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Jonathan Safran Foer: „Wir sind das Klima“

Wie gehen wir mit einer Katastrophe um, die das Überleben der Menschheit bedroht? Jonathan Safran Foer stellt in „Wir sind das Klima“ große Fragen und gibt vor allem eine Antwort: Jeder und jede kann und muss etwas tun.

Von Sophie Liebhart

Und noch ein Buch über die Klimakrise. Noch ein Buch, das man beim Lesen zwischendurch immer wieder weglegen muss, weil es zu frustrierend ist, zu aussichtslos. Zu wissen, was auf uns zukommt, und zugleich zu wissen, dass auch neue Lösungsvorschläge nicht genug Resonanz haben werden, um wirklich zu wirken.

„Wie wir unseren Planeten schon beim Frühstück retten können“ - ein Rezept dazu verspricht Jonathan Safran Foer schon am Cover seines neuen Buches „Wir sind das Klima“. Dass es doch nicht ganz so einfach ist, wird auf den ersten Seiten recht schnell klar. Trotzdem liefert das Buch einige Aspekte, über die es sich nachzudenken lohnt.

Buchcover "Wir sind das Klima" von Jonathan Safran Foer

KiWi Verlag

Das Buch „Wir sind das Klima“ von Jonathan Safran Foer wird vom KiWi Verlagherausgegeben. Aus dem Englischen wurde es von Stefanie Jacobs und Jan Schönherr übersetzt.

Ungeschönt und brutal ehrlich

„Wir können die Korallenriffe nicht retten. Wir können den Amazonas nicht retten. Höchstwahrscheinlich können wir auch die Küstenstädte nicht retten. Das Ausmaß des unvermeidlichen Verlusts ist fast so groß, dass alle weiteren Bemühungen fast aussichtslos erscheinen. Aber nur fast. Millionen Menschen werden wegen des Klimawandels sterben (…) – und diese Zahl ist nicht egal. (...) Die größte Herausforderung besteht darin, so viel zu retten, wie noch zu retten ist: So viele Bäume, Eisberge, Grade, Arten und Leben – bald, schnell und ohne Aufschub.“

Jonathan Safran Foer schreibt ziemlich kompromisslos und ungeschönt über die Klimakrise. Er konfrontiert seine Leser*innen mit harten Fakten und der Realität. Auch wenn für Jonathan Safran Foer feststeht, dass die Geschichte des Klimawandels zu komplex und zu schwierig zu erzählen ist, um Leser und Leserinnen wirklich zu fesseln.

„Noch weiter ‚da drüben’ wirkt die Krise, weil sie unsere Vorstellungskraft übersteigt. Über Ausmaß und Komplexität dieser Bedrohung nachzudenken, ist extrem anstrengend. (...) Uns es fällt schwer, nicht zu vergessen, wie sehr sich die Welt schon verändert hat: Wir staunen gar nicht mehr über den Vorschlag, Manhattan mit einer fünfzehn Kilometer lange Hochwasserschutzmauer zu umgeben, nehmen höhere Versicherungsbeiträge hin, und extreme Wetterphänomene – Waldbrände vor den Toren von Großstädten, alljährliche ‚Jahrhundertfluten’, Rekord-Todeszahlen bei Rekord-Hitzewellen – sind in unseren Augen einfach nur noch Wetter.“

Der Klimawandel ist eine Zeitbombe

Trotzdem scheint Jonathan Safran Foer davon überzeugt, dass wir noch etwas gegen die Klimakrise tun können. Wie wir das anstellen sollen, davon hat er eine recht klare Vorstellung: Er fordert nicht primär die Politik auf, endlich zu handeln, sondern jeden und jede einzelne. Zweifelnden, die sich sofort fragen, was denn eine Einzelperson schon bewirken kann, entgegnet er: Viel.

