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Ryo Nishikawa in "Evil does not exist" von Ryûsuke Hamaguchi.

Polyfilm Verleih

Spazieren, bis es einem dämmert

Aus einer Kurzgeschichte von Haruki Murakami hat Ryûsuke Hamaguchi den Spielfilm „Drive my car“ gemacht und damit einen Oscar gewonnen. Sein neuer Film „Evil does not exist“ entzweit das Publikum.

Von Maria Motter

Ryûsuke Hamaguchi ist ein Liebling der Kritik. Vor zwei Jahren hat er mit „Drive my car“ den Oscar für den besten internationalen Film gewonnen. Sein neuer Film „Evil does not exist“ hat die Jury und die Kritiker:innen bei den Filmfestspielen in Venedig überzeugt. Dabei ist das Drama nicht viel mehr als ein ziemlich langer Waldspaziergang.

Zuerst ist der Blick himmelwärts gerichtet: Kahle Baumwipfel wogen minutenlang im Wind, es ist Winter in der japanischen Provinz. Zeit, Holz zu hacken, und so wird auch Holz gehackt. Wie eine Yoga-Schlussmeditation beginnt „Evil does not exist“: Der Filmmusik-Himmel hängt voll schwerer Geigen, bis ein herziges Mädchen plötzlich ins Bild kommt. Es steht vom Boden auf und stapft durch den friedlichen Wald, erst allein, bald mit seinem Vater. Aber die Harmonie ist bedroht. Ausgerechnet an diesem schönen Fleck Erde will eine Künstleragentur eine Glamping-Anlage errichten.

Für die Kapitalismuskritik gefeiert

„Evil does not exist“ ist weder eine Fabel noch eine Parabel. Das Drama ist ein ziemlich langer Waldspaziergang, der eineinhalb Stunden hindurch keine Überraschung bietet. Da wächst wilder Wasabi, dort äugt ein scheues Reh. Das Kind ist in diesem Film ganz das kreatürliche Wesen: das Mädchen zieht es zu den Tieren. Vor dem Misthaufen auf einem Bauernhof hält sie sich die Nase zu, schaut bei den Kälberiglus vorbei. Diese Kapitalismuskritik - für die „Evil does not exist“ viel Lob bekam - plätschert dahin wie ein Bacherl.

Die Einheimischen - selbst zugegebenermaßen Zugezogene - wollen die Glamping-Anlage nicht, sie kochen ihre Udon-Nudeln in Quellwasser aus dem Wald. Zwei Mitarbeiter:innen einer Künstleragentur sollen die kleine Gemeinde umstimmen. So ganz überzeugt sind die beiden ohnehin nicht, dennoch wollen sie diesen einen Auftrag noch zu Ende bringen. Bei Autofahrten kommt der Fu­d­schi­ja­ma ins Bild.

Gerade, als man sich schon darauf eingestellt hat, dass jetzt auch noch die zwei aus Tokio durch den Wald stapfen und staunen, nimmt die Geschichte von „Evil does not exist“ eine drastische, brutale Wendung. Tagsüber ist ein Schuss zu hören, in der Dämmerung wird jemand vermisst.

Ein Vater und seine Tochter stehen auf einer Waldlidchtung. Szene aus "Evil does not exist".

Polyfilm Verleih

Für die einen ein poetischer Film über die zerstörerische Kraft des Kapitalismus, für andere einfach gestrickt: „Evil does not exist“.

Für die einen ist der Schluss poetisch, für andere kryptisch. Hat man einen entscheidenden Hinweis im Film übersehen? Das wäre möglich, es ist aber unwahrscheinlich. Ryûsuke Hamaguchi betont in Interviews, wie absurd und rätselhaft die Welt doch sei. Mit „Evil does not exist“ macht er es sich da einen Tick zu leicht.

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