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Beyonce und Megan Thee Stallion bei den Grammys 2021

APA/AFP/The Recording Academy/Kevin Winter

Grammys 2021: Jubel unter Kolleginnen

Beyoncé bricht Grammy-Rekord. Ein Rückblick auf die 63. Grammy Award Verleihung. Die vier Hauptkategorien des Abends, die im Vorjahr alle Billie Eilish abgeräumt hat, sind 2021 erstmals in weiblicher Hand.

Von Susi Ondrušová

“My muse is not a horse and I am in no horse race!”, hat Nick Cave in den 90ern gesagt und die Sinnhaftigkeit eines musikalischen Wettbewerbes hinterfragt.

Und Elton John hat vor ein paar Tagen gemeint „I will hit someone“ falls Phoebe Bridgers keinen Grammy gewinnen sollte. Ihr Album „Punisher“ vergleicht er mit Carole King’s 1971 erschienenem Album „Tapestry“ das damals mit dem Grammy für „Album Of The Year“ ausgezeichnet wurde. Nun ja, Phoebe Bridgers war heuer in vier Kategorien nominiert, ging bei ihrer ersten Grammy Verleihung aber leer aus. Awards aus ihren Kategorien haben Brittany Howard („Best Rock Song“ für „Stay High“) und Fiona Apple gewonnen (Best Alternative Music Album für „Fetch The Bolt Cutters” und Best Rock Performance für „Shameika“).

Man muss „music´s biggest night“ vielleicht so ähnlich wie ein Corona-Testergebnis sehen: Es ist eine Momentaufnahme.

Das System Grammy

Der Nominierungsprozess bei den Grammys ist kein sehr transparenter, es gibt einen ersten Nominierungsdurchlauf bei dem Mitglieder der Recording Academy Künstler*innen und ihre Werke für eine Nominierung vorschlagen. Es gibt ein „Screening“ bei dem Expert*innen dafür sorgen, dass Künstler*innen den „richtigen“ Kategorien zu geordnet werden, es gibt „national nomination review commitees“ für sogenannte „Craft“ Kategorien.

Aber nicht alle, die an den Nominierungsprozessen beteiligt sind, sind auch stimmberechtigt. Die Stimmabgabe der 12.000 Mitglieder ist erst 2018 auf Online-Voting umgestellt worden. Die Vermutung, dass das System Grammy also nicht so modern ist wie es möchte, liegt auf der Hand.

Kritik von The Weeknd, Justin Bieber und Chance The Rapper

Es gibt Richtlinien die Bestechung bei der Stimmabgabe verhindern sollen, aber als The Weeknd im November 2020 für keine einzige Kategorie nominiert wird, nennt er das System „korrupt“.

Weeknd hat mit „Blinding Lights“ und seinem Album „After Hours“ sein künstlerisch wichtigstes und kommerziell erfolgreichstes Jahr gefeiert. Ist immerhin bei der Half-Time der Super Bowl aufgetreten. Ein Award System, das diese Erfolge „übersieht“, ist ein fragwürdiges. So hat der Musiker geschworen der Veranstaltung für immer fern zu bleiben.

Justin Bieber hat ebenfalls protestiert und hat seinen Unmut darüber geäußert, dass Songs seines Albums „Changes“ in den Pop-Kategorien nominiert waren. Dabei sind sie seiner Meinung nach doch eindeutig der „R&B“ Kategorie zuzurechnen. Apropos Kategorien und ihre Bezeichnungen: Chance The Rapper hat bei der Awardshow letztes Jahr gemeint „urban“ sei „just a politically correct way to say the n-word”. Die “Urban Contemporary Album“ Kategorie ist letzten Sommer in „Best Progressive R&B Album“ umbenannt worden. Den Preis konnte heuer Thundercat für „It Is What It Is” entgegennehmen.

