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Lauren Harris

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Rachel Chinouriri und ihr Album „What A Devastating Turn Of Events“

Rachel Chinouriri entdeckte mit dreizehn Coldplay und schrieb mit siebzehn ihren ersten Song. Nach einzelnen Tracks und EPs hat die Britin mit den Wurzeln in Simbabwe nun ihr Debütalbum veröffentlicht. Rachel Chinouriri ist eine begnadete Geschichtenerzählerin, deren Songs auch Pop-Appeal haben.

Von Eva Umbauer

Der erste Song, den Rachel Chinouriri geschrieben hat, war im Singer/Songwriter-Stil, so wie ihre weiteren Songs auch. Rachels Mutter meinte, solch melancholischer Musik würde wohl niemand hören wollen, denn sie selbst liebt eigentlich ausschließlich Musik, die fröhlich und tanzbar ist. Die Mutter von Rachel Chinouriri mag Beyoncé oder auch christliche Musik aus Simbabwe, wo Familie Chinouriri herkommt.

Rachel Chinouriri ist das jüngste von fünf Kindern und wurde in London geboren. Sie liebt London, obwohl es einmal eine Zeit gab, wo sie nicht genau wusste, wohin sie nun gehöre. Ihren elegischen Singer/Songwriter-Stil hat Rachel Chinouriri inzwischen auch mit Pop-Vibes angereichert.

Hört man die akustische Version von „Never Need Me“, wird einem bewusst, dass es sich dabei eigentlich um einen traurigen Song handelt: „You never swim, you drown in your drink, how can I swim if you’re pullin’ me down?“, singt Rachel Chinouriri.

Ihre Songs handeln meist von Traumata. Eine junge Frau aus der erweiterten Familie von Rachel Chinouriri in Simbabwe nahm sich das Leben, als sie erfuhr, dass sie schwanger ist. Der Albumtitel „What A Devastating Turn Of Events“ nimmt darauf Bezug: „Without the right support or understanding around you, people can feel trapped and it’s sad she ever made this choice. Her story deserves to be told and I hope more people know that this is a feeling that many people have felt and you should always ask for help.“, erzählt sie im Interview.

„What A Devastating Turn Of Events“ ist ein durchaus sperriger Titel, aber Rachel Chinouriri scheut so etwas nicht, auch nicht, dass es Kontroversen um das Albumcover gibt, weil darauf das Sankt-Georgs-Kreuz zu sehen ist. Es ist Teil der britischen Flagge, und Rachel möchte damit, wie sie sagt, „a celebration“ ausdrücken, nämlich ihre britische Identität zu feiern, trotz des Rassismus, dem sie als Kind an der Schule in London ausgesetzt war: „No matter the trauma I’ve had from being raised in the UK, being Black British and being the only Black person in my neighbourhood, it’s made me the person who I am.“

In der Grundschule lief alles gut, dann aber, in der weiterführenden Schule, war es richtig schlimm für die junge Britin mit den südostafrikanischen Wurzeln. Ihre Familie war die einzige Schwarze in der Nachbarschaft. Die anderen Kinder riefen ihr arg rassistische Dinge hinterher, einem unauffälligen Mädchen, wie sie sagt, das gern in die Schulbibliothek ging.

Cover von „What A Devastating Turn Of Events“ von Rachel Chinouriri

Parlophone/Warner

„What A Devastating Turn Of Events“ von Rachel Chinouriri ist am 3.Mai 2024 bei Parlophone/Warner erschienen.

Damals entdeckte die junge Rachel dann die englische Band Coldplay. Sie war dreizehn und suchte am Laptop ihrer Mutter, während diese noch in der Arbeit war, nach Musik. „Coldplay saved my life“, sagt die heute 25jährige. Musik war in der Lage, ihr Trost zu spenden, und Coldplay gaben Rachel Hoffnung, dass ihr Leben wieder besser werden würde. Es wurde besser, als sie die Schule wechselte.

Rachel Chinouriri hatte nun auch Daughter entdeckt, die englische Band rund um Sängerin Elena Tonra. Ihre Stimme, und überhaupt dieser melancholische Vibe der Musik von Daughter berührten Rachel Chinouriri tief. Sie erinnert sich heute, dass sie abends im Bett lag, schon längst schlafen sollte, aber mit Daughter in den Kopfhörern einfach eine wunderbare Zeit hatte. Vor dem Fenster im Süden von London war es stockdunkel, Rachel hörte Eulen und andere Tiere der Nacht, dazu den Wind in den Bäumen - es löste bei ihr Glücksgefühle aus.

In Los Angeles verspürte Rachel Chinouriri weniger Glücksgefühle. Sie war in der Stadt für die Aufnahmen zu ihrem Album, und um sich vielleicht mit anderen Musiker:innen zu treffen, zwecks kreativem Austausch, aber Rachel fühlte sich nicht wohl in L.A., sie fühlte sich einsam. Der Song „The Hills“, ein Track im Stil des Punk-Rock, handelt davon. Rachel Chinouriri brach den L.A.-Aufenthalt dann ab und machte ihr Album in London fertig, wo sie sich wieder ihrer britischen Identität bewusst wurde.

„What A Devastating Turn Of Events“ hat viele unterschiedliche Tracks, obwohl Rachel Chinouriri ihr Album aber am liebsten als ein Indie-Rock-Album bezeichnet: „I wanted to recreate the visual and sonic aesthetics of the Britpop movement in the 1990s and 2000s, while reclaiming my position in the indie scene, where Black female artists are still underrepresented.“

Oasis, The Libertines, Coldplay, die Londoner Band Noisettes und die englische Musikerin VV Brown gehören zu den Inspirationsquellen für den Stil, den Rachel Chinouriri mit ihren Songs suchte. Weiters ist sie aber auch beeinflusst von traditionellem Frauen-Gesang aus Simbabwe, genauso wie von der aus Sambia bzw Botswana stammenden Musikerin Sampa The Great oder eben auch von Daughter. Manches erinnert vielleicht auch ein wenig an die New Yorker Songwriterin Samia, oder die US-Musikerin Indigo De Souza, aber mit ihrer „Englishness“ drückt Rachel Chinouriri den Songs letztlich immer ihren ganz eigenen Stempel auf.

„All I Ever Asked“, das im Jänner vor zwei Jahren viral gegangen war, findet sich ebenso auf dem Album wie „So My Darling“, mit dem sie 2018 via SoundCloud Bekanntheit erreicht hatte. Weiters gibt es auf „What A Devastating Turn Of Events“ Tracks wie „I Hate Myself“ - der Song handelt von „body dysmorphia“, also der übermäßigen Beschäftigung mit dem eigenen Körper und seinen vermeintlichen Makeln - oder „It Is What It Is“, das Spoken-Word-Passagen hat und das Thema Dating behandelt.

Das Storytelling von Rachel Chinouriri ist jedenfalls immer, egal ob es düster wird in einem Track oder es sich um Leichteres handelt, voller Herzenswärme. „What A Devastating Turn Of Events“ ist ein Album, das die Pop-Welt dringend gebraucht hat.

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