FM4): Haben wir denn als FM4 im letzten Jahr beim Eurovision Song Contest alles richtig gemacht?

Jan Böhmermann: Ja, du hast diesen unglaublichen Knoblauchatem gehabt. Ich weiß gar nicht, was dir eingefallen ist, dass du da so stark riechende Sachen gegessen hast. Wir haben uns fein rausgeputzt und da waren so beengte Verhältnisse. Und du hast uns mit starken Knoblauchrülpsern immer wieder ein bisschen in die Parade reingerülpst von hinten. Das fand ich richtig schlimm, Alex. Aber FM4 hat einen prima Job gemacht. Also wir sind natürlich the weakest link, es ist immer ein menschliches Versagen und das liegt dann bei uns natürlich.

FM4: Ihr bezeichnet euch selbst als Alternativprogramm beim Song Contest. Was bedeutet das heuer?

Jan Böhmermann: Das Wort „Alternative“ ist ja leider ein bisschen in Verruf geraten. Deswegen würde ich eher sagen alternative - das ist Englisch für Alternative, das ist aber unbelasteter. Wir sind eher Indie-Alternative-Kommentatoren, wir nehmen es nicht ganz so genau mit den Fakten, aber worauf man sich verlassen kann, ist: Unsere Instinkte sind geschärft, unser Blick ist unbestechlich.

Zwei kreisförmige Fotos von Jan Böhmermann und Olli Schulz vor pinkem Hintergrund und dem Schriftzug "Songcontest"

FM4 / LWZ / ORF / Roman Zach-Kiesling

Das Finale des Eurovision Song Contests mit Jan Böhmermann und Olli Schulz live aus Malmö

Am 11. Mai ab 20.45 Uhr. So kannst du den Eurovision Song Contest mit Jan Böhmermann und Olli Schulz anschauen!

Wir sehen, wenn jemand zu sehr den Drachen jagt, wenn es zu prätentiös ist, wenn jemand zu sehr die Krone will. Dann spüren wir das. Wir sind wie so Anemonen. Wie Seeanemonen! Wir haben Tentakel. Was aus uns rauskommt, ist oft auch Blödsinn. Da sieht man es schon wieder. Das Bild ist falsch, aber man ahnt, was gemeint ist. Und das ist ein schönes Motto. Die Bilder sind falsch, die Rhetorik ist schlecht, aber man ahnt, was sie meinen. Das ist eigentlich das, was wir uns vorgenommen haben. Und ich hoffe, dass wir es hinbekommen. (lacht)

FM4: Warum ist denn der Song Contest 2024 noch relevant?

Jan Böhmermann: Der Eurovision Song Contest ist ein völkerverbindendes Medienspektakel. Das haben wir letztes Jahr nicht gewusst, weil wir noch nie da waren. Aber jetzt, mit der Erfahrung eines Eurovision Song Contests, sind wir natürlich im Herzen erst mal milde und freuen uns darüber, wie verbindend das Ganze ist und was für eine tolle positive Energie von diesem Event ausgeht, auch wenn es skurril ist und wenn es witzige Kostüme gibt. Also es werden Memes am laufenden Band produziert. Es sind wirklich tolle Auftritte. Der Glitter wird embracet, es ist die große Bühne, solange man es sich leisten kann. Es ist auch immer eine Leistungsschau und schön zu sehen, wie Unterhaltung in anderen Ländern aussieht. Es ist schön zu sehen, was andere Länder nach vorne schicken, wie die sich präsentieren, das macht total Spaß. Vor Ort in dieser Halle zu sein, mit den anderen Kommentator:innen zu reden, mit den Leuten zu sprechen.

Die Bilder sind falsch, die Rhetorik ist schlecht, aber man ahnt, was sie meinen.

Ich habe im letzten Jahr in Liverpool am Bahnhof gesessen und bin dann mit dem Zug nach Hause gefahren - auch eine geile Idee, das hat irgendwie 24 Stunden gedauert, weil ich gedacht habe, jetzt, wo Schweden gewonnen hat, möchte ich Greta Thunberg beeindrucken. Aber das mache ich dieses Jahr nicht! Das tu ich mir nicht mehr an mit dem Zug. Dieses Jahr laufe ich! (lacht) Am Bahnhof habe ich mich mit ganz vielen Menschen unterhalten. Es gibt eine relativ große Gruppe von Leuten, die jedes Jahr dort hinkommen und sich jedes Jahr den Song Contest anschauen, für die es ein Riesenevent ist. Die sich dieses Wochenende freinehmen und versuchen, so viele Tickets wie möglich zu bekommen. Das sind einfach wahnsinnig nette Leute, die auch davon erzählen, was für eine tolle Gemeinschaft beim ESC ist. Und das so ein bisschen zwischen den Zeilen mitzutransportieren, was für ein positiver Event das ist, das machen wir schon. Also das kriegt man auch nicht so richtig weg, glaube ich. So zynisch sind wir dann nicht.

FM4: Du hast letztes Jahr gesagt: „Unpolitisch sein in Zeiten, in denen man politisch sein muss - der Song Contest schafft diesen Spagat.“ Heuer kommt ein zusätzlicher Aspekt dazu mit der Diskussion um den israelischen Beitrag. Ist der Spagat heuer schwieriger geworden?

Das Interview wurde am 8. April 2024 geführt.

Jan Böhmermann: Es wird ohnehin bis zum 11. Mai noch eine Menge passieren. Nicht nur Schlechtes, auch Gutes kann ja bis dahin passieren. Momentan sieht es so aus, dass sich zumindest so etwas wie eine Waffenruhe oder ein Waffenstillstand in Gaza andeuten könnte. Vielleicht glätten sich bis Mai noch ein paar Wogen und die Emotionen beruhigen sich ein bisschen. Vielleicht wird das Ganze dann doch etwas friedlicher oder verständigender, als wir das jetzt glauben. Politisch ist der ESC sowieso immer. Selbst einen komplett unpolitischen Titel zu bringen, obwohl alle erwarten, dass ein politischer kommt, kann ein politisches Statement sein. Da kann aber selbst in der Woche des Eurovision Song Contests noch etwas passieren, das du jetzt noch gar nicht vorhersehen kannst. Wie immer in der Politik. Deswegen dazu dann mehr, wenn es so weit ist.

FM4: Wenn du den Song Contest reformieren könntest, welche Regeln würdest du einführen?

Jan Böhmermann: Ich finde dieses „Die großen Länder sind gesetzt“ furchtbar. Klar, die bezahlen am meisten, aber wenn es hier wirklich ein Wettkampf auf Augenhöhe ist, dann sollte eigentlich Deutschland allein schon zur Strafe am internationalen Vorentscheid scheitern und nicht gesetzt sein. Das finde ich total unfair, auch den anderen Ländern gegenüber. Das wird am Ende nur begründet mit Geld. Wenn man den sportlichen Gedanken wirklich ernst nimmt oder den ESC-Gedanken, dann muss man sagen: „Ja, sorry, dann ist das halt so. Dann macht doch einen besseren Titel!“ Das würde vielleicht ein bisschen mehr Druck auf Deutschland ausüben, dass mal ein bisschen was Besseres dabei rumkommt. Das finde ich total ungerecht.

In einigen Ländern ist der Vorentscheid ein bisschen intransparent. Österreich setzt den Act in diesem Jahr einfach so fest, zum Beispiel, weil das die Sender entscheiden oder auch weil es eine Kostenfrage ist. Andere Länder haben superaufwendige Vorentscheide, bei denen dann das Volk entscheiden kann und die Zuschauer:innen, andere haben Jurys. Das ist alles nicht so richtig gleich, aber am Ende, weil es ja eh wurscht ist, ist es einfach Wurst. Aber die wichtigste Regel: Bitte, diese Big Five, die Großen Fünf, muss man abschaffen. Das find ich voll ungerecht.

FM4: Für Deutschland tritt in diesem Jahr Isaak an mit „Always on the Run“! Wird es wieder der letzte Platz für Deutschland oder wird es besser?

Jan Böhmermann: Es fällt dieses Jahr ein bisschen schwerer, das so runterzureden, weil es ja wirklich ein Sänger ist, der ja auch nicht unsympathisch ist. Aber ich könnte den Song jetzt nicht irgendwie nachsingen (versucht es trotzdem). Ja, so ähnlich wird er wahrscheinlich klingen. Ich habe den Vorentscheid gesehen und muss sagen, an dem Abend ist Isaak auch derjenige gewesen, von dem ich mir am ehesten hätte vorstellen können, dass er es macht. Aber allein jetzt schon so pädagogische Gedanken zu haben wie in so einem Theaterstück in der zweiten Klasse, wo dann auch bei jedem halbwegs gelungenen Satz geklatscht wird... Eben weil es halt einfach Kinder sind, wird da geklatscht, nicht weil’s wirklich geil ist. (lacht) So fühlt man sich ein bisschen bei deutschen Beiträgen zum Eurovision Song Contest. Es gibt immer 1.000 verkopfte Erklärungen, warum das genial ist und, solange der NDR davon überzeugt ist, sind doch alle zufrieden. Das ist doch super.

FM4: Der ORF ist davon überzeugt, dass „We Will Rave“ überzeugen wird.

Jan Böhmermann: Auf jeden Fall!

FM4: „We Will Rave“ heißt der österreichische Song von Kaleen. Sie muss noch durchs zweite Halbfinale. Welche Chancen räumt ihr Kaleen ein?

Jan Böhmermann: Olli sagt, sie hat keine Chance. Ich bin auf der Seite von Kaleen! Also Olli ist jetzt gerade nicht da, aber einfach, damit es spannend bleibt zwischen uns. Olli sagt „keine Chance“, weil er Musiker ist. Ich bin kein Musiker, hauptberuflich. Nein, ich finde das super und halte „We Will Rave“ für einen ersten, sehr wichtigen Beitrag, die österreichische Leitkultur nach vorne zu bringen. Das ist für mich Österreich. We will rave!

FM4: Bist du schon Raver?

Jan Böhmermann: Ich bin Raver. Ich bin aber auch Vaper, und ein Waver. Skater. I’m a Bitch, I’m a Lover, I’m a Child, I’m a Mother. I’m a Sinner, I’m a Saint. I do not feel ashamed. (singt den Song von Meredith Brooks) Ja, I’m a Raver!

Jan Böhmermann isst Fritattensuppe

Radio FM4 | Clemens Fantur

FM4: Wir können jetzt als ORF-Kolleg:innen offen reden. Ihr habt Österreich auf europäischer Ebene repräsentiert. Wie schwierig war es denn, in die Rolle der Österreicher zu schlüpfen?

Jan Böhmermann: Dadurch, dass wir keine Selbstzweifel kennen, ein übergroßes Ego haben und uns für über jeden Zweifel erhaben halten, ist es gar nicht schwer, uns in Österreich hineinzuversetzen. Ollis und meine Persönlichkeit sind ziemlich identisch mit der Nationalpersönlichkeit von Österreich. Also ein bisschen so: Wenn man sich nicht für das Größte halten würde, würde man nach Höherem streben. Warum sollte ich mehr wollen? Ich bin doch schon ganz oben! Und dabei aber dann doch irgendwie Gemütlichkeit, Bequemlichkeit, auch intellektuelle Bequemlichkeit, an den Tag legen - das ist uns sehr nahe.

Abgesehen davon sind wir Österreich natürlich beide kulinarisch verbunden. Als wir vor vielen Wochen hier unseren Vorstellungstermin hatten bei FM4, wo wir die Nachricht verkündet haben, dass wir den Eurovision Song Contest wieder kommentieren: Wir kamen hier rein - ein Eimer Frittatensuppe. Ich dachte, besser wird der Tag nicht mehr. Dann mache ich das nächste Ding auf: Schnitzel.

Ollis und meine Persönlichkeit sind ziemlich identisch mit der Nationalpersönlichkeit von Österreich.

In Deutschland wird Quinoa Bowl gegessen, da traut man sich nicht mal, Kunstlachs anzufassen. Und hier ist man noch beim guten alten Schnitzel. Und die Schnitzel waren so groß, da hat man die Teller nicht mehr gesehen. Unglaublich. Das mag ich sehr an Österreich, und Olli liebt es auch. Es ist immer so ein bisschen wie bei einer verrückten Großmutter, die sehr gut mit Computern umgehen kann, politisch wahnsinnig unzuverlässig ist und einen schlechten Musikgeschmack hat, aber irgendwie cool, so eine Oma mit lila Haaren. Das Bild ist unpräzise, aber man ahnt, was gemeint ist. Also wie gesagt, das ist das Motto dieses Jahr. Die Bilder sind unpräzise, die Rhetorik ist schief, aber man ahnt, was gemeint ist. Olli Schulz und Jan Böhmermann bei FM4: Man ahnt, was gemeint ist.

FM4: Haben euch denn die Deutschen verziehen, dass ihr einfach so die Seiten gewechselt habt?

Jan Böhmermann: Deutsche verzeihen nie. Die großen Kriege, die die Deutschen im letzten Jahrhundert vom Zaun gebrochen haben - hauptsächlich deswegen, weil sie nie verziehen haben. Auch den letzten Krieg, den sie selbst vom Zaun gebrochen haben. Deutsche verzeihen nie. (singt)

FM4: Kommen wir noch kurz zu FM4. Ihr seid seit einem Jahr FM4-Mitarbeiter. Wo wollt ihr euch in Zukunft mehr einbringen?

Jan Böhmermann: Ich würde gerne mal die Kantine sehen von FM4. Wir sind seit einem Jahr Mitarbeiter. Wir durften noch nicht ein einziges Mal in der Kantine essen, weil die ist nur für ganz enge Mitarbeiter, wurde mir gesagt. Ich habe auch noch keinen Parkplatz hier im ORF Medienzentrum. Das ist übrigens ganz interessant. Ich bin letztens zum ersten Mal bei euch gewesen. Im 13. Bezirk ist das hier, glaube ich, in Wien. Das fand ich total krass, dass ihr da im Grunde genommen zwischen euren Autos arbeitet. Ihr macht Radio zwischen euren Autos. Da sind Autos im Haus, überall. Und da würde ich mir echt einen Parkplatz wünschen als Mitarbeiter. Das ist aber wohl sehr teuer, habe ich mir sagen lassen. Muss man bezahlen.

FM4: Da muss man schon Chef sein, damit man einen Parkplatz hier bekommt.

Jan Böhmermann: Kostenlos?

FM4: Nein. Bezahlt!

Jan Böhmermann: Ach so, echt? Naja. Aber ich hätte gerne einen Dienstausweis vom ORF. Und dann würde ich damit im Internet Leute betrügen. (lacht)

FM4: Ich habe versucht, dir einen Dienstausweis vom ORF ausstellen zu lassen.

Jan Böhmermann: Kannst du vergessen!

FM4: Die Konzernsicherheit ist gekommen und hat gesagt: Nein, das geht auf keinen Fall.

Jan Böhmermann: Wie, die Konzernsicherheit ist gekommen und hat sich eingeschaltet?

FM4: Ja und hat gesagt: Nein, es gibt viel zu viele Leute, die hier im ORF-Ausweise haben. Wir versuchen das zu reduzieren!

Jan Böhmermann: Aber das ist ja nicht mein Problem, weil ich bin doch Mitarbeiter des ORF.

FM4: Habe ich auch argumentiert.

Jan Böhmermann: Das gibt es doch gar nicht. Lass dich da nicht fertig machen. Wir finden einen Weg. Wir machen das irgendwie guerillamäßig, selbst gedruckt. Es ist doch kein Dokumentenfälschen, wenn man einen ORF-Ausweis fälscht, ist doch nicht wie bei einem Reisepass. Ist doch egal. Wer soll da kommen? Pfft!

Jan Böhmermann und Olli Schulz und der Schriftzug "Songcontest"

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Der Eurovision Song Contest 2024 auf Radio FM4

Das Finale des Eurovision Song Contests werden Böhmermann und Schulz live aus Malmö kommentieren. Am 11. Mai 2024 ab 20.45 Uhr.

So kannst du den Eurovision Song Contest mit Jan Böhmermann und Olli Schulz anschauen!

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