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Helado Negro Portrait

Ebru Yildiz

Helado Negro: Das Private ist politisch

Der ecuadorianisch-amerikanische Musiker Helado Negro hat mit seinem sechsten Album „This is how you smile“ sein bisheriges Meisterwerk veröffentlicht. Am kommenden Sonntag spielt er als Support von Beirut im Wiener Gasometer.

Von Katharina Seidler

Roberto Carlos Lange wandert durch eine nebelige Landschaft. Diffuses Licht glitzert durch die Wolken, es riecht nach Morgen, und die Gedanken fließen. Der Nebel, den Lange unter seinem Alter Ego Helado Negro in dem Song „País Nublado“ besingt, ist aber nicht nur ein idyllisches Bild, auch wenn die Produktion, die entspannte Gitarre und Langes unendlich zärtliche Stimme es nahe legen könnten.

Nebelig und also auch: unsicher sind unsere Gegenwart und Zukunft, und in diesen Zeiten des Zweifels und der Unsicherheit bietet die Musik von Helado Negro Zuflucht. Mit ausgestreckter Hand eröffnet sie Traumwelten, die dennoch nie die Gegenwart draußen negieren – im Gegenteil, Lange ist ein explizit politischer Künstler.

„It’s my brown skin“ als Song zum Sonntag auf FM4.

Als Sohn ecuadorianischer Einwanderer setzt er sich in seinen Songs ausgiebig mit seiner eigenen Identität und Herkunft auseinander. Er befasst sich mit Rassismus, Polizeigewalt und Vorurteilen, den eigenen Zweifeln und Überlegungen in Hinblick auf Stereotypen. „Young, Latin & Proud“ heißt einer seiner Songs, ein anderer namens „It’s my brown skin“ ist eine Liebeserklärung an seine Haut, auch im direkten Sinne: „I love you.“

Helado Negro

Ebru Yildiz

Die ebenfalls in New York ansässige Musikerin Alynda Segarra aka Hurray for the Riff Raff hat den puerto-ricanischen Background ihrer Familie 2017 auf „The Navigator“ ebenfalls in Albumform verhandelt. Während die dystopische Welt zwischen Gentrifizierung und Ausgrenzung, die sie darauf entwirft, zu einer Geschichte über entschlossene Selbstermächtigung wird – „to my brothers and my sisters I say: Pa’lante! (vorwärts!)“ – findet das Empowerment bei Helado Negro auf einer anderen Ebene statt. Inmitten von Lärm und populistischem Geschrei wird self-care für Marginalisierte zum politischen Akt, und so ruft auch Roberto Lange zum Innehalten auf. Nicht zufällig hieß sein letztes Album aus 2016 „Private Energy“; gefolgt vor einem Monat von dem monumentalen „This is how you smile“, seiner insgesamt sechsten LP unter dem Namen Helado Negro.

Kraft durch Schönheit

Der Titel von „This is how you smile” bezieht sich auf die Kurzgeschichte „Girl“ der antiguanisch-amerikanischen Schriftstellerin Jamaica Kincaid, in der eine Mutter, ebenfalls mit Migrationshintergrund, ihrer Tochter Ratschläge für das Leben gibt:

this is how you sweep a corner; this is how you sweep a whole house; this is how you sweep a yard; this is how you smile to someone you don’t like too much; this is how you smile to someone you don’t like at all; this is how you smile to someone you like completely

Das eingangs erwähnte “País nublado” von Helado Negro nun ist ebenfalls als Zwiegespräch zwischen Generationen, Eltern und ihren Kindern, zu verstehen. Carlos Lange singt dementsprechend abwechselnd auf Spanisch und auf Englisch. „Despacio te digo, porque nos falta un tiempo más“ („Langsam, sage ich zu dir, denn es fehlt uns an Zeit“) sagen die einen, später antworten die anderen: "And we’ll take our turn, And we’ll take our time, Knowing that we’ll be here long after you.“

Helado Negro "This is how you smile"

Rvng Intl.

Helado Negros aktuelles Album „This is how you smile“ ist am 8.3.2019 via Rvng Intl. erschienen.

Am Sonntag, 14.4.2019, spielt Helado Negro als Support von Beirut im Wiener Gasometer.

Die Nebel sind also sowohl Turbulenzen als auch Wolken der Erinnerung als auch bauschige safe spaces, in denen der Zuhörer zu sich kommen kann. Helado Negro wird dabei nie beliebig. Jeder Beat ist sorgfältig gesetzt, alle Saxofone und Flöten tropfen punktgenau und reduziert, und Langes Stimme vibriert ebenso elegant wie kunstvoll. Sie erzählt von flüchtigen Gespenstern („Fantasma Vaga“), von Bettwäsche aus Licht („Sabanas de luz“) und, immer wieder, von Freundschaft, der vielleicht wichtigsten Kraft im Kampf um Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. „Wir sind wieder zusammen“, dies schreiben sich derzeit auch die wiederauferstandenen Donnerstags-Demos auf die Fahnen, denn gemeinsam ist man weniger allein.

Obwohl Lange auf dem ganzen Album mit einer Fülle an Mit- und Gastmusiker*Innen arbeitet – alleine der Song „Seen my Aura“ führt zwei Gitarristen und drei Drummer in den Credits – bleibt alles schlank und luftig. Sufjan Stