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Szenenbild "The Royal Hotel"

HanWay Films

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Kommt ein Herrenwitz in eine Bar

Zwei junge Frauen wollen sich in einem Pub im australischen Outback Geld dazuverdienen und begegnen einem Monster. Das Monster hört auf den Namen Sexismus. Kitty Green hat mit „The Royal Hotel“ einen sensationellen Thriller gedreht.

Von Pia Reiser

Es ist eines dieser Filmhäuser, die eine eigene Figur sind. Dieses hier trägt einen schönen Namen - The Royal Hotel - doch Hotel ist es keines mehr und royal war hier wohl nie irgendetwas. Im australischen Outback, mitten im Nirgendwo, sechs Autostunden von der nächsten größeren Stadt entfernt, steht das heruntergekommene Pub. Hier wollen sich die Backpackerinnen Hannah und Liv, denen beim Feiern und Reisen das Geld ausgegangen ist, Geld für den weiteren Urlaub dazuverdienen. Are there kangaroos?, fragt Liv die Dame der Jobagentur noch hoffnungsvoll, doch die einzigen Tiere, die Hannah und Liv zu sehen bekommen, sind in Formaldehyd eingelegte Schlangen, die in großen Gefäßen im Pub herumstehen.

Allerspätestens, wenn Liv und Hannah (Jessica Henwick und Julia Garner) das Pub zum ersten Mal betreten und der Besitzer Billy (Hugo Weaving) Hannah als smart cunt bezeichnet, möchte man den beiden get out zurufen. Regisseurin Green spielt zu Beginn mit Horrorfilmanmutungen und Westernmotiven, doch „The Royal Hotel“ ist ein Thriller, ein Meisterstück in Sachen Spannungshaltung. Der Erzählbogen, mit dem man rechnet - aus Erfahrung damit, was weiblichen Figuren in Filmen und in der Realität alles so passieren kann, wenn sie an Orte wie dem Royal Hotel kommen -, tritt aber nie wirklich ein.

Szenenbild "The Royal Hotel"

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Touristen verirren sich hier keine her, ins Pub kommen hauptsächlich Männer, die in einer nahegelegenen Mine arbeiten. Der Tonfall ist rau, die Witze, die gegen den hohen Lärmpegel ankämpfend den beiden jungen Frauen hinter der Bar zugerufen werden, sind anzüglich. Ein Mann namens Dolly braucht überhaupt nur zu schauen, um für Unbehagen zu sorgen. Hannah ist jede Sekunde auf der Hut, sie zieht sich sogar nach ein paar Minuten hinter der Bar noch eine Jacke über, eine Stoffschicht mehr als improvisierte Rüstung gegen die unangenehme, aufgeladene Atmosphäre. Verpackt in einen Genrefilm fordert Green einen auf, sich die Frage zu stellen, wann der Punkt ist, wo man protestiert, Widerstand leistet, das als Norm Angenommene nicht mehr akzeptiert. Oder zur Axt greift, wie in „The Royal Hotel“.

Greens Spielfilme sind workplace movies, wie sie selbst sagt. „The Assistant“ aus dem Jahr 2019 zeigt einen Tag den Arbeitsalltag einer jungen Frau (Julia Garner), die bei einer Filmproduktionsfirma arbeitet. Der - nie in Erscheinung tretende - Filmproduzent steht im Verdacht, sich jungen Schauspielerinnen gegenüber übergriffig zu verhalten. Die Figur von Julia Garner beobachtet, zieht Schlüsse, trägt ihren Verdacht vor und wird belächelt. Ein you’re not his type wird ihr tröstend von dem Mann im Personalbüro (ein wie immer sensationell spielender Matthew MacFadyen) mitgegeben.

In der nächsten Episode des FM4 Film Podcast sprechen Christian Fuchs und ich am 18. März über „The Royal Hotel“ und „The Iron Claw“.

In „The Assistant“ gehe es auch darum, dass man ein System akzeptiert und Teil davon wird. Liv in „The Royal Hotel“ wird immer mehr auch ein Teil des Systems, sie lacht über die Witze, sie trinkt mit und entschuldigt jegliches Fehlverhalten mit lähmenden Sätzen wie, der ist halt so oder der meint das nicht so. Für Green wird Liv eine von den Zombies, „alcohol ist infecting everyone (...), it turns into a pack mentality, where no one is safe. The Zombies infect Liv, too. She falls into that culture“.

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Es ist bemerkenswert, wie Green mit Genreanleihen gegen alle Erwartungshaltungen arbeitet - und man aber dennoch nicht erleichtert aufatmen kann, weil, dass „eh nichts passiert ist“, stimmt natürlich auch nicht. Und in die „Ist ja nur eine Film“-Ausrede kann man auch nicht fliehen, „The Royal Hotel“ ist die Spielfilmadaption der Dokumentation „Hotel Coolgardie“.

„The Royal Hotel“ ist ein kompakter, hoch spannender Film über alltäglichen Sexismus und verbale Übergriffe, ein Thriller, der einen durchbeutelt.

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