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Portraitfoto Hearts Hearts

Tim Cavadini

Politischer Indiepop auf dem neuen Album von Hearts Hearts

Eigentlich kann man nicht mehr nicht politisch sein. Das beweisen auch Hearts Hearts mit ihrer neuen Platte „This Is What The World Needs“. Dabei schafft es die Wiener Band, Systemkritik, Handlungsaufforderungen an die Politik und alltägliche Ambivalenzen in flockig leichte Indiepopsongs zu verpacken.

Von Andreas Gstettner-Brugger

Man ist eine One-Man-Show von dem Tag an, an dem man selbst sein Bett machen kann. Man muss nur einfach hart arbeiten, auch an Wochenenden. So wie es der Vater schon getan hat. Man bucht sich einen Bungalow für einen kurzen Trip ins innere Selbst, um herauszufinden, dass es in den eigenen Händen liegt, was man aus dem Schicksal macht. Man kann ganz einfach aufhören, arm zu sein. Hearts Hearts, die 2021 schon den FM4 Award gewonnen haben, eröffnen mit „Stop being poor“, unterstützt von Ohrwurm-Indiepop und Trompeten ihr neues Album.

Nicht nur ihre Fans bemerken, dass hinter den fröhlich erklingenden Songs von David Österle, Daniel Hämmerle, Johannes Mandorfer und Peter Paul Aufreiter viel Ironie steckt, mit der die Band die gegenwärtige Politik anprangert und mit Mythen aufräumt, die uns die rechts-konservative Politik als Normalität verkauft.

David Österle: „Der eigentliche Sprechakt ist natürlich total ironisch. ‚Stop being poor‘ ist so eine Ratschlagargumentation: Es liegt an dir, sei besser, sei stärker, arbeite an dir. Es sind nie die sozialen Verhältnisse, die am Unglück teilhaben, sondern es ist total individualisiertes Unglück, und vor allem die rechte Politik schafft es extrem gut, genau das zu framen.“

Daniel Hämmerle: „Es könnte ein Spruch aus einem Ratgeberbuch von Donald Trump sein.“

Trotz des schwierigen Themas haben Hearts Hearts nicht ihren Humor verloren.

Von der Liebe zur Politik

Beim letzten Album „Love Club Members“ haben Hearts Hearts noch Empathie vor Ironie gesetzt. Doch heute, mit den Erfahrungen der letzten Jahre, ist die Situation eine andere. Nachdem die Krisen im Alltagsleben aller Menschen angekommen sind - Stichwort Inflation, Klimakrise, erhöhter Leistungsdruck -, gibt es für das Quartett keine andere Möglichkeit als politisch zu sein. Auch wenn die Band das manchmal eben besser über die ironische Schiene spielen kann.

Album Cover Hearts Hearts "This Is What The World Needs"

Hearts Hearts

Das neue Album „This Is What The World Needs“ von Hearts Hearts erscheint am 12. April 2024 auf Parramatta.

Während bei „Ikarus (I Feel A Change)“ noch die Hoffnung und das Gefühl des Wandels im Vordergrund gestanden sind, überwiegt bei „This Is What The World Needs“ das Demontieren von großen Erzählungen und Mythen des Kapitalismus und der neoliberalen Politik. Gleichzeitig legen Hearts Hearts den Finger in die Wunden, wenn zum Beispiel Politiker ihrer Verantwortung und ihren Pflichten nicht nachkommen.

David Österle: „Es ist ein Phänomen unserer Zeit, dass man sich nicht festlegen will, man hat Angst, klare Entscheidungen zu treffen, und dann plumpst sehr schnell so ein ‚Vielleicht‘ heraus, das im besten Fall alle ansprechen soll. Ich glaube, daran krankt die Welt ein wenig. Es gibt ja Wissen und klare Konzepte, wie sich Dinge in eine gute Richtung weiterentwickeln könnten. Aber man macht das nicht und das ist eine sehr problematische Politikergeste geworden.“

Es war dieses Ohnmachtsgefühl, dass Politiker und Entscheidungsträge nicht handeln und man der größten Krise des 21. Jahrhunderts, dem Klimawandel, so hilflos gegenübersteht, das die neuen Songs von Hearts Hearts getriggert haben. Deutlich angesprochen wird die Erderwärmung am ehesten in dem Song „Bad Spring“.

Peter Paul Aufreiter: „Es geht darum, dass man sich vorstellt, ein Urlaub im Frühling könnte eine Beziehung retten. Man fliegt in den Süden nach Griechenland, und dann ist es aber dort einfach so heiß, dass man wieder nur in die klimatisierten Räume flüchten möchte, weil man die Hitze nicht mehr aushält.“

Von Komplexität und dem Glauben an Propheten

Hearts Hearts ist mit „This Is What The World Needs“ gleich auf mehreren Ebenen ein Kunststück gelungen. Über die an der Oberfläche hedonistisch anmutende, poppige Soundästhetik verführt uns das Quartett dazu, die kritischen Texte mitzusingen. Beim zweiten und dritten Hören stößt man dann auf die Ironie und Komplexität der Inhalte. Denn einfache, schnelle Lösungen gibt es bei den Hearts Hearts nicht. Im Gegenteil. Die Klammer des Albums ist die Zwiespältigkeit und Komplexität, mit der wir lernen müssen zu leben.

Hearts Hearts live in Österreich:

David Österle: „Wir leben in einer Ambivalenz, wenn es darum geht, Zukunftsvisionen zu finden. Einerseits haben wir ein Prophetentum und ein Sendungsbewusstsein, das viele Menschen an den Tag legen, die komplexe Probleme auf eine Wirklichkeit reduzieren. Ihre Glaubenssätze werden für andere Menschen zu Gewissheiten und das ist ein riesiges Problem. Auf der anderen Seite gibt es die Wissenschaft und Menschen mit ganz konkreten Handlungsplänen, wie wir dem Klimawandel begegnen können.“

Hearts Hearts scheuen sich nicht, Botschaften in ihre Songs zu packen. Auch das Video zu „No More“ macht in drastischer Weise sichtbar, wohin wir als Menschheit steuern.

Ironischerweise ist „This Is What The World Needs“ trotz seines prophetischen Titels genau das, was wir im Moment brauchen. Indiepop mit Ohrwurmqualität, der Solidarität schaffen soll mit allen, die für eine positive Veränderung eintreten, Offenheit und Gesprächsbereitschaft fördern und gleichzeitig die Politik nicht aus ihrer Verantwortung entlassen wollen. Denn ohne sie werden wir die globalen Probleme nicht lösen können, und daran erinnern uns die elf Songs, die sich schon nach dem ersten Hören im Kopf festhaken.

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