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Sebastian Kurz und HC Strache

APA/ROBERT JAEGER

Sind die Pläne der neuen Regierung verfassungskonform?

Die Pläne der neuen Regierung schlagen Wellen. Auch in Kreisen von Verfassungsexperten sieht man manche Vorhaben kritisch. Verfassungsrechtler Heinz Mayer legt im Interview seine Sicht zu den schwarz-blauen Plänen dar.

Von Christoph „Burstup“ Weiss

Die neue Regierung ist angelobt. Sebastian Kurz ist Bundeskanzler, Heinz-Christian Strache der Vizekanzler Österreichs. In den letzten Tagen wird vor allem auf Social Media viel über die türkisblaue Koalition diskutiert, die in ihrem Regierungsprogramm ihr Vorhaben für die Zeit bis 2022 präsentiert hat. Darin enthaltn sich auch Punkte, die Verfassungsexperten als durchaus heikel ansehen. Der Verfassungsrechtler Heinz Mayer gibt uns vorab eine Einschätzung zu bestimmten kontroversen Punkten.

Christoph Weiss: Die neue Regierung ist angelobt. In den letzten Tagen habe ich auf Social Media wie Twitter viele Diskussionen über die Tatsache gelesen, dass sowohl Innen-, als auch Verteidigungsministerium in der Hand der FPÖ sind. Wie bewerten Sie das?

Heinz Mayer: Bei einer Alleinregierung, mit absoluter Mehrheit einer Partei, ist so etwas nicht zu vermeiden. In Koalitionsregierungen sollte man das allerdings vermeiden. Ein Verfassungsrechtler muss darauf hinweisen, dass die Macht im Staat so verteilt werden sollte, dass Missbrauch ziemlich schwierig ist. Das ist in diesem Fall leider nicht geschehen.

Inwiefern kann das problematisch sein?

Wir haben drei Geheimdienste, zwei davon unterstehen dem Verteidigungsminister, einer dem Innenminister. Der zuständige Minister kann die Posten in diesen Geheimdiensten nach Gutdünken besetzen und überall seine Vertrauensleute platzieren. Die sensiblen Informationen, über die diese Geheimdienste verfügen, kann man dabei durchaus missbrauchen. Ich erinnere an das Jahr 2000, als ein FPÖ-Gewerkschafter vertrauliche Informationen aus den Datenbanken der Geheimdienste abgesaugt hat, angeblich für den damaligen FPÖ-Politiker Jörg Haider.

Heinz Mayer

APA/HELMUT FOHRINGER

Heinz Mayer

Im Regierungsprogramm steht auch der Wunsch von ÖVP und FPÖ nach einer Verschärfung des Asylrechts. Hier sollen Grundrechte von Asylwerbern beschnitten werden, z.B. dass einem Asylwerber bei der Ankunft in Österreich das komplette Bargeld abgenommen werden soll, um damit die Kosten für die Grundversorgung zu decken. Ist das ein verfassungskonformer Eingriff in das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums?

Das Asylrecht ist zum Teil durch europäisches Recht geregelt. Der nationale Gesetzgeber ist verpflichtet, das europäische Recht umzusetzen. Asylwerbern ihr Bargeld abzunehmen halte ich für nicht zulässig. Ich glaube das hat man in Dänemark probiert.

Ein weiterer heikler Punkt ist, dass Ärzte teilweise von ihrer Verschwiegenheitspflicht entbunden werden, wenn bei Asylwerbern Erkrankungen entdeckt werden, die relevant für die Grundversorgung sein könnten?

Da sehe ich nicht unbedingt eine Verfassungswidrigkeit, aber es ist ein ganz bedenklicher Schritt zur Aufweichung des Arztgeheimnisses und das sollte man sich gründlichst überlegen. Möglicherweise ist es dann doch verfassungsrechtlich bedenklich, je nachdem wie weit man schlussendlich geht, weil man es als Eingriff ins Privatleben deuten müsste.

Zur Verwaltungsreform: ÖVP und FPÖ wünschen sich da eine Entflechtung der Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Welche Bedeutung haben diese Pläne ihrer Meinung nach, wenn man die Kompetenzen in diesem Bereich völlig neu organisiert?

Also jede Bundesregierung seit rund 50 Jahren hat sich ähnliche Wünsche zum Ziel gesetzt. Geschehen ist jedoch wenig und das liegt einfach daran, dass sich diese Reformen gegen Personen, Parteien und Mächte richten müssen, die ihre Macht nicht hergeben wollen. Das halte ich also für höchst schwierig. Ambitionierte Versuche sind begrüßenswert, ich halte aber die Chance, dass sich irgendwas wirklich Entscheidendes ändert für minimal.

Dafür braucht es im Parlament Verfassungsmehrheiten, wie ja auch im Punkt „Direkte Demokratie“ im Regierungsprogramm. Da gab es den ursprünglichen Plan, dass Volksbegehren in verpflichtende und bindende Volksbefragungen münden sollten. Der Endausbau dieses Vorhabens ist jetzt erst für 2022 geplant, mit vorheriger Testphase. Wie sehen Sie diese Pläne von Volksbegehren und Volksabstimmungen, vor allem hinsichtlich eines Automatismus, durch den Ergebnisse dieser Volksabstimmungen bindend sein sollen?

Also eine Aufwertung von Volksbegehren würde ich sehr begrüßen. Es sollte nicht möglich sein, dass man ein Volksbegehren, das von mehreren hunderttausend Menschen unterschrieben worden ist, einfach verräumt und im Parlament untergehen lässt. Den Automatismus halte ich allerdings für äußerst bedenklich. Das wäre nicht nur eine Gesamtänderung der Bundesverfassung, sondern das würde auch das Parlament schwächen. Und wir werden auch auf Dauer nicht ohne Parlament bestehen können. Wir sind eine repräsentative Demokratie. Wir brauchen einen funktionierenden Parlamentarismus. Und wenn man eine direkte Demokratie so ausbaut, dass man diesen Automatismus Volksbegehren-Volksabstimmung einführt, dann schwächt man das Parlament noch weiter, anstatt es zu stärken. Also diese Rufe „Mehr Demokratie durch Direkte Demokratie“ bedeuten genau das Gegenteil. Direkte Demokratie in diesem Sinn schwächt die Demokratie insgesamt.

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