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Pearl Jam

Monkeywrench/Universal Music

Die Seattle-Giganten Pearl Jam und ihr neues Album „Dark Matter“

Pearl Jam melden sich mit einem neuen Longplayer zurück. „Dark Matter“ ist das zwölfte Studioalbum der Grunge-Legenden aus Seattle. Die Platte ist zeitlos, hat einen hohen Energielevel, aber scheut auch Sentimentales nicht.

von Eva Umbauer

Nirvana, Soundgarden, Pearl Jam und noch einige mehr. Sie hatten ihren ganz eigenen Stil, standen aber alle für Grunge, jenen ungezähmten Sound, der in den 1980er Jahren in Seattle entstanden und dann Anfang der 1990er Jahre große, internationale Bedeutung erlangte. Kurt Cobain von Nirvana und Chris Cornell von Soundgarden leben nicht mehr. Eddie Vedder von Pearl Jam denkt oft an die beiden und andere aus der damaligen Szene von Seattle, die auch nicht mehr hier sind. Umso dankbarer ist er, dass seine Band noch immer Musik machen kann.

In den letzten paar Jahren dachten Pearl Jam viel über ihre Band nach. So überlegte sich etwa jedes einzelne Bandmitglied, welche Songs es unbedingt noch erschaffen möchte, an welchen Orten man noch gerne spielen würde, oder was einem sonst noch wichtig wäre zu tun in Zusammenhang mit der Band, bevor es die vielleicht einmal nicht mehr geben würde. Man wird älter - wer weiß, was passiert...

Album "Dark Matter" von Pearl Jam

Monkeywrench/Universal Music

„Dark Matter“ von Pearl Jam ist bei Monkeywrench/Universal Music erschienen.

Turn up the Dial

„Dark Matter“, das bisher zwölfte Studioalbum von Pearl Jam, ist ein Ergebnis dieser Denkprozesse der letzten paar Jahre. Pearl Jam drehen auf „Dark Matter“ auf, gleich am Anfang bei den Songs „Scared Of Fear“ und „React, Respond“. Beide sind hochexplosiv und erinnern an die ersten Pearl-Jam-Alben „Ten“, „Vitalogy“ und „Vs“. Es gibt aber auch Power-Balladen auf „Dark Matter“ und zart(er)e Momente.

„We used to laugh, we used to sing, we used to dance, we used to believe“, singt Eddie Vedder im Album-Opener „Scared Of Fear“ und trifft damit - nicht das einzige Mal auf „Dark Matter“ - genau den Moment, wo Menschen gerade sind in ihrem Leben. Eddie Vedder holt sie direkt ab. Das muss nicht automatisch bedeuten, dass es sich dabei ausschließlich um Menschen handelt, die schon einen größeren Teil ihres Lebens hinter sich haben, dennoch werden sie wohl in der Mehrheit sein. Producer Andrew Watt ist aber hier ein Bindeglied zwischen „Jung“ und „Alt“.

Der Albumtitelsong, „Dark Matter“, ist ebenfalls sehr heavy, genauso wie eine weitere Single aus der Platte, das punkige „Running“, das einen hohen Energielevel aufweist - und diese Bridge, dieses Solo von Mike McCready. Genau solche Dinge lassen die Fans der Band zu Liebesbezeugungen hinreißen wie „I love you deeply, Pearl Jam, thank you for being part of my life, throughout the years, people, loves, etc. come and go, but my Band is always with me, that is the reason why I will always be very grateful“, von denen sich im Netz nicht wenige finden.

Der Song „Wreckage“, auch einer der sogenannten „focus tracks“ am neuen Pearl-Jam-Album, klingt sanfter, eher ein wenig nach dem vor allem in den Seventies erfolgreichen US-Musiker Tom Petty And The Heartbreakers, und ist wie „Don´t Tell“ oder „Something Special“ eher „stripped back“, akustisch und von Country und Americana-Folk inspiriert. Die letzten Platten von Pearl Jam waren eher auf Nummer sicher gehend, „safe play“, und oft blues-ig im Klang, während es die Band mit „Dark Matter“ risikofreudiger anging.

Producer Andrew Watt war ein Glücksgriff für Pearl Jam. Er half auch schon etwa den Rolling Stones mit ihrem aktuellen Album, Iggy Pop oder auch Post Malone oder Miley Cyrus im Tonstudio, ist Grammy-Gewinner und macht auch selbst Musik. Er ist ein Phänomen, sagt Eddie Vedder im Interview mit dem US-Radiosender K-Rock, etwa was seine Merkfähigkeit beim Aufnehmen angeht - was wo wann genau am allerbesten klang.

