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Taylor Swift und Travis Kelce

APA/AFP/Patrick T. Fallon

verena bogner

Taylor, Ariana & Co.: Verlässt sich Pop gerade zu sehr auf Promi-Gossip?

Um Taylor Swifts neues Album zu verstehen, muss man jeden Gossip-Fetzen über ihr Liebesleben kennen. Warum das zu langweiliger Musik führt – und wer uns vielleicht davor retten wird.

Eine Kolumne von Verena Bogner

Eine Sache nervt mich ganz besonders an Taylor Swifts neuem Album „The Tortured Poets Department“: Man muss schon sehr, sehr tief im Taylor-Versum und besonders interessiert an ihrem Liebesleben sein, um das Ganze so richtig verstehen zu können. Die Lyrics der 31 (!) neuen Songs drehen sich zum einen um Taylors Ex Joe Alwyn, aber zu einem größeren Teil um The-1975-Frontmann Matty Healy, mit dem Taylor eine jahrelange Situationship und Schmachterei verbindet, die 2023 in einer kurzen Beziehung gipfelte. Dass diese gewisse Selbstbezogenheit in Taylors Texten und die Rätselraterei um all die juicy Details auch ein bisschen zu ihrem Geheimrezept gehört, ist mir natürlich klar. Aber wenn der Gossip wichtiger als die Musik wird, ist dann wohl doch irgendwann ein kritischer Punkt erreicht.

Seit dem Release reden Fans nur noch über ihre ganz eigenen (teils sehr abgedrehten) Interpretationen des Gossips, den Taylor ihnen da serviert hat, genauso wie viele Medien darauf aufspringen. Die Musik füttert die Tratscherei – und umgekehrt, denn an manchen Stellen im Album bezieht sich Taylor wiederum auf ihre Fans, die sich in ihr Liebesleben „einmischen“.

Taylor Swift ist natürlich nicht die einzige, die diese Gossip-Symbiose leibt und lebt, und in ihren Songs ganz offensichtlich ihr eigenes Leben dokumentiert: Miley Cyrus’ „Endless Summer Vacation“ ließ uns alle rätseln, ob es in ihren Songs um Ex Liam Hemsworth geht, Ariana Grande hat den bösartigen Tratsch über sie ebenfalls auf ihrem Album „Eternal Sunshine“ aufgearbeitet und im selben Atemzug direkt neuen Stoff dafür geliefert.

Jetzt könnte man natürlich ganz pessimistisch die Frage aufwerfen, ob sich Popstars dieser Mechanik bedienen, weil sie dadurch ganz sicher relevant für die Öffentlichkeit bleiben. Dass die ganze Popwelt darüber reden wird, wenn Miley Cyrus im Video zu „Flowers“ vermeintlich durch das Haus tanzt, in dem ihr Ex sie betrogen hat, ist von vornherein klar. Und ein einfacher Weg, um Öffentlichkeit zu bekommen. Selbes gilt für Taylor. Sie weiß: Je mehr Anspielungen auf Matty Healy sie liefert, desto mehr wird ihre Fanbase (und auch seine) darauf abgehen. Fans haben sogar eine fast 100-seitige Powerpoint-Präsentation und weitere Google Docs über die Geschichte von Taylor und Matty erstellt, mit der sich Interessierte „weiterbilden“ können.

Die Musik wird so zur Nebensache, Referenzen, die nur Superfans verstehen, stehen im Fokus. Und diese Superfans sorgen dafür, dass ihre Popstars im Gespräch bleiben. Für die Casual Fans wird diese Art von Musik fast uninteressant, weil sie ohne Fußnoten und überlange Fan-Dokumente unüberblickbar ist.

Für alle Gossip-Pop-Verdrossenen wie mich gibt es da aber einen kleinen Lichtblick in der aktuellen Poplandschaft: Sabrina Carpenter. Mit ihrem Sommer-Banger „Espresso“, der mit sinnlosen, aber witzigen Lyrics wie „I’m working late, ‘cause I’m a singer“ glänzt, konnte sie gerade den ersten Top-10-Hit ihrer Karriere landen. Sie ist mit Barry Keoghan zusammen (ja, der aus „Saltburn“), und hätte damit so einige private Einblicke zu besingen, die ihre Fans nur allzu gerne hören würden. Aber es bleibt zu hoffen, dass sie es schafft, Fans, die es gewohnt sind, wie Detektiv:innen das Privatleben ihrer Stars zu durchwühlen, ohne hyper-selbstreferentielle Lyrics bei der Stange zu halten.

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