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Wanda und ihr neuer Song „Bei niemand anders“

Marco Michael Wanda im Interview über Trauerbewältigung und Mut.

Von Susi Ondrušová

Die letzten Monate waren für Wanda geprägt von Trauer. Im September letzten Jahres ist ihr Freund Christian Hummer, der Keyboarder von Wanda gestorben, Marco hat seinen Vater verloren. „Bei niemand anders“ ist ein berührender und sehr persönlicher Song. Im Interview spricht Marco über die Zeit der Trauer und wer Wanda 2024 ist.

FM4: „Bei niemand anders“ ist ein sehr persönlicher Song. Wo fangen wir an? Es ist ein Song für deinen Vater.

Marco Wanda: Ja, grundsätzlich. Wir sind nach Christians Tod ziemlich bald ins Studio, weil wir das Gefühl hatten, das ist der einzige Ort, an dem wir uns festhalten können und auch gemeinsam etwas Sinnvolles machen. In der Zeit ist mein Vater erkrankt und mittlerweile verstorben. In dieser Zeit ist der Song passiert. Ich habe ihn geschrieben am 3. Jänner. Ich weiß eigentlich nie, wann ich einen Song geschrieben habe, aber diesmal wusste ich’s, weil Silvester war so eine Katastrophe für mich persönlich, also das war ein Ruin, würde ich mal sagen. Ich habe es auch alleine gefeiert. Dann war ich zwei Tage völlig depressiv. Ich möchte allen Menschen abraten, alleine Silvester zu feiern. Das ist wirklich nicht clever. Es war ein großer, großer Fehler und nach diesen zwei Tagen Depression hat es mich am 3. Jänner einfach zum Klavier gezogen, und ich hatte eine ganz klare Vorstellung, was ich mit diesem Song erreichen will. Ich wollte vor allem etwas Tröstliches schreiben. Ich wollte etwas schreiben, das man in einer persönlichen Krise oder im Fall eines Verlusts hernehmen kann. Ich wollte natürlich auch meinem Vater Mut zusprechen mit diesem Song, auch wenn ich zu der Zeit wusste, dass es nicht gut ausgehen wird.

Cover mit Rosen

Wanda

FM4: Ihr habt so ein schönes Posting am 1. Jänner heuer veröffentlicht - ich weiß nicht, ob du dich erinnern kannst: „Wir haben schon Werbung für McDonalds und Chesterfield abgelehnt, aber für Therapie machen wir Gratiswerbung!“

Marco Wanda: Ah, das habe ich in diesen Depressionstagen geschrieben, ja!

FM4: Das fand ich total schön, weil die Zeit um Weihnachten und Silvester ist tatsächlich eine sehr schwierige für viele. Hat dein Vater den Song noch hören können?

Marco Wanda: Die Version vom 3. Jänner, die ich mit einem sehr, sehr schlechten Diktiergerät aufgenommen habe. Da hört man nur meine Stimme und Klavier. Das wird auch die B-Seite der Vinyl-Single sein. Er hat mir damals gesagt, er fühlt sich im Text gut aufgehoben und wird quasi mehr oder weniger in der Gewissheit sterben, dass es vielen anderen Menschen auch so gehen wird. Das fand ich sehr schön.

FM4: Das ist ein schönes Geschenk. Wollen wir noch ein bisschen in diese Wahnsinnszeit zurückgehen? Das letzte Mal haben wir uns gesehen in der Woche vor dem Album-Release. Dann ist kurz darauf im zehnten Jubiläumsjahr der Band Christian Hummer, euer Keyboarder, euer Freund gestorben. Du hast gesagt, ihr wolltet, ihr musstet ins Studio gehen. Also das Studio und diese zwei anderen Menschen, die Bandkollegen Manu und Ray sind der Safe Space, in dem man weitermachen kann.

