Elden Ring but make it Spongebob, das ist „Another Crab’s Treasure“!

Der quietschfidele Schein trügt: „Another Crab’s Treasure“ ist ein ernstzunehmendes Soulslike mit hohem Wortwitz- und Müllgehalt.

Von René Froschmayer

Krabbenkörper sind en vogue! Hätte die irdische Evolution ein Lifestyle-Magazin, dann wären Krabben ein überaus beliebtes Covertier. Der rundliche Körper scheint evolutionär bevorzugt, Wissenschafter:innen nennen dieses Phänomen die Verkrabbung.

Polemisch und in Meme-Lingo ausgedrückt: Everything turns to crab!

Die (evolutionäre) Vorliebe für Krabben teilt auch das Indie Entwickler:innenstudio Aggro Crab aus Seattle. Das Krabbentier steckt nicht nur im Studioname, sondern auch in ihrem neuen Spiel.

„Another Crab’s Treasure“ dreht sich um Krill, einem kleinen roten Einsiedlerkrebs. Als Spieler:in schlüpfen wir mit seinem Körper in allerlei provisorische Häuschen. Manchmal ist es eine leere Softdrinkdose, ein Shotglas oder ein alter Tennisball. One man’s trash is “Another Crab’s Treasure”!

Damit muss sich Krill zufriedengeben. Seine geliebte mobile Unterkunft, eine rosa Muschel, ist jedenfalls weg – von einem fiesen Kredithai gepfändet. Aber Moment, seit wann spielen in Gezeitenpools und Unterwasser Kredite, Steuern und Transaktionsmittel eine Rolle? Seit der Trashrevolution!

Trashrevolution and its consequences

Der destruktive Einfluss der Menschheit auf das artenreiche, aquatische Ökosystem ist in „Another Crab’s Treasure“ schon beim ersten Abtauchen erkennbar. Leere Bierflaschen ragen aus dem Sand, Plastikflaschen schweben durch das Wasser und Ölteppiche verpesten die Umgebung.

Mit der Verschmutzung hat sich auch das kapitalistische System unter den Meeresbewohner:innen eingenistet, die sogenannte trash economy.

Anpassungsfähig wie die Unterwasserfauna (zumindest in diesem Game) ist, nutzen Krebs, Schnecke und Co. den menschgemachten Müll für ihre Zwecke: Aus Mandarinenschalen werden Toupets, Mikroplastik wird als Währung umgedeutet und alles, was sticht, schneidet und reißt, wird zu todbringenden Waffen.

Der an Spongebob Schwammkopf erinnernde Look trügt: „Another Crab’s Treasure“ ist ein ernstzunehmender Vertreter des Soulslike-Genres. Mit einer rostigen Dessertgabel bewaffnet, holen wir uns die gepfändete Muschel zurück. Ohne Kampf gelingt das jedoch nicht.

Das Game funktioniert in gewohnter Soulslike-Manier: Trinkets verbessern unsere Stats, Mondschneckenmuscheln sind Speicher- und Schnellreiseorte. Einen Fertigkeitsbaum (oder eher Anemone) gibt es ebenfalls und das umweltverpestende Mikroplastik wird für Verbesserungen gebraucht.

„Another Crab’s Treasure“ kombiniert Frustinduzierenden Soulslike-Facetten mit erfrischenden Plattformer-Elementen. Vor, nach und während Gefechten hüpfen wir von Korallengeästen auf Flip-Flops und nutzen unsere Dessertgabel als Enterhaken. So bewegt sich Krill durch die kontinuierlich düster werdende Welt im „Crablike“. Angelehnt an „Elden Ring“ durchschwimmen wir eine weitläufige Open World. Die kommt ohne Wegmarker daher – das Game setzt auf den Erkundungsdrang der Spieler:innen.

What the shell!

„Another Crab’s Treasure“ macht es vor: Soulslike kann auch zugänglich sein! Spielhilfen sollen über strapazierte Nerven entspannen.

Wir kennen das Szenario: Selbst nach dem 112. Run zwingt uns ein Bossgegner zu Boden. Mithilfe einiger Adaptionen (größeres Dodge-Fenster, höhere Muschelhaltbarkeit, …) will das Indie Game Rage-Quits vorbeugen.

Hilft das alles nicht, gibt es noch die Möglichkeit „Give Krill a gun“ – statt einer Dose schlüpft der kleine Krebs in eine entsorgte Pistole. Die macht sogar den hartnäckigsten Feinden mit einem Schuss den Garaus!

50 verschiedene Muschelalternativen mit unterschiedlichen Fähigkeiten, ein verzweigter Fähigkeitsbaum und mehr Wortwitz als Müll im Ozean: „Anohter Crab’s Treasure“ ist ein kleines Meisterwerk.

Selbst Spieler:innen, die bisher keine Freude mit Soulslike hatten (wie der Autor zum Beispiel), können in das zugängliche Spiel hineinwachsen. Ohne den Finger zu heben, verpackt Aggro Crab in das gewieft-gestaltete Game Kapitalismuskritik und den zerstörerischen Einfluss der Menschheit auf sensible Ökosysteme.

Ach du dicke Krabbe: „Another Crab’s Treasure“ im FM4 Spielekammerl!

Michi Pichler und René Froschmayer tauchen gemeinsam ab in das verschmutzte Nass! Seid dabei, seht zu wie sie womöglich ihre Nerven verlieren und chattet mit: am 2. Mai 2024 ab 17 Uhr auf Twitch!