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André 3000

Kai Regan

Meditative Vibes & Klänge von André 3000

Sanfte Flötenklänge und meditative Sounds anstelle von Rap, Gesang & Beats. André 3000 hat nach 17 Jahren mit „New Blue Sun“ ein neues Album veröffentlicht und sich einmal mehr auf künstlerisch neues Terrain gewagt. In knapp 90 Minuten entführt er uns in eine akustische Parallelwelt der Ruhe & Entspannung.

Von Alex „DJ Phekt“ Hertel

Am Anfang war die Flöte, die als ältestes Klanginstrument der Welt gilt. Schon in der Steinzeit wurden aus hohlen Knochen kleine Blasinstrumente mit Löchern gebastelt, auf denen die damals lebenden Menschen mit Klängen experimentiert haben. Nur Percussions-Instrumente, mit denen rhythmische Sounds erzeugt wurden, dürften noch älter sein.

Während ich diese Zeilen tippe, erklingt im Hintergrund der Opener-Song des neuen André 3000-Albums mit dem schönen Titel „I swear, i really wanted to make a Rap-Album but this is literally the way the wind blew me this time“. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Eigentlich kann ich nicht fokussiert schreiben, wenn im Hintergrund Musik läuft. Doch „New Blue Sun“ ist anders. In gewisser Weise kommt das Album genau zum richtigen Zeitpunkt. Sanfte Melodien & instrumentale Klänge als Soundtrack für eine turbulente Zeit, in der Nachrichten und Social Media-Timelines schlaflose Nächte bereiten können.

I love Rap Music but...

Als sprachgewaltiger Rapper wurde André 3000 als Teil des Duos OutKast weltberühmt. Sein Schaffen ist geprägt von einer „Out of the Box“-Denkweise, unerwarteten kreativen Moves und Mut zu Innovation. Dass er das alles so machen konnte, hatte viel mit seinem Umfeld zu tun. Schon im „dungeon“ des Produktionsteams von Organized Noize in Atlanta konnte er sich in kollaborativen Sessions kreativ ausleben.

Fans haben in den letzten Jahren aus Mangel eines neuen Solo-Albums sehnsüchtig jeden seiner Feature-Parts auf Songs anderer Künstlerinnen und Künstler erwartet und wurden so gut wie nie enttäuscht. Der Rapper André 3000 gilt zurecht als einer der besten seines Metiers. Leider fühlt er es aber momentan nicht, wie er in einem aufschlussreichen NPR-Interview erzählt.

„I love rap music because it was a part of my youth. So I would love to be out here with everybody rapping, because it’s almost like fun and being on the playground. I would love to be out here playing with everybody, but it’s just not happening for me. This is the realest thing that’s coming right now. Not to say that I would never do it again, but those are not the things that are coming right now. And I have to present what’s given to me at the time.“

Und das bringt uns wieder zur Flöte. Seit geraumer Zeit geistern von Amateuren aufgenommene Video-Clips von André 3000 durchs Internet, die ihn in unterschiedlichen alltäglichen Situationen beim Flötenspiel zeigen. In einem Kaffeehaus, auf der Straße, meist alleine und überhaupt nicht abgeschirmt. Oder beim Spazierengehen in Los Angeles, wo er seit einiger Zeit lebt.

Dort hat er auch Carlos Niño getroffen. Einen Künstler/Musiker, der eine Schlüsselfigur in der alternativen Jazz-Szene von L.A. ist und mit dem er sich auf Anhieb gut verstanden hat. In einer spontanen gemeinsamen Alice Coltrane-Tribute Session wurde der Grundstein für „New Blue Sun“ gelegt. Denn dort hat André 3000 jene Musiker getroffen, mit denen er das Album eingespielt hat: Carlos Niño an der Percussion, Nate Mercereau an der Gitarre, Surya Botofasina an den Tasten und er selbst als Flötist.

Noten lesen kann André 3000 übrigens nicht, er hat auch keine klassische Ausbildung gemacht. Alles was man auf dem neuen Album hört, ist in improvisierten Sessions entstanden und fängt einen wunderbar puren Vibe ein. Kreiert von Menschen, die ganz bei und mit sich sind.

Poetische Songtitel

Dem Künstler ist bewusst, dass er mit „New Blue Sun“ für viele Fragezeichen in den Köpfen seiner Fans sorgen wird.

Cover "New Blue Sun" von André 3000

Epic Records

Darum war es ihm besonders wichtig, über das Cover, die Songtitel und das Artwork für Klarheit zu sorgen. So liest sich zum Beispiel die Tracklist:

1. I swear, I Really Wanted To Make A „Rap“ Album But This Is Literally The Way The Wind Blew Me This Time

2. The Slang Word P(*)ssy Rolls Off The Tongue With Far Better Ease Than The Proper Word Vagina. Do You Agree?

3. That Night In Hawaii When I Turned Into A Panther And Started Making These Low Register Purring Tones That I Couldn’t Control ... Sh¥t Was Wild

4. BuyPoloDisorder’s Daughter Wears A 3000™ Button Down Embroidered

5. Ninety Three ’Til Infinity And Beyoncé

6. Ghandi, Dalai Lama, Your Lord & Savior J.C. / Bundy, Jeffrey Dahmer, And John Wayne Gacy

7. Ants To You, Gods To Who ?

8. Dreams Once Buried Beneath The Dungeon Floor Slowly Sprout Into Undying Gardens

Ja, André 3000 hat in den letzten Jahren spirituelle Erfahrungen mit Ayahuasca gemacht. Doch wer jetzt denkt, sein neues Album sei ein esoterischer Trip eines Neo-Hippies liegt weit daneben. Er hat einfach das Instrument getauscht, um seine Emotionen in akustischer Wellenform so zu manifestieren, wie es sich gegenwärtig richtig für ihn anfühlt. Das war schon immer so:

„I discovered rap. I didn’t know I’d be rapping. I didn’t know I’d start producing. I didn’t know I’d start singing. I didn’t know my style would go a certain way. I didn’t know I’d put a wig on. Like, I didn’t know none of this. So I’m on the ride with y’all. I’m expecting anything just like y’all. I didn’t know I’d be playing a flute.“

The right „left turn“?

Questlove von The Roots sagt auf seinem IG-Account eindeutig „JA!“ zum neuen Album von André 3000. Als absoluter Musik-Auskenner, Fan, Bestseller-Autor diverser Fachbücher, Nerd und Liebhaber so genannter „Departure Alben“ - also Platten, mit denen Künstlerinnen und Künstler komplett ausbrechen und das Gegenteil von dem tun wofür sie bekannt wurden - sieht er in „New Blue Sun“ ein perfektes Album zum Runterkommen/Meditieren und um innere Stille zu finden.

Und tatsächlich. Ich konnte sogar einen ganzen Text schreiben, während André 3000 begleitet von seinen Kollegen im Hintergrund diverse Flöten spielt. Eine zugegeben unerwartete, aber sehr gelungene Platte.

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