Marco Wanda: Ja. In der Zeit habe ich Zebo Adam kennengelernt, der auch die ersten beiden Bilderbuch-Alben produziert hat. Ich habe ihn angerufen und ihm das Projekt erklärt. Er wusste selbstverständlich, unter was für schrecklichen, tragischen Umständen das jetzt ablaufen wird, und er hat uns diesen Rahmen geschaffen. Ich möchte mich auf jeden Fall hier auch beim Zebo noch einmal öffentlich bedanken, weil er mit aller Sensibilität und mit großem, menschlichem Feingefühl einfach verstanden hat: Ich gehe jetzt nicht mit einer erfolgreichen Band ins Studio und wir machen Hits, sondern er hat gewusst, er geht ins Studio und es wird schwer. Es wird schwere Arbeit und es wird Verarbeitung.

FM4: Ich habe mir alte Interviews mit dir angehört und das Image, mit dem ihr gestartet seid, war ein bisschen dieses „Unkaputtbare“, und jetzt gibt es so eine fragile Seite, der neue Song ist sehr balladig. Es ist ein künstlerischer Neuanfang, es gibt die Phase davor und die Phase danach.

Marco Wanda: Es ist jetzt alles anders. Mit Christians Ableben ist alles anders. Wir fühlen uns wie zerschossen, und wir bauen uns irgendwie langsam wieder auf gemeinsam. Bei all dem, was da passiert ist in der Zeit, das hat uns sehr ernst gemacht. Und ernst ist der Tod von Kitsch. Dementsprechend haben wir auch versucht, die Musik aufs Wesentliche zu reduzieren. Wir waren nicht mehr so spielerisch und unbefangen bei der Sache, sondern einfach mit einem ziemlichen Ernst und hohem Anspruch. Auch schon in der Songwriting-Phase habe ich die ganze Zeit das Gefühl gehabt, ich muss jetzt etwas schreiben, das Christian gefallen hätte. Er saß gefühlt die ganze Zeit neben mir am Klavier und hat gesagt „Du kannst da kein A-Moll spielen, du Vollidiot! Das ist scheiße!“ Also er hat mich ein bisschen im spirituellen Sinn begleitet. Das war auch total abgefahren. Also er hat mich oft verarscht. So wie immer.

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FM4: Gibt es Musik, die dir in der Trauerphase geholfen hat?

Marco Wanda: Ich muss gestehen, ich habe keinen erinnerlichen Zugriff auf diese Zeit, die sechs Monate nach Christians Ableben und den Höhepunkt in der Krankheit meines Vaters. Ich höre jetzt, was ich in dieser Zeit gemacht habe und ich war wohl offensichtlich teilweise auch auf der Bühne. Oder ich war irgendwie anwesend in Meetings. Aber das kenne ich alles nur aus Überlieferung, weil ich war ein leerer Geist. Ich weiß nur, dass ich sehr viel geweint habe. Ich glaube, ich bin fast ein ganzes halbes Jahr weinend aufgewacht, weinend schlafen gegangen, habe weinend Zähne geputzt, weinend Kaffee gekocht. Das war schon ein Automatismus, das ist irgendwann auch ohne Emotion aus mir herausgerollt. Das war meine Trauer.

Wir fühlen uns wie zerschossen, und wir bauen uns irgendwie langsam wieder auf gemeinsam.

FM4: Ich fand alles, was Nick Cave seit dem Ableben von seinem Sohn dazu gesagt hat, und wie er sich geäußert hat, so unglaublich ergreifend und nachvollziehbar. Was Trauer bedeutet und was Trauer mit einem macht. Ich fand das immer ein bisschen weird, wenn Leute das Sprichwort verwenden: „Die Zeit heilt alle Wunden.“

Marco Wanda: Für den Verarbeitungsprozess muss man seine eigenen Spielregeln finden. Ich habe mich in der Zeit einfach vollkommen losgekoppelt von dieser Welt. Man muss da seine eigene Zeit finden. „Die Zeit heilt alle Wunden“, das könnte ja bedeuten: Mit dir ist etwas falsch, wenn die Zeit die Wunde nicht bald heilt. Ich nehme mir immer noch sehr viel Zeit und was mir am meisten geholfen hat, ist, dass ich nicht dagegen ankämpfe. Also wenn es mich in der U-Bahn überfällt, dann weine ich einfach, und wenn das irgendwer komisch findet, ist mir das scheißegal. Das ist wichtig.

FM4: Im Idealfall kommt jemand und sagt: „Brauchst du ein Taschentuch?“

Marco Wanda: Ja, sowas passiert auch tatsächlich. Menschen sind in Momenten erstaunlich liebevoll und nett manchmal.

FM4: Wer wird jetzt Keyboard spielen?

Marco Wanda: Es gibt eine uns begleitende Liveband. Das sind natürlich auch Menschen, die wir sehr schätzen, Kollegen und Freunde. Aber klar, die Band, da passt jetzt niemand mehr rein. Die Band sind Ray, Manu und ich. Wir haben das hier, so tragisch es klingt, überlebt und wir werden diesen Weg zu dritt weitergehen.

Für den Verarbeitungsprozess muss man seine eigenen Spielregeln finden.

FM4: Weißt du, was ich mich auch gefragt habe? Ich kann dir natürlich sagen, mir gefällt der neue Song, wegen dem wir hier jetzt im Studio stehen, aber ich würde mich nicht trauen, etwas Negatives oder Kritik an einem Song zu äußern, das so persönlich ist. Ich finde es schwierig mir vorzustellen, dass man sich Kritik anhört bei so etwas Persönlichem.

Marco Wanda: Ich persönlich habe sowieso ein kritisches Verhältnis zu Kritik. Ich finde, es muss schon ein Ehrengesetz sein, wenn ein Act eine gewisse Größe erreicht hat, finde ich, ist Kritik einfach nicht mehr angebracht. Dann kann man vielleicht sagen: „Das ist im Vergleich zu einem anderen Song jetzt nicht mehr so stark oder schwach!“ Aber ich finde, so grundsätzlich, wenn Bilderbuch einen neuen Song rausbringt, würde mir im Traum nicht einfallen, das zu kritisieren, also zu sagen: „Wah, die Bassline ist aber schwach!“

FM4: Also dieses A-Moll im Klavier, weißt eh!

Marco Wanda: Ja voll! Das hat ja alles dann seine Qualität schon so oft und immer wieder bewiesen, dass ich es fast schon langweilig fände. Also Bilderbuch kritisieren ist blöd.

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FM4: Was mir auf jeden Fall sehr gut gefällt: Ich mag es, wenn auf Songs ein Atmen zu hören ist.

Marco Wanda: Ich frage mich seit zehn Jahren: Was machen diese Produzenten eigentlich wirklich? Ich glaube, genau das sind diese Dinge, die verstehst du als Künstler nicht und dann hörst du es und denkst dir: Ah, darauf wollte er hinaus! Er wollte eine Intimität schaffen!

FM4: Ich habe hier noch eine Frage über deinen Vater, weil mir eine Kollegin erzählt hat, dass dein Vater nicht nur für „Universum“ beim ORF gearbeitet hat, sondern auch in einem Club?

Marco Wanda: Er hatte ein sehr bewegtes Leben. Es gab auch obdachlose Phasen in seiner Jugend. Er hat am Westbahnhof geduscht. Dann kam er irgendwie zu Kinokritiken, glaube ich, hat für ein paar Schilling geschrieben. Irgendwann hat er die Camera aufgesperrt. Also, nachdem es das San Remo war, hat er es Camera Obscura genannt. Der Name ist bis heute seine Erfindung und er hat auch die Tür designt, diese wunderschöne Holztür. Ja, dann ist er damit in Konkurs gegangen und war höchstverschuldet und ist da irgendwie rausgekommen. Und! Er war Teil der ersten Redaktion von „Ohne Maulkorb“ im ORF. Wo der Rudi Dolezal auch war. Diese Generation.

FM4: Was hat dir dein Vater für Tipps gegeben?

Marco Wanda: Ich würde sagen, er hat mir einen Wertekompass als Mensch mitgegeben. Er hat immer aufgepasst, dass ich nicht radikal denke, sondern differenziert. Das war ihm sehr wichtig, auch als Journalist. Er war mehrmals in Nahost. Er war als Kriegsberichterstatter auch im Libanon. Ich habe ihn in meiner Jugend gefragt: „Du, Papa, wer hat da recht? Die Palästinenser oder die Israeli?“ Und er hat gesagt: „Das ist die falsche Frage!“ Also er hatte ein sehr objektives, auktoriales Denken und war sehr vorsichtig mit Urteilen. Heutzutage schmeißt man ja mit Urteilen um sich, das geht sehr schnell.

