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Lorenz Ambeek

Vincent Forstenlechner

I’m a professional cynic

... but my heart’s not in it: Ein Gespräch mit dem österreichischen Newcomer Lorenz Ambeek über Ambitionen, das Unterhaltungsbusiness, die Musik und wie das alles einen jungen Menschen und seine Lieder prägt.

Von Lisa Schneider

Mit guten Menschen über gute Musik reden, vielleicht ist das der Sommer. Mit Lorenz Ambeek kann man gut vor diversen Wiener Gürtellokalen in der trüben Nachmitternachtshitze sitzen und sich eine Platte signieren lassen, er kann’s selbst noch gar nicht so ganz fassen, dass er da jetzt die Vinyl-Ausgabe seines ersten Albums in Händen hält. Ob sich das ausgeht war die Frage, aber ein Statement ist es halt auch. Überhaupt wird da viel geredet und nachgedacht.

An besagtem Juniabend hat Lorenz Ambeek seine Releaseshow im Wiener Chelsea gespielt, live zu dritt, schon auch mit dem Hintergedanken, dass „fünf dudes auf der Bühne durchaus bedrohlich wirken können“ und aber auch schon mit Blickwinkel Zukunft: „zu dritt wird man auch einfacher gebucht“. Es ist klagenswert unromantisch und natürlich notwendig, über Strategien und Geld und Wege der Industrie zu reden, und genau das haben wir dann im FM4-Studio getan.

Lorenz Ambeek

Vincent Forstenlechner

Lorenz Ambeek kommt aus Salzburg und erzählt von seiner „klassischen Mittelstandsgeschichte“: Eh immer Zugang gehabt zu Instrumenten und Unterricht, der Papa in Hochzeitsbands, deshalb weirdes Equipment überall daheim, er selbst dann ebenso in Ball-Bands und sonstigen kommerziellen Spielarten dabei. Nicht nur „Atemlos“, aber schon auch diese Nische an nicht zu überhörenden Liedern haben ihm ein tieferes Verständnis für Harmonien bzw. überhaupt das Zusammenspiel mit anderen Menschen gebracht. Der beste Satz ad Aufwachsen und Vorbilder und Musik bleibt dieser: „Jack Johnson ist die Dreiviertelhose der Rockmusik“.

Und das war’s dann auch mal kurz mit der Musik, Lorenz war in Amsterdam, hat Sozialwissenschaften studiert, bzw. im Master dann Political Theory. Man hört’s. Oder man spürt’s noch eher, da ist eine Abgeklärtheit, so schade wie notwendig, schütteln will man da manchmal alles und unterstützend sagen: Mach dein Ding. Lorenz kam nach Wien zurück, ohne Plan, Geld oder Job und aber der Frage, ob das jetzt geht, mit der Musik. Er trifft gute Unterstützer und Musikfreunde wie Lukas Klement, Christian Hummer und rossvanboss, die mit ihm aufnehmen und machen. „The Weatherman“ erscheint, die Single läuft auf FM4, es ist ein kleiner Wahnsinn, zumindest für den Menschen, der’s geschrieben hat. Eigentlich hat das Gitarrespielen ja erst begonnen, es gibt keine musikalischen Rücklagen, wie jetzt hier also nachlegen? Schnellpuls und Überlegungen und arg, dass das die Emotionen sind, über die Lorenz rückblickend spricht. Arg und logisch, wie oben, wie gesagt.

Lorenz Ambeeks Debütalbum „Look At Me Now“ war mehr oder weniger in zehn Tagen fertiggestellt. Er sagt, hätte er daran jetzt, wie viele andere vor und nach ihm, zwei Jahre oder länger daran gearbeitet, dann wäre er „wirklich ausgebrannt“. Marathon-Vergleiche fallen und wir unterhalten uns über die Schnelligkeit, mit der Newcomer aktuell Musik veröffentlichen müssen, um überhaupt auf nur irgendeinem Radar zu bleiben. Die Frage drängt sich auf, ob das dann noch ein guter Raum ist, ob es hier genug Nahrung gibt für kleine Rätsel und Hoffnungen und Vorfreude, all die Dinge eben, mit und durch die Musik entsteht.

Lisa und Lorenz' Platte

Lorenz Ambeek

Lorenz’ Daumen, ein glücklicher Mensch, ein Leo-Shirt und dann natürlich die Platte.

„Ich bin ein zynischer Mensch, und gleichzeitig mach’ ich so was Utopisches wie Musik“ ist auch so ein sehr bedachter Satz, der schon auf die mehr oder weniger gute Weise weh tut. Trotzdem ist das Wort, er macht es trotzdem, er macht es, obwohl er weiß, dass Österreich nicht die ärgsten Rampen-Chancen verteilt, wenn’s um internationale Musikkarrieren geht und er macht das, obwohl er weiß, dass das alles sehr schief gehen kann. Er macht das, obwohl er zynisch ist und hinzufügt: „auch ein noch so reflektiertes Produkt wird am Ende konsumiert“, da kommt der Masterstudent raus, der wohl am Nachtkästchen die Marx’schen Wälzer gestapelt hat. Als Hipster-Mitbringsel aber schon auch aus Überzeugung.

Die schönsten Momente im Studio sind wie immer die beim Schwärmen, weil jetzt endlich mal: Wie klingt Lorenz Ambeek? Sein großes Vorbild ist der amerikanische Musiker und Alleskönner Blake Mills (hört euch das 2010er-Debütalbum an, uff) und damit wäre eine Grundidee schon gut umrissen. Für weitere Inputs: hier sprühen live schon gute, junge Springsteen-Vibes (ist das der sanfte Hackler-Schick?), vielleicht ist das was für Menschen, denen Wilco zu einfärbig sind, die Alex G und Dunstkreis mögen, denen etwa andere Singer-Songwriter der Branche (und gute Freunde, btw!) wie Oskar Haag zu theatralisch auftreten. Lorenz Ambeek mag’s gern straight, was nichts mit unterkühlt, sondern mit sehr fokussiert zu tun hat. Das ist Gitarrenmusik fürs Auto, schon wieder das Klischee, aber es stimmt. Es ist eine beste Art.

Die zweitschönsten Momente im Studio sind die, in denen die Schale mal knackt und sich eben zwei Menschen gegenübersitzen, denen eh dieselben Dinge auf den Wecker gehen. Wie ist das mit dem Zynismus dann in der eigenen Musik, und vielleicht sogar in den Texten? Er ist da, sagt Lorenz, bzw. drückt er sich in Überforderung und Wut aus. „Ich hab’ Angst, Angst vorm Tod, vor dem Wirtschaftssystem in dem wir leben. Den Tod werden wir nicht überwinden, den Kapitalismus wahrscheinlich auch nicht“. Ängste für drei also, die hat ganz klar nicht nur der Nino aus Wien, und das sind eh die Augenblicke und Zustände, die in Musik gepackt werden wollen. Das ist der soft spot, das ist das Gemeinsame.

Ein gutes Lied ist eins, das dich ab- und wegholt, und das muss gar nicht mal die ultra-eskapistische Sache sein. Es soll einfach kurz deinen Kopf woanders hinbringen, das wünscht sich Lorenz Ambeek, „wenn man einfach nicht mehr nachdenkt, nur mehr Passagier ist“. Und da treffen sich die greifbaren und die nicht greifbaren Kategorien, in die wir Erfolg einteilen, das Hadern zwischen den Polen macht seit eh immer die Spannung aus. Um auch, weil gerade überall, frei bei Damon Albarn zu bleiben: eh zynisch, aber im Herzen immer noch ein bisschen frei.

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