Glücksgriff Andrew Watt

Der gebürtige New Yorker Andrew Watt ist auch der Gitarrist der Earthlings, der Band für die Solo-Shows von Eddie Vedder, und produzierte vor zwei Jahren auch „Earthling“, das Soloalbum von Eddie. So führt Pearl-Jam-Gitarrist Stone Gossard ein Beispiel an, die gelungene Zusammenarbeit mit Andrew Watt betreffend: „He encouraged me to play this little harmonic part almost like a The Cure melody.“

Die Gitarre durfte unter der Regie von Andrew Watt bei Pearl Jam also schon mal einen Touch New-Wave haben, oder der Bass fast ein wenig nach Peter Hook von Joy Division/New Order klingen. Auch dieser klare „five guys in a room“-Vibe, den das „Dark Matter“-Album ausstrahlt, wurde von Andrew Watt bestärkt. Und auch diesen Track ließ er zu oder kitzelte er heraus aus der Band: „Waiting For Stevie“, der Soundgarden-Moment am neuen Pearl-Jam-Album.

Für das letzte Album, das 2020 erschienene „Gigaton“, brauchte die Band ganze drei Jahre Arbeit. „Ihr nehmt euch immer so extrem viel Zeit“, meinte Andrew Watt also und schaffte es so, die Band ohne größere Vorbereitungen in das Tonstudio zu bekommen. Innerhalb von drei Wochen war dann aber alles fertig. Im Shangri-La Studio von Rick Rubin, wo etwa auch schon Jake Bugg oder Angus & Julia Stone aufnahmen. Das Studio befindet sich in Malibu nahe Los Angeles, und es ist für die meisten Musiker:innen offenbar nicht schwierig, sich dort wohl zu fühlen.

Das Gitarrespiel von Lead-Gitarrist Mike McCready und der Bass von Jeff Ament sind auf „Dark Matter“ virtuos. Die Stimme von Eddie Vedder klingt leicht anders als früher, nicht nur gereifter, sondern gar weiser. Sie ist voller Soul und Empathie - ein tolles Instrument neben den Instrumenten von Mike McCready, Stone Gossard, Jeff Ament und Matt Cameron. Diese Stimme kann auch Lyrics singen, die zwischendurch einmal so gar nicht poetisch sein wollen, zum Beispiel wenn es in „Running“ heißt „now I´m lost in all the shit you´re flushing“.

Last One Standing

Da werden aber nicht nur Dinge die Toilette hinuntergespült, nein, es gibt auch delikatere, gar elegische Momente, etwa den letzten Song am Album, „Setting Sun“, wo Eddie Vedder von einer verlorenen Liebe lamentiert: „There’s no such thing to fix a love gone wrong“, heißt es in diesem Folk-Rock-Song. Vieles ist Zerbrochenes auf der neuen Pearl-Jam-Platte, so ist etwa auch von einer „broken engine“ die Rede, im intensiven, dichten Song „Got To Give“, wo auch von einem „last one standing“ gesungen wird. Der Grunge-Überlebende Eddie Vedder blickt zurück auf damals, als Grunge abhob: auf die zwar idealistische, aber auch oft harte und bittere Szene von Seattle, in der es so viel Schmerz gab und die so viele Tote zu beklagen hat.

Also selbst wenn die Musik schlagkräftig und eingängig ist, die Texte von Eddie Vedder machen es einem meist nicht gemütlich. Aber es gibt auch Schönes, Geheimnisvolles: „She laid the book upon the desk, opened to the page I asked, ‚Could that be the one?‘, as she smiled and played a minor chord, in a key I never heard before, one song and it was done.“ Pop/Rock auf höchstem Niveau ist dieser Song namens „Won’t Tell“.

Ein bisschen Dad-Rock muss auch sein: „Something Special“ ist für die beiden Töchter von Eddie Vedder. Es geht um das Erwachsenwerden der Kinder - ob sie es schaffen werden da draußen in der Welt. „We believe in you“ singt Eddie in diesem dann doch etwas sentimentalen Track, seinem bisher vielleicht persönlichsten Song, but, hey, that’s ok.

„Dark Matter“ von Pearl Jam ist eine zeitlose Platte, trotz angesagtem Producer, der die Band wie bei einem Kurzstreckenlauf zu Höchstleistungen angespornt hat. 35 Jahre Pearl Jam also, und ein Ende sollte jetzt mit „Dark Matter“ so schnell gewiss nicht in Sicht sein.

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