Er zitiert den Leiter des Project Drawdown. Das ist ein Verbund aus fast zweihundert Klimaforscher*innen und führenden Intellektuellen, die nach den wirksamsten Maßnahmen gegen Klimawandel forschen. Und diese kommen zu dem Schluss, dass veränderte Alltagshandlungen der wichtigste Beitrag sind, den jeder und jede Einzelne gegen die Erderwärmung leisten kann.

Das Problem dabei? Das „wie“ wird vielen nicht gefallen. Jonathan Safran Foer nennt hier vier Punkte:

  • Flugreisen vermeiden
  • auf ein Auto verzichten
  • weniger Kinder kriegen
  • sich pflanzlich ernähren.

Unser Planet ist ein Tierhaltungsbetrieb

Jonathan Safran Foer knüpft hier an seine Recherche zum Sachbuch „Tiere essen“ an, das er 2009 veröffentlicht hat. Isst man zum Frühstück und zum Mittagessen keine tierischen Produkte, spart man jährlich 1,3 Tonnen CO2 pro Person, so Foer in „Wir sind das Klima“. Unser Planet sei zu einem Tierhaltungsbetrieb geworden, schreibt er. Und die Zeitbombe Klimawandel ließe sich entschärfen, indem wir weniger Tierprodukte konsumieren.

Jonathan Safran Foer

APA/HERBERT P. OCZERET

Der US-amerikanische Autor Jonathan Safran Foer wurde für die Romane „Alles ist erleuchtet“ und „Extrem laut und unglaublich nah“ mehrfach ausgezeichnet. Sein Sachbuch „Tiere essen“ war ebenfalls ein internationaler Bestseller.

Dass das nicht so einfach ist, das weiß Jonathan Safran Foer selbst. Er wurde nach der Veröffentlichung von „Tiere essen“ oft kritisiert. Er fordere zwar Fleischverzicht, nimmt es damit selbst aber nicht ganz so streng, hieß es. Mittlerweile geht der Autor sehr offen damit um, dass es ihm schwer fällt, sich vegetarisch oder vegan zu ernähren. Kein Fleisch mehr zu essen, sei trotz des Verzichts das Mindeste, was er tun könne, sagte er kürzlich in einem Interview.

Große Fragen und persönliche Antworten

Jonathan Safran Foer lässt seine Leser*innen an seiner Recherche über die Klimakrise auf eine sehr persönliche Art und Weise teilhaben. Mithilfe von Fakten-Listen, Szenen aus seinem Alltag als Familienvater und sogar einem Gespräch zwischen ihm und seiner Seele. Am Anfang des Buches steht die Frage, inwiefern wir den Klimawandel überhaupt begreifen können. Und natürlich, was wir tun können. Können wir überhaupt noch etwas tun?

Foers Recherchen zeigen, dass viele Maßnahmen, die Klimaschützer*innen im Moment setzen, nicht wirklich wirkungsvoll sind. Mit provokativen Aussagen wie „mit Klimamärschen beruhigen wir unser schlechtes Gewissen“, macht sich Foer nicht nur Freunde. Er meint jedoch, entscheidend sei, ob man handle, oder nur davon rede. Viele der attraktiven, vermeintlich wirkungsvollen Maßnahmen gegen den Klimawandel geben uns lediglich ein gutes Gefühl, sagt er kürzlich in einer US-amerikanischen Talkshow. Aber: „Meine Enkelkinder werden sich nicht fragen, wie ich mich gefühlt habe, sondern was ich gemacht habe.“

„Wir sind das Klima“ ist kein Feel-Good-Buch, die Botschaft lautet eher: Tu etwas! Und genau damit hinterlässt das Buch einen Funken Hoffnung. Es vermittelt das Gefühl, dass jeder einzelne, jede einzelne etwas tun muss und kann. Denn die ansteckendsten Normen seien die, die wir selbst leben.

„Wenn wir abwarten, bis wir die Krise spüren, die wir merkwürdigerweise eine der ‚Umwelt’ nennen, so als wäre die Zerstörung unseres Planeten nichts als Kontext, werden wir irgendwann ein Problem anpacken, das sich längst nicht mehr lösen lässt.“

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