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So war das Elevate 2023

Johanna Lamprecht / Elevate

So war das Elevate Festival 2023

Likely Alliance: Panda Bear und Sonic Boom spielten wie erwartet ein glücklich machendes Konzerthighlight beim Elevate Festival, das in alter Stärke und gefühlt besser besucht denn je die heimische Festivalsaison des Jahres eingeleitet hat.

Von Katharina Seidler

Stell dir vor, du bist ein Pudding-Mensch. Du tanzt süß tropfend durch die Straßen, alle Kinder lieben dich. Stell dir vor, du bist der Vater aus „Toni Erdmann“, im Fellkostüm, aber in allen Regenbogenfarben, oder ein Eismann aus Andreas Trobollowitschs eindrücklicher Eis-Trommel-Installation, aber du schmilzt nicht traurig dahin, sondern springst über aquarellfarbene Wolken. Stell dir kurz vor, es ist 2008, oder besser vielleicht noch 1966, du trinkst einen Cocktail am Strand, nimmst LSD in Mengen und weißt nicht, was NFT, Tipping Points und Chokepoint Capitalism bedeuten. Eine Stunde lang aufatmen, vielleicht sogar in die Hände klatschen: Während des Konzerts von Panda Bear und Sonic Boom, ein vorausgesagtes und eingetretenes Highlight des Elevate Festivals 2023, war all das möglich.

So I’m strummin’ on a chord
Windin’ back disaster
(Livin’ in the after)

So war das Elevate 2023

Johanna Lamprecht / Elevate

Panda Bear & Sonic Boom

Beide Musiker - der eine ein Teil der exzentrischen New Yorker Art-Pop-Unternehmung Animal Collective, der andere Gründungsmitglied der britischen Space-Rock-Minimalisten Spacemen 3 - haben ihren Wohnsitz schon vor Jahren nach Portugal verlegt, und die iberische Sonne durchflutet ihr gemeinsames Album „Reset“ aus dem Sommer 2022. Reset: die überhitzten, gesellschaftspolitischen Diskussionen, das garstige, weltpolitische Klima, den umgreifenden Egoismus. Man wird sich ja noch kurz entspannen dürfen. „We felt like it was necessary to re-think and re-focus, and I feel it was kind of a necessary thing trying to be a better us“, sagt Pete Kember dazu im FM4 Interview.

In diesem Sinne war der luftige Sixties-Pop, ein Album als unverstellte, digitale Hommage an Bands wie die Beach Boys, The Zombies und The Temptations, auch Medizin für die Urheber selbst. Selbst Mariachi und Spanish Guitars kommen zum Einsatz, und die Handclaps zwischendurch sind nicht hippiemäßig formelhaft eingesetzt, sondern Ausdruck ehrlicher Freude darüber, dass hier freundliche Menschen gemeinsam etwas Schönes erleben. Kein Inselrefugium fernab von Pandemien und Niedertracht, aber eine Rettungsboje, um nicht den Mut zu verlieren. Ein Konzert als eine Mikrodosis Glücksgefühle „to try and re-wire your brain a little bit“ (Pete Kember), out of this world, aber nicht weltfremd.

So war das Elevate 2023

Johanna Lamprecht / Elevate

Tents

Auch abseits der psychedelischen Pop-Seifenblasen von Panda Bear und Sonic Boom passieren beim Elevate im Grazer Orpheum wundervolle Dinge. Tents etwa wärmen den großen Saal gewohnt souverän auf. Den kühlen Ästhetiken des Postpunk ringen Clemens Posch und Paul Stöttinger mit ihrem interessanten Songwriting immer neue, elegantere Seiten ab: Cold Bliss von Menschen too young to sing the blues.

PLF beim Elevate 2023

David Višnjić / Elevate

PLF

Während Tents die Welt mit ihrem sehnsüchtigem Synthpop auf Abstand halten, gehen PLF im oberen Orpheum Extra-Floor auf Konfrontationskurs. Ungebremst lassen Peter Kutin, Freya Edmondes und Lukas König ihre jeweiligen Spezialgebiete aufeinanderprallen. Zwingende Industrial-Drones und Gitarrenschleifen, entfesselte Vokalimprovisationen, wie von einer höheren Macht eingegeben, und Rhythmus-Extravaganzen auf einem einzelnen Becken gespielt verbinden sich bei PLF (Peter, Lukas, Freya) zu der weirdesten, körperlichsten Popmusik der Welt. Gestaltwandler zwischen Noise und Acid, Bassbrummen und Freejazz, sehr gut wie immer.

So war das Elevate 2023

Philipp Bohar / Elevate

The Gaslamp Killer

In den Tunneln, Höhlen und Gängen des Grazer Schlossbergs wuselt es an diesem Wochenende gefühlt noch mehr als sonst beim Elevate. Zeitweise herrscht zwischen den Floors auch Einlassstopp, was wie bei jeder guten WG-Feier zu umso mehr Begegnungen im Gang führt. Das prallgefüllte Showcase der ugandischen Clubmusik-Plattform Nyege Nyege dürfte ebenso exzessiv wie mitreißend gewesen sein (leider verpasst); der Name Catu Diosis schwirrte noch den ganzen Sonntag über die Kaffeehaustische von Graz. Das italienische Duo Ninos du Brasil reizt am Vorabend seinen Hauptschmäh „Glitzerperücken, Trommel-Exzesse und Samba de Janeiro“ ein wenig gar lustvoll aus, der kalifornische Turntablist-Gigant The Gaslamp Killer setzt selbstbewusst auf halsbrecherische Cuts zwischen Hip Hop, Bass Music und digitalem Jazz: „I hope I gave you what you needed tonight.“

So war das Elevate 2023

Philipp Bohar / Elevate

Ninos du Brasil

Anstatt eines Abschlusskonzerts am Sonntagabend im Orpheum hat das Elevate dieses Jahr eine gemütliche Nachmittagsparty veranstaltet, die manche Besucher*innen wohl dennoch im Sinne von Afterhour genützt haben. Jedenfalls dampft die Luft im Heimatsaal des Grazer Volkskundemuseums schon recht ordentlich, als das formidable Berliner Duo Neuzeitliche Bodenbeläge die Bühne betritt. Eine Band mit diesem Namen releast natürlich auf Bureau B: Krautpop und NDW, digitaler Dub, sorgsam gesetzte Impulse aus Becken und elektronischem Schlagzeug und merk-würdige Zeilen mit Geheimnis: „Wo Haare sind, ist Liebe“.

Elevate Abschlusstag: Neuzeitliche Bodenbeläge und Sofia Kourtesis

Elevate / Philipp Bohar

Neuzeitliche Bodenbeläge

Kurz darauf lässt die peruanisch-griechische, ebenfalls in Berlin lebende Musikerin Sofia Kourtesis gleich zu Beginn ihres Sets die tropische Synth-Hookline ihres Hits „Estación Esperanza“ erklingen, der ein Manu-Chao-Sample („Me gustas tu“) mit Vogelstimmen und peruanischen Anti-Diskriminierungs-Chants kurzschließt. „‚Estación Esperanza‘ is all about hope. I’m hopeful my mother will get better, I’m hopeful the world will begin to heal, I’m hopeful this song will bring you light on dark days“, sagt Sofia Kourtesis in einem Presse-Statement über ihre bisher bekannteste Single.

Elevate Abschlusstag: Neuzeitliche Bodenbeläge und Sofia Kourtesis

Elevate / Philipp Bohar

Sofia Kourtesis

Ihre farbenfrohen, poppigen House-Tracks stellen das Verbindende vor das Trennende und fordern ein besseres Leben für alle, ganz im Sinne von Sibylle Bergs poetischer Rede, mit der sie vor ein paar Tagen das Elevate eröffnet hat: „Denkt nur: Wenn wir gewinnen könnten, siegen, die Weltherrschaft, all das – allein mit der Kraft der richtigen Gedanken und Theorien (und was richtig ist, entscheide ich).“

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