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Portraitfoto David Arcos

Julia Dragosits

David Arcos: Feelgood-Pop mit Latin-Einschlag

Abschied nehmen und die Liebe willkommen heißen, nach Rückschlägen aufstehen und weitermachen: Der in Kolumbien geborene und in Wien lebende Gitarrist und Sänger David Arcos hat seine Lebenserfahrungen auf einem Debüt „Sigamos corriendo“ in lebensbejahende und fröhliche Indiepop-Stücke gepackt.

Von Andreas Gstettner-Brugger

Es muss ein krasser cultural clash gewesen sein, als der 16-jährige David Arcos mit seinen Eltern von Bogota in Kolumbien nach Wien gezogen ist. Eigentlich wollte er in seiner Heimat bleiben. Er hatte dort schon die lateinamerikanische Musik geschnuppert und sich eine Karriere mit viel latin flavour vorgestellt. Und dann kam die österreichische Großstadt mit alten, mächtigen Gebäuden, kaltem Winter, dem gewöhnungsbedürftigen Grant-Charme und der Rockmusik.

FM4 Soundpark Listening Session:

Ein langes Interview mit David Arcos und viele Songs seines Debüt-Albums „Sigamos corriendo“ gibt es am Sonntag 28. Februar in der Soundparknacht zu hören.

David Arcos: „Meine Familie hat irgendwann erfahren, dass mein Großvater Österreicher war. Und meine Eltern haben dann entschieden, nach Wien zu gehen, weil ihre Situation in Kolumbien sehr schwierig geworden war. Für mich war es am Anfang schwierig in Wien. Ich konnte die Sprache nicht, musste meine Freunde zurücklassen und war in der Pubertät. Meine Grundlagen waren lateinamerikanische Musik. Als mir meine Mutter gesagt hat, wie ziehen nach Wien, habe ich gedacht: Oh nein, die hören dort nur Techno und Rock. Ich hasse das, ich will das nicht. Ja, und Jahre später gehe ich auf Technopartys und spiele in einer Indierockband (lacht).“

Da ist er, der charmante Humor, die quirlige Lebensfreude und der positive Vibe, die David Arcos versprüht. Das macht er auch in seiner Musik. Der feel good vibe ist dabei nicht aufgesetzt, sondern kommt von Herzen. Mit einer Prise coolness und Slacker-Pose mit latin flair. Beispiel gefällig? „Dime más“, ein zurückgelehntes Liebeslied mit Ohrwurmrefrain, den man einfach mitsingen muss. „Sag mir mehr, du weißt, was mir gefällt“, heißt es in dem Lied. David Arcos scheint zu wissen, was uns gefällt. Bis dahin war es jedoch ein harter Weg.

Schmerzlicher und befreiender Neubeginn

Musikalisch und freundschaftlich konnte David Arcos als Gitarrist der Indierocker Strandhase in Wien Fuß fassen. Bei dem Song „Lisboa“ war er auch schon mit seinem spanischen Backgroundgesang zu hören. Doch bis zum Schritt zum Soloprojekt sollte es noch dauern. Und leider auch einen tragischen Auslöser geben.

Albumcover von David Arcos Debüt "Sigamos corriendo"

Seayou Records

Das Debütalbum „Sigamos corriendo“ von David Arcos ist auf Seayou Records erschienen.

David Arcos: „Die Pandemie hat viel damit zu tun. Nicht nur, weil ich mehr Zeit hatte, sondern auch, weil mein Vater vor zwei Jahren durch Corona verstorben ist. Ich habe früher immer auf seinem Klavier gespielt und zum Spaß gesungen. Ich war immer der Meinung, dass ich nicht singen kann. Und mein Vater meinte, dass ich es ernsthaft probieren sollte. Ich habe dann ein bisschen probiert, in der freien Zeit der Pandemie Songs zu schreiben, war aber sehr unsicher. Auch wegen meiner Stimme. Dann kam der Tag, an dem mein Vater verstorben ist und bei mir hat es ‚klick‘ gemacht. So habe ich mich entschlossen, es richtig zu versuchen. Auch ihm zuliebe. Ihm ist auch das Album gewidmet.“

