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Thomas Brudermann enttarnt Klima-Ausreden

Der Nachhaltigkeitsforscher und Klimapsychologe Thomas Brudermann beschäftigt sich viel mit Klima-Ausreden und verbreitet sie als Stereotypen in Comic-Form auf Social Media, um Diskussionen anzustacheln.

Von Simon Welebil

Menschen, die offen sagen, dass sie Umwelt oder Natur hassen würden oder sich auf die Klimakatastrophe oder den Ökosystemkollaps freuen, gibt es nicht. Und falls doch, dann hat sie Klimapsychologe Thomas Brudermann von der Uni Graz noch nicht getroffen. Die meisten Menschen sind umweltfreundlich eingestellt und wünschen sich ein stabiles Klima. Die Sache ist nur so: „Unsere individuellen und kollektiven Verhaltensweisen spiegeln diese Einstellungen und Wünsche nicht wirklich wider“.

Ausreden liefern einen bequemen Ausweg

Es herrscht also eine Kluft zwischen eigenem Anspruch oder Selbstbild in punkto Klimaschutz und den tatsächlichen Handlungen. Um die zu überbrücken, könnten wir unsere Einstellungen ändern und uns eingestehen, dass wir nicht besonders klimafreundlich sind oder sein wollen. Wir könnten auch unser Verhalten ändern. Beides ist aber immer relativ schwierig, so Thomas Brudermann. Ausreden liefern uns da einen bequemen Ausweg. Wir finden Gründe und Rechtfertigungen, warum die Dinge so sind, wie sie sind, und können so unser positives Selbstbild behalten und so weitermachen wie bisher.

Thomas Brudermann bei FM4

Radio FM4

Thomas Brudermann

Thomas Brudermann hat jede Menge solcher Klimaausreden gesammelt und sie letzten Herbst im Buch „Die Kunst der Ausrede. Warum wir uns lieber selbst täuschen, statt klimafreundlich zu leben“ mit den psychologischen Mechanismen dahinter aufgearbeitet und publiziert. Seitdem sind noch einige weitere hinzugekommen, die er online vorstellt.

Klimaausreden

CC-BY-ND / klimapsychologie.com / A. Hoeben & T. Brudermann

Um diese Ausreden in öffentlichen Vorträgen so präsentieren zu können, dass sich Menschen darin wiedererkennen, hat er gemeinsam mit Annechien Hoeben daraus Klima-Stereotype entwickelt, personifizierte Ausreden-Typen. Der erste dabei war der Öko-Hans.

Brudermann charakterisiert den Öko-Hans wie oben, als prinzipiell umwelt- und klimafreundlich eingestellt, fährt viel Fahrrad, trennt Müll und isst wenig Fleisch. Mit diesen kleinen Dingen gibt sich Öko-Hans allerdings schon zufrieden und nimmt sie sogar als Rechtfertigung dafür, die großen Dinge nicht anzugehen. „Die Logik kann da sehr schnell lauten: Ja, diesen Urlaubsflug kann ich mir jetzt schon erlauben, weil ich habe eh Strom gespart und kürzer geduscht und weniger geheizt im Winter.“ Der psychologische Mechanismus hinter diesem Aufwiegen verschiedener Verhaltensweisen nennt sich „moralisches Lizenzieren“. Für unser Gewissen geht sich das aus, für die CO2-Bilanzen allerdings nicht. Ein Flug verursacht ein Vielfaches der CO2-Emissionen die durch Stromsparen etc. eingespart wurden.

Klimaausreden

CC-BY-ND / klimapsychologie.com / A. Hoeben & T. Brudermann

Diese Stereotypen sind nicht nur in Vorträgen, sondern vor allem auch auf Social Media gut angekommen, sodass die beiden ersten Ausreden-Stereotypen „Öko-Hans“ und „Aber-Hans“, dem die „Aber China“-Ausrede recht leicht von den Lippen geht, inzwischen auf zehn Hans’ und auch Hannas erweitert worden sind, wobei sich Brudermann bei allen entschuldigen will, die selbst den Namen Hans tragen: „Diese Stereotypen haben eure Namen. Aber dafür haben sie mein Gesicht. Das ist vielleicht der Ausgleich.“

Wer erkennt sich selbst im „Öko-Hans“

Was diese Stereotypen bewirken sollen ist, sich und seine Gesprächspartner:innen zum Nachdenken anzuregen und vielleicht auch zu einer Verhaltensänderung. Sie sollen aber nicht zu einer Schuldindividualisierung führen und die Bürde des Klimaschutzes auf Einzelpersonen übertragen. Es brauche Strukturen und Rahmenbedingungen, um sich im Alltag überhaupt klimafreundlich verhalten zu können. Doch diese Strukturen seien auch nichts Statisches oder fix Vorgegebenes, sondern dynamisch und durch persönliche Entscheidungen veränderbar. Deshalb will er politische und wirtschaftliche Strukturen nicht vom persönlichen Verhalten abgrenzen. Sie „greifen ineinander. Und ich glaube, das müssen wir ganzheitlich angehen und anschauen.“

Stereotypen der Klimaausreden: Der Öko Hans
Stereotypen der Klimaausreden: Der Aber-Hans
Stereotypen der Klimaausreden: Der Untergangs-Hans
Stereotypen der Klimaausreden: Der Technologie-Hans
Stereotypen der Klimaausreden: Der Hans-Solo
Stereotypen der Klimaausreden: Die Gewohnheits-Hanna

Weg von den Ausreden

Die Klima-Ausreden und Ausreden-Stereotypen, die Brudermann aufgezeigt hat, brauchen wir nur, wenn wir uns nicht ändern wollen. Um Änderungen hingegen wirklich anzugehen und klimafreundlich zu leben, brauchen wir etwas anderes, so Brudermann, nämlich Gründe, wobei manchmal schon ein einziger reicht.

„Meine Einladung an alle ist, sich selbst zu fragen: Was wäre denn mein Grund, es zu versuchen mit einem klimafreundlichen Lebensstil? Und wenn ich diesen einen Grund für mich finden kann, dann werden die Ausreden plötzlich relativ irrelevant und die klimafreundlichen Lebensstile ganz leicht.“

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