FM4: Und das weißt du, obwohl du nicht auf Social Media bist.

Marco Wanda: Ich seh es ja mit einem Auge dann doch. Wir (Wanda) haben 900 Follower. Wir haben sagenhafte 900 TikTok-Follower.

FM4: Ihr seid nach Georgien gefahren, um das Video zum neuen Song zu drehen.

Marco: Wanda: Ja, wir hatten dort eine Produktionsfirma aus der Ukraine. Das sind Ukrainer im Exil. Als wir die Möglichkeit hatten, mit denen zu arbeiten, wussten wir sofort: Das ist es. Das war auch was fürs Herz. Es war sehr schön, mit diesen Menschen diese Zeit zu verbringen. Und wir haben sehr hart gearbeitet, aber wir haben auch sehr hart gegessen und getrunken. Es war sensationell. Es sind vor allem auch einfach zwei sehr liebenswürdige Kulturen, so gastfreundliche, herzliche Menschen. Die Georgier haben auch so ein Fimmel, du musst dann immer aufstehen und eine Rede halten. Mich hatten sie natürlich als Bandleader so besonders am Zettel: „Marco, please get up make another speach!“ Und dann musste ich nochmal sagen, wie sehr ich alle liebe und nochmal sagen, das ist die schönste Woche meines Lebens.

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FM4: Das wär eigentlich auch eine schöne Video-Idee, einfach nur Dankesreden.

Marco Wanda: Es war sehr schön. Die ersten Tage sind wir immer kurz vor Sonnenaufgang in die Wüste gefahren zum Scouten. Es hat mich total erstaunt, wie touristisch unberührt diese Natur dort noch ist. Wahrscheinlich gibt es in 20 Jahren die Red Bull Ralley dort, das kann ich mir sehr gut vorstellen. Aber noch ist es ein unberührtes, wunderschönes Land. Also das schaut aus wie Amerika und der Himalaya, es ist wirklich toll.

FM4: Im Video sieht man, wie du verletzt auf einer Trage von deinen Bandkollegen Manu und Ray getragen wirst. Von einer kargen Wüstenlandschaft wandert die Kamera dann in ein Krankenhaus, wo ein Sandsturm durchfegt. Man sieht aber auch eine Landschaft, wo im Hintergrund alles grün ist und blüht. Quasi ein bisschen ein Aufstehen, ein Neuanfang.

Marco Wanda: Ich erinnere mich an das erste Gespräch mit dem Regisseur Casey Campbell, mit dem es by the way fantastisch war zusammenzuarbeiten. Das ist ein großartiger Kerl und wir haben ihn gefragt, was stellst du dir vor? Und er hat gesagt „I wanna see it in your eyes!“ Was wir verloren haben, was passiert ist, wollte er in unseren Augen sehen. Damit hatte er uns sofort. Das Drehbuch haben er und ich dann über Wochen und Monate besprochen. Das war sehr viel Arbeit. Es ist das aufwändigste Video, das wir jemals gedreht haben, und und leider auch das teuerste.

FM4: Ihr werdet am 22. Dezember in der Wiener Stadthalle ein Weihnachtskonzert spielen. Was können wir uns vorstellen?

Marco Wanda: Es wird schon ein Rock’n Roll-Konzert. Also es wird schon eine ganz klassische Wanda-Show. Das ist auch so der Schmäh für uns. Wir nennen es zwar Weihnachten mit Wanda, aber, come on, wir wissen alle, es geht um Rock’n’Roll, aber wir versuchen ein bisschen eine weihnachtliche Atmosphäre zu schaffen. Ein bisschen Kitsch wird es schon geben. Wir haben aber auch eine Kooperation mit der Caritas, wo man Sachen abgeben kann. Es wird Punsch geben hoffentlich. Daran arbeiten wir gerade. Jetzt ist noch die Frage, ob wir es da drin schneien lassen können. Es kann sein, dass sich Gäste auf die Bühne verirren. Wäre ich Wanda und würde eine Weihnachtsshow in der Stadthalle in Wien spielen, würde ich ein paar Kollegen und Kolleginnen einladen.

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