Wieder ein Neuanfang für David Arcos. Ein schmerzlicher, zugleich ein befreiender. Die Selbstzweifel hinter sich lassend und mit Mut und Entschlossenheit widmet sich David Arcos auf seinem Debüt den positiven Dingen im Leben. Meist der Liebe. Denn schließlich handeln laut David Arcos 60 Prozent von der wichtigsten und schönsten Sache der Welt. Dazu passt auch der Song „Tú me das“. Hier besingt der David Arcos nicht die Liebe im romantischen Pärchen-Sinn, sondern es geht um die Liebe zu den Freunden und zu sich selbst. Diese sollte man nach David Arcos sehr pflegen.

Durch deine Gefühle gehen...

Auch wenn bei dem Debütalbum „Sigamos corriendo“ alles nach Wohlfühlpop klingt, sind in den Songs Spuren von Melancholie und Trauer herauszuhören. Schließlich hat David Arcos viele Abschiede durchleben müssen. Der Wechsel von Kolumbien nach Österreich, der Verlust seiner Freunde. Viele neue Bekanntschaften von Kolumbianern in Wien waren auch nur von kurzer Dauer und dann noch die Verabschiedung von seinem Vater. Eines haben diese Abschiede den jungen Musiker jedoch gelehrt: Stehe zu deinen Gefühlen. Mach sie nicht klein und schiebe sie nicht weg. Die Situation akzeptieren und spüren, wie man sich wirklich fühlt. Wenn man traurig ist, dann soll man auch wirklich traurig sein. Die Gefüle durchmachen und wieder zu einem neuen Erleben kommen.

Der Song, der das auf den Punkt bringt, ist der Titeltrack „Sigamos corriendo“, eines der Highlights der Platte. Ein ermutigendes Lied, das uns dazu anhält, aufzustehen und weiterzumachen. Egal, wie viele dunkle Wolken sich über einen zusammenbrauen, laufe weiter. Und wie es im Song heißt: „Wenn du weinen musst, dann weinen wir gemeinsam“.

... und deinen Täumen folgen

David Arcos schafft es mit seinem ersten Album, eine durchgehend positive Grundstimmung mit reduziert arrangiertem Indiepop zu vermitteln. Denn meist ist es eben die Liebe, um die sich alles dreht. Wie in dem leichtfüßigen Popstück „Algún día“, das fast ein bisschen den Spirit von Bands wie Tahiti80 heraufbeschwört und mit dem spanischen Gesang das Gefühl einer lauen Sommernacht vermittelt. Wie kann es einem da schlecht gehen? Zumindest für diese herrlich flimmernden dreieinhalb Minuten.

Ein Grund, warum David Arcos Musik so viel Freude macht, ist nicht zuletzt, dass der junge kolumbianisch-österreichische Musiker seinen ganz eigenen Weg geht. Alles hat der junge Sänger und Songwriter zuhause allein aufgenommen. Das erfordert Mut. Über seine Unsicherheiten und Ängste hinwegzugehen und die Komfortzone zu verlassen. Der Song „Crucemos en rojo“ handelt davon, bei Rot einfach trotzdem über die Straße zu gehen. Natürlich ist das nur metaphorisch gemeint. Auch wenn ein bisschen Auflehnen gegen Autoritäten, die einen klein halten wollen, drinnensteckt.

Der größte Kritiker ist jedoch auch bei David Arcos der innere. Seine eigene Sabotagestimme abzustellen und seinem Traum zu folgen, das ist dem charmanten Musiker in ersten Schritten schon gelungen. Schließlich hat er sich mit „Sigamos corriendo“ den Traum erfüllt, einmal ein Album zu veröffentlichen.

Ein weiterer Traum, den David Arcos sich erfüllen will, ist, in Kolumbien seine Songs zu spielen. Das wird jedoch noch etwas dauern. Bis dahin wird sicher schon das zweite Album da sein, in dem mehr vom latin flavour zu hören sein wird. So viel hat David Arcos uns schon verraten. Und sein Lieblingssong des Debüts, „Ven“ ist schon ein kleiner Hinweis darauf, dass seine kolumbianischen Wurzeln seine Songs in Zukunft noch mehr durchziehen werden.

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