FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Buchcover Rocko Schamoni "Pudels Kern"

Hanser Verlag

„Pudels Kern“ von Rocko Schamoni: Bergsteigen mit Bela B. und Geheimverstecke mit Blixa Bargeld

Rocko Schamoni hat eine fabelhafte Punkrock-Biografie geschrieben. In den 80er Jahren in Hamburg geht er auf Tour mit den Toten Hosen, ist beim letzten Konzert der Ärzte dabei und erlebt die Highs and Lows des Rock’n’Roll.

Von Christoph Sepin

Es ist 1989 als Rocko Schamoni an seinem zweiten Album „Jeans und Elektronik“ zu arbeiten beginnt. Mit von der Partie als Produzent: Bela B. Felsenheimer, damals gerade frisch nach der Auflösung der Ärzte (ja, tatsächlich). Um den Teamspirit zu steigern, entscheiden sich Bela, Rocko und Rainbirds-Bassist bzw. später Filmkomponist Michael Beckmann nach Österreich zu fahren. Zum Bergsteigen.

FM4 Musikpodcast Generation Sound Logo

radio FM4

FM4 Musikpodcast mit Rocko Schamoni Im FM4 Musikpodcast erzählt Rocko Schamoni von Touren mit den Toten Hosen, Abenden mit den Einstürzenden Neubauten und Wanderungen mit Bela B. in den österreichischen Bergen. Generation Sound - der FM4 Musikpodcast. Donnerstag, 18.4.2024, 21 Uhr und überall wo es Podcasts gibt.

Zugeschneite Wanderrouten, Weg verloren, Schmerztabletten, in der Gletscherspalte einstürzen: „Ich weiß jetzt noch den kompletten Tag und jeden Schritt auswendig“, erinnert sich Rocko Schamoni. Dann nach Wien, ins Künstlerhotel Fürstenhof, in dem auch schon Kurt Cobain übernachtet hat und das es nicht mehr gibt. Und dann ein Konzert der Band Sextiger.

„Pudels Kern“ ist vollgepackt mit solchen Anekdoten, eine fabelhafte Punkrock-Biografie, eine Ansammlung von Erinnerungen aus den 80er Jahren. Ausziehen von zuhause, ab nach Hamburg, Menschen kennenlernen, Kunst entdecken, Musik machen, Subkultur mitbauen, Selbstzweifel, Weltschmerz, Verwirrung, Highs and Lows und Eskalation und jede Menge Hedonismus.

Tagebucheinträge, die zu einem Roman wurden und Finale der „Freaks“-Trilogie, einer Reihe von Büchern über drei Jahrzehnte verstreut: Zuerst ging es um die 60er in Hamburg, dann die 70er. „Und ich hab mich gefragt, wer ist denn eigentlich der Hauptprotagonist im dritten Teil?“ Kurzfristig, zum Glück und weil es am besten passt, hat Rocko Schamoni sich kurzerhand selbst zum Hauptdarsteller seines Buches gemacht.

Merkwürdig denkwürdige Momente mit den Einstürzenden Neubauten

Das macht Sinn, denn: er hat viel erlebt und kann sich an viel erinnern. An Abende mit Blixa Bargeld in Hamburg zum Beispiel, als sie in Rockos Geheimversteck den Leuten auf die Füße schauen und ihnen Flaschen davor schmeißen. Klingt weird und ist es auch, aber so super, weil es eben so passiert ist: „Ein merkwürdig denkwürdiger Moment.“, lacht Rocko Schamoni.

Bars sind die eigentlichen Protagonisten von „Pudels Kern“, wie das so ist, wenn man ein Leben in der Stadt lebt. Orte, in denen man sich einmal mit Freund:innen trifft und zweimal Pläne schmiedet. Große Karrieren herbeiträumt und Songlyrics auf Bierdeckel kritzelt. Wo die Tür aufgeht und plötzlich kommen die Toten Hosen rein. Bars in „Pudels Kern“ haben tolle Namen: Totenschiff und Subito, Große Freiheit, Boutique Pudel, Tempelhof und Golden Pudel Club.

„Diese öffentlichen Räume sind zweite Heimaten. Auf der Suche nach Aufgehobenheit, politischen Gesprächen, Gleichgesinnten“, sagt Rocko. „Sie sind als Urfunke für Kultur extrem wichtig. Weil dort ganz viele Ideen zusammenkommen. Bands werden gegründet. Künstler:innenkreise gründen sich dort“.

Warum ein Leben für die Kunst?

Buch: "Pudels Kern"

hanserblau

„Pudels Kern“ von Rocko Schamoni ist im hanserblau Verlag erschienen.

„Pudels Kern“ ist das Buch für dich, wenn du zu einer von drei Kategorien gehörst: erstens, das ist für Fans von Rocko Schamoni, die mehr erfahren wollen, über frühe Schule und Aufnehmen der ersten Platten. Zweitens ist das für Popkulturkartograf:innen, die Bescheid wissen wollen, wer, wann, wo unterwegs gewesen ist. Wie war das mit den frühen Auftritten von Helge Schneider? Wieso haben sich die Ärzte aufgelöst? Wer war der „wahre Heino“? Und was gab es an den „Punkertagen 89“ mit Campino zu erleben?

Und drittens und damit für alle: das ist für Fans von Musik (und vor allem Punkrock) prinzipiell. Für die Leute, die spätabends stundenlang über Lieder fachsimpeln können. Die wissen wollen, warum sich jemand für ein Leben in der Kunst entscheidet. Die sich gern vorstellen, wie das so ist, auf Tour, mit all dem Nonsens und den Ärgerlichkeiten, die da mitschwimmen.

Musik machen ist schön und Freiheit, aber auch frustrierend und desillusionierend. Vergangenheit wird gern süß-nostalgisch eingewickelt, Rocko Schamoni macht das nicht und bleibt trotzdem dem Funpunk-Label treu. Wenn man gute Geschichten hat, dann lohnt es sich, sie niederzuschreiben, damit andere Leute sie lesen und dann ihren Freund:innen weitererzählen: „Hast du gewusst, dass Bela B. und Rocko Schamoni gemeinsam bei einem Geheimkonzert von Prince waren?“ Ein Buch von einem Fan geschrieben, für Fans zu lesen, macht am meisten Spaß.

mehr Musik:

Aktuell: