Posthumane Puzzle-Philosophie

„The Talos Principle 2“ ist eines der intelligentesten Science-Fiction-Puzzle-Spiele der Games-Geschichte.

Von Rainer Sigl

In ferner Zukunft sind die Menschen verschwunden. Ihr Erbe ist eine Zivilisation von Androiden, die sich nur schemenhaft an ihre organischen Vorfahren erinnern. Ich selbst werde als tausendstes Mitglied dieser futuristischen Robotergesellschaft geboren und folgerichtig auf den Namen 1k getauft.

Kurz nach meiner Einführung in diese posthumane Welt wird plötzlich eine geheimnisvolle Insel entdeckt; als Mitglied des Forschungsteams mache ich mich auf den Weg, um sie genauer zu untersuchen. Ich finde eine geheimnisvolle Umgebung voller mechanischer Rätsel und Puzzleräume, die riesige, zentrale Pyramide öffnet sich nur dem, der sie alle nacheinander lösen kann. Das ist „The Talos Principle 2“.

Größer, besser, philosophischer

Wie schon im ersten Teil aus dem Jahr 2015 verbindet sich in „The Talos Principle 2“ eine philosophische Science-Fiction-Story mit handfestem Puzzle-Gameplay aus der First-Person-Perspektive. Um die zahlreichen Rätsel zu lösen, muss ich mit Schaltern, Gewichten, Laser- und Stromkonnektoren und jeder Menge anderer Gadgets interagieren. Die jeweiligen Rätselräume lassen meist nur eine einzige Lösung zu und werden im Verlauf des Spiels immer kniffliger.

Um die lineare Story voranzubringen, muss ich zum Glück nicht jedes davon lösen, sondern darf einzelne davon, die mich besonders plagen, auch mal auslassen. Prinzipiell versteht es „The Talos Principle 2“ aber sehr gut, seine Rätselmechaniken stufenweise zu kommunizieren. Mit reiner Logik ist es aber nicht getan, denn immer wieder konfrontiert mich die Geschichte auch mit moralisch-ethischen Fragen - eine Mischung, die einen auf ganz unterschiedliche Weise zum Grübeln bringt.

Ideenliteratur zum Spielen

Science-Fiction war in ihren besten Inkarnationen immer auch „Ideenliteratur“, diese Tradition führt Croteam mit „The Talos Principle 2“ fort: Hier geht es nicht (nur) ums Spielen, sondern auch darum, die der Story zugrundeliegenden Themen und Ideen auf sich wirken zu lassen.

Das klingt akademischer, als es ist, denn zusätzlich gibt es auch etwas fürs Auge: Die verlassene Insel ist übersät mit riesigen, beeindruckend monumentalen Gebäuden und brutalistischen Strukturen, und immer wieder haben auch Götter und andere mythische Figuren des antiken Pantheons als mächtige künstliche Intelligenzen ihren Auftritt. Als humorvoller Kontrast im Kleinen bilden sich dazu in den fiktiven Social-Media-Kanälen der Robotergesellschaft witzige Ähnlichkeiten zur Gegenwart heraus.

„The Talos Principle 2“ schafft es großteils hervorragend, die richtige Mischung aus Story und Rätsel-Gameplay hinzubekommen. Es braucht allerdings vor allem später im Spiel gar nicht so wenig Gehirnschmalz, um die Puzzle-Hürden auf dem langen, vielleicht etwas zu langen Weg zum Finale zu überwinden. Wer sich davon nicht beirren lässt, freut sich über eines der intelligentesten Science-Fiction-Spiele der Games-Geschichte.