Transparenz und Diversität mangelhaft

Kritisiert werden die Grammys schon seit Jahren für mangelnde Transparenz und fehlende oder nicht ausreichende Diversität. 2015 wird Beck´s „Morning Phase“ Album des Jahres ausgezeichnet. Nicht nur Jay-Z wundert sich, warum der Award nicht an Beyoncé für „Lemonade“ gegangen ist.

Dass die Grammy’s „so white, so male“ seien, auf diese Kritik hat 2017 der damalige Recording Academy Präsedent Neil Portnow geantwortet: „Women need to step up“. Aufschrei. Portnow ist im Zuge eines Me-Too-Skandales zurückgetreten, ebenso seine (erstmals weibliche) Nachfolgerin, die das System eigentlich umkrempeln wollte. In einem zugespielten Filmchen über die Academy verspricht man Veränderung, zeigt Willen zur Selbstreflektion und präsentiert sich voller Tatendrang, um vergangene Missstände in Zukunft aufzuheben.

2021 - das Jahr der weiblichen Künstlerinnen?

2021 jedenfalls wird als das Jahr in die Geschichte eingehen in der erstmals eine All-Female-Band in der „Album Of The Year“ Kategorie nominiert waren, in der „Best Rock Performance“ Kategorie waren ebenfalls nur weibliche Acts nominiert (bzw mit Big Thief female-fronted Band), die vier sogenannten Hauptkategorien, die letztes Jahr alle Billie Eilish abgeräumt hat, sind heuer an weibliche Künstler*innen gegangen.

Darunter fällt zum Beispiel die „Best New Music“ Kategorie mit der die Hauptabendprogramm auf CBS ausgestrahlte Preisverleihung begonnen hat. Grammy Host Trevor Noah zählt auf wer den Preis in den vergangen Jahren abgeräumt hat (Beatles oder John Legend) und wer leer ausgegangen ist und trotzdem „besten“ Erfolg für sich verbuchen konnte. Kendrick Lamar oder Taylor Swift zum Beispiel. Preise sind nicht alles aber die Sichtbarkeit der an diesem Abend auftretenden und ausgezeichneten Künstler*innen sind ein wichtiges Zeichen.

Dua Lipa performt bei dem Grammys 2021

APA/AFP/The Recording Academy/Kevin Winter

Megan Thee Stallion beginnt als frischgekürte Best New Artist ihre Dankes-Rede mit den Worten „I dont wanna cry“ später performt sie gemeinsamen mit Cardi B ihren Hit WAP erstmals live und holt sich mit Beyoncé den Award für Best Rap Song ab. Sie wollte immer eine „Rap-Beyoncé” sein, und erzählt in ihrer Dankesrede, dass ihre Mutter sie immer gefragt hat „What would Beyoncé do?“ Sie lobt die Arbeitsmoral ihrer Heldin, die an diesem Abend Grammy-Geschichte schreibt: Beyoncé gewinnt für u.a. „Black Parade“ in der Kategorie „Best R&B Performance“. Mit 28 Grammys zählt sie seit gestern Abend zur Künstlerin mit den meisten Grammy-Statuen.

“An artist’s duty is to reflect the times” hat Nina Simone einmal gesagt und Beyoncé wiederholt ihre Worte an diesem Abend. Das Jahr 2020 war musikalisch geprägt von der Black Live Matter Bewegung. In der Kategorie „Song Of The Year“ wird „I Can´t Breathe“ von H.E.R. ausgezeichnet. Die Country-Sängerin Mickey Guyton gehört überhaupt zu den ersten afroamerikanischen Nominees in dieser Kategorie und performt an diesem Abend ihren Song „Black Like Me“. Die Black Pumas geben ihr „Colours“ zum Besten, und dann kommt auch das beste des Abends: Lil Baby mit „The Bigger Picture“

H.e.r. bei den Grammys 2021

APA/AFP/The Recording Academy/Kevin Winter

Hohe Messlatte für zukünftige Corona-gerechte Preisverleihungen

Vor dem Staples Center stellt er all die Situationen nach, die den Track inspiriert und notwendig gemacht haben: Polizeikontrollen und Proteste. Unterstützung bekommt Lil Baby vom Rapper Killer Mike (Run The Jewels) und der Aktivistin Tamika Mallory, die im Song eine Rede an Präsident Biden richtet.

Sicherlich einer der stärksten Auftritte des Abends, wenn Lil Baby singt: „It’s bigger than black and white / It’s a problem with the whole way of life / It can’t change overnight but we gotta start somewhere. Might as well gon’ ‚head start here. We done had a hell of a year. I’ma make it count while I’m here. God is the only man I fear”

Produziert wurde die gestrige Grammy Verleihung übrigens vom Briten Ben Winston, der mit 39 Jahren zu den jüngsten Late Night TV-Produzenten der USA zählt. Er ist u.a. für den Erfolg der James Corden’s Late Late Show verantwortlich. Die Messlatte für zukünftige Corona-gerechte Preisverleihungen liegt nach diesem Abend hoch.

Zum einen ist Trevor Noah ein Host, der es schafft bei, einer akribisch durchgeskripteten Veranstaltung wie es die Grammys sein müssen, eine gesunde Portion Natürlichkeit zu bewahren. Die Gags mögen vielleicht vorhersehbar sein (richten sich z.B. an Spotify´s mickriges Auszahlungssystem) aber sie sitzen. Durch die fehlende Publikumsmasse gibt es auch keinen peinlichen Moment wo ein Host auf einen Applausregen oder Lacher wartet, die dann vielleicht gar nicht kommen. Die Show hat ein flottes Tempo und ist kurzweilig.

Wo man früher im Los Angeles Staples Center eine große Bühne bespielt und ausgefüllt hat, gab es heuer mehrere Bühnen und die jeweiligen „Sets“ waren den Artists und ihren Songs entsprechend umgestaltet. Taylor Swift kriegt ein Moosbewachsenes Haus, Cardi B und Megan Thee Stallion ein überdimensionales Bett mit schillerndem Satinbezug.

Produzent Ben Winston hat bei den Besten abgekupfert nämlich bei „Later…with Jools Holland“. Die nominierten Bands stehen zu Beginn der Show gemeinsam auf der Bühne und hören die jeweiligen Performances der Kolleg*innen zu: Die Kameras zeigen einen tanzenden Harry Styles, während einige BabyElefanten-Abstände weiter Haim ihren Song „The Steps“ performen. Billy Eilish wiederum wippt mit während Harry Styles sein „Watermelon Sugar“ zum Besten gibt.

Zusammenhalt und Wertschätzung in einem sehr schwierigen Musik-Jahr

Um den Zusammenhalt und Wertschätzung in einem sehr schwierigen Musik-Jahr in den Fokus zu rücken, werden einige Award Kategorien von jenen Personen vorgestellt, die hinter den Kulissen der Live-Industrie arbeiten. Harry Styles bekommt seinen Grammy für Best Pop Solo Performance von der Managerin des Troubadour Clubs in West Hollywood überreicht. Album of the Year gewinnen Taylor Swift, Aaron Dessner und Jack Antanoff für „folklore“ ihre Namen werden von einer Kellnerin des Hotel Cafés aus Los Angeles verkündet.

Stars gibt es natürlich trotzdem: die Gewinnerin der letzten Kategorie des Abends wird von Ringo Starr verlautbart. Der Moment als der Beatle den Namen „Everything I Wanted“ vom „Record Of The Year“ Kuvert vorliest und die Kamera Billie Eilish und ihren Bruder zeigt, die synchron in sichtbare Schockstarre verfallen, wird die nächsten Monate sicher als Meme durchs Internet gejagt.

Alle Gewinner*innen des Abends finden sich hier.

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