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Ashnikko

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Ashnikko ist der Weedkiller

Musical war früher, hier kommt die neue Oper. Ashton Casey alias Ashnikko veröffentlicht „Weedkiller“, ein Album über Endzeitszenarien, fürchterliche neue Normalitäten und mittendrin ein paar cute Songs.

Von Christoph Sepin

Es gibt eine Gebrauchsanleitung zum Hören von „Weedkiller“: „Zieht euch leichte Leinenkleider an und geht zum Sonnenuntergang in den Wald. Dann zündet ihr ein paar Kerzen an und haltet euch an den Händen. Und dann dreht ihr euch alle ganz schnell im Kreis, bis euch schwindlig wird, legt euch hin und wälzt euch am Boden. Ihr steckt eure Finger in den Schlamm und schmiert ihn euch ins Gesicht. Und dann hört ihr euch das Album an“.

Es ist schon bald fünf Jahre her, seitdem die Welt Ashton Casey alias Ashnikko entdeckt hat. Wut war damals das Grundkonzept, blöde Boys, Selbstermächtigung durch Workaholism, Weinen und Saufen, Hypersexualisierung und selbstverständlich Heartbreak. Ashnikko ist das, was nach der Technologieliebe auf Kollisionskurs à la Grimes kommen musste; sie stand für die Neuentdeckung und vor allem Neuauslegung und das Remixen von Schulhof-Raucherhof-Lieblingsacts wie Avril Lavigne und Kelis.

Ihr großer Erstling „Demidevil“ hieß 2021 noch Mixtape, weil man das da gerade so machte. Offiziell ist Ashnikkos zweite Platte damit ihr Debüt, auch wenn sie die Klugheit eines Nachfolgers hat. Hier ein Album, das kommt, kurz bevor man sich kreativ endgültig gefunden hat. Die Aggression, man kann sie gern post-industrial nennen, die vor ein paar Jahren noch provozierte, ist jetzt Teil des Designs und lässt mehr Platz fürs Geschichtenerzählen und, noch besser, das Interpretieren davon.

Vor einiger Zeit prognostizierten Zukunftsforscher*innen sogenannte Chaos Magic als den neuen popkulturellen Trend. (Pseudo-)Spiritualität und sanft-düsterer Aberglaube, um mit einer Welt klarzukommen, die man eh nicht kontrollieren kann. Dort ist Ashnikko zuhause. Sie steht für das Akzeptieren, dass Klimawandel und KI-Endzeitszenarien nicht aufzuhalten sind - also muss man eben den eigenen Platz in dieser fürchterlichen neuen Normalität finden.

„Weedkiller“ von Ashnikko ist auf Parlophone/Warner Records erschienen.

„Weedkiller“ ist die Anti-Heldin, die Techno-Fee mit gebrochenen Flügeln, Rache-Engel, Mensch-Maschine und Prophetin, die erzählt, wie das nach dem Weltuntergang weitergehen soll. Es steckt viel Konzept hinter diesem Universum, Ashnikko trägt das recht mühelos.

Wer sich ästhetisch von der faden Alltäglichkeit loskoppelt, muss das früher oder später auch kreativ machen. Die Perfektionistin Ashnikko war gut damit beraten, einfach ihren eigenen Planeten zu kreieren und ihn mit Bewohner:innen zwischen Musical-Tanzgruppen und Mad-Max-Driftern zu befüllen. Auf „Demidevil“ ist es noch das spöttelnde „Clitoris! The Musical“ gewesen, jetzt ist Ashton Casey eine ganze Apokalypse weiter und schreibt ein volles Album als Endzeit-Oper.

„Ich möchte, dass Leute in dieses postapokalyptische Wasteland eintauchen“, hofft Ashnikko und zählt auf, was für Lieder so alles darauf zu finden sind: Cute Songs, das Feiern von queerer Liebe und Sexualität, Wiedergewinnung von Autonomie und dann natürlich auch die guten alten Freund*innen Wut und Heartbreak. Und schließlich, am Ende, Hoffnung, im gemeinsamen Feature mit Ethel Cain, dem gar nicht hoffnungsvoll betitelten „Dying Star“. „I’m tired of the dirt and grit“, singt Ashnikko darin. „I want something soft“. Um alles Sanfte wertzuschätzen, hält man sich davor am besten an die Gebrauchsanleitung zum „Weedkiller“.

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