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Claud

Angela Ricciardi

Claud macht sensiblen Songwriter-Pop beim Label von Phoebe Bridgers

Claud war das erste Signing beim Plattenlabel von Phoebe Bridgers. Nach dem Debutalbum „Super Monster“ wurde nun der zweite Longplayer von Claud bei Saddest Factory Records veröffentlicht: „Supermodels“ ist sensibles Indie-Songwriting mit Pop-Appeal.

Von Eva Umbauer

Claud ist gut gelaunt, als FM4 via Zoom sich zum Interview meldet. Claud ist gerade in Los Angeles, es ist morgens und es steht ein Interview nach dem anderen an. Claud Mintz, so der vollständige Name, ist nicht-binär und verwendet im Englischen das Pronomen „they“.

Claud kommt aus der Nähe von Chicago, lebt jetzt aber in New York. Claud wuchs außerhalb von Chicago auf, am riesengroßen Michigan See. Die Eltern sind nicht wirklich musikalisch, der Bruder aber schon. Claud ist erst nach Syracuse im Bundesstaat New York gegangen, um Musik zu studieren. Die Stadt liegt etwa vier Stunden nordwestlich von New York City. Claud konzentrierte sich aber dann schon recht bald auf ein Leben als Musiker:in, anstatt an der Universität zu büffeln.

Claud hat ein erstes Mini-Album gemacht, unter dem Pseudonym Toast, und dann mit der Band Shelly zwei Songs veröffentlicht. Eines der Mitglieder bei Shelly war die US-Musikerin Clairo.

Claud

Angela Ricciardi

Claud

Phoebe Bridgers, die kalifornische Musikerin, war inzwischen auf Claud aufmerksam geworden und nahm sie als ersten Act überhaupt 2020 für ihr neugegründetes Plattenlabel Saddest Factory Records unter Vertrag. Im Jahr darauf erschien das Claud-Album-Debut mit Songs wie „Soft Spot“ oder „Wish You Were Gay“. Es folgten Liveauftritte als Support-Act für Paramore und Bleachers. Dabei sang Claud beim Bleachers-Song „Secret Life“ die Vocals, die für die Studioversion von Lana Del Rey eingesungen worden waren.

Die „Supermodels“ vom Titel des neuen Albums sind dann auch Künstler:innen wie Hayley Williams von der US-Band Paramore, Jack Antonoff von den Bleachers oder Phoebe Bridgers - und nicht etwa die hochbezahlten Fashion-Models der 90er Jahre, die als Supermodels bezeichnet wurden. Claud meint damit „role models“, also Vorbilder.

Claud mit Fotokamera auf dem Albumcover

Claud

„Supermodels“ von Claud ist bei Saddest Factory Records erschienen, über das US-Plattenlabel Dead Oceans, das Saddest Factory unter seinen Fittichen hat.

Zu den Vorbildern zählt die New Yorker Musikerin Regina Spektor. Von Regina ist dann auch in einem der neuen Claud-Songs die Rede. „They kept the bar open just for us so that we could talk without being interrupted“, heißt es in „Every Fucking Time“ - „and we argued about Regina Spektor, I said I loved her, but you think she could be better“. Eine hitzige Diskussion zwischen Claud und einer befreundeten Person über Regina Spektor. Für Regina würde Claud sozusagen das letzte Hemd geben. Als Regina Spektor von diesem Song erfuhr - über den US-Musiker/Produzenten John Congleton -, freute sie sich total.

Claud trägt als Songwriter:in das Herz auf der Zunge, mit Humor und neuer Tiefe. Mit „Supermodels“ hat Claud neues Selbstvertrauen gewonnen, nachdem es nach dem Debutalbum ein wenig Selbstzweifel gab, ja, fast ein wenig so etwas wie ein tiefes Loch, in das Claud fast gefallen wäre. Das alles ist beinahe wie weggeblasen, mit Grunge-Pop-Songs wie „Dirt“ oder „Glass Wall“ oder auch dem vom sogenannten Shoegaze-Sound der 90er Jahre beeinflussten „The Moving On“.

In „The Moving On“ geht es um das Hinwegkommen über eine Beziehung, die nicht gepasst hat. „I got dirt underneath my fingernails, we all do“, heißt es in „Dirt“, während in „Crumbs“ Brösel weggeputzt werden müssen. „The little crumbs I hate cleaning up“, singt Claud in diesem Song, der aber auch Poetischeres hat wie die Songzeile „Snowed in April, you don’t bat an eye“...

Es waren vor allem zwei ganz besondere Musikinstrumente wichtig bei der Entstehung der neuen Songs von Claud: eine Akustikgitarre und ein Piano. Die Gitarre war zwar neu, aber vom Winter in der Stadt so ausgetrocknet, dass sie nicht mehr gestimmt werden konnte, dazu ein gebrauchtes Klavier, das hoffnungslos verstimmt war, mit mehreren fehlenden Oktaven.

In Clauds Wohnung mit der störrischen Akustikgitarre und dem abgenutzten Klavier spiegeln sich viele der Erfahrungen wider, die „Supermodels“ selbst zugrunde liegen. Risse in Romanzen und Freundschaften, der Druck einer Plattenkarriere, die Verluste des Erwachsenwerdens, die Lachfalten des Lebens: Jeder dieser 13 Songs ist, wie Claud es ausdrückt, ein weiterer Tagebucheintrag, meist mit Hooks, die so kraftvoll wie jede Erinnerung nachklingen. Der Bedroom-Pop von Claud drängt mit „Supermodels“ mehr heraus als zuvor, ist vielmehr wie eine Studioproduktion, die hinaus in die Welt will.

Da gibt es jetzt auch von den 80ies Inspiriertes oder auch von Christine And The Queens Beeinflusstes. Egal welches Genre, „Supermodels“ ist insgesamt der Soundtrack zu Clauds Leben, mit Songs, die vor allem die eigene Generation ansprechen, aber die auch etwas Klassisches an sich haben und so letztlich für alle da sind, die sensiblen Songwriter-Pop lieben.

Im letzten Song auf dem Album, Screwdriver", vergleicht Claud sich dann tatsächlich aber mit einem Supermodel: „You caught me looking at photographs of supermodels, trying not to cry when I look back at myself." Soll ich heiraten? Soll ich aus New York wegziehen? Das fragt sich Claud am Schluss des neuen Albums. Claud hat Vodka in den Orangensaft geschüttet. "... and now I understand why dreams like this aren’t supposed to come true.“ Ein bitteres Ende, wo doch Aufbruchsstimmung war?

Weil das so resignativ dann doch nicht enden soll mit uns und Claud, werfen wir uns noch rasch in die Mitte der Platte, in einen Song wie „A Good Thing“, einem power-poppigen Indie-Track, in dem Claud singt: „Looking for the answers to the questions that we’re asking, but we’ll never know.“ So viele Fragen, die Claud-Story geht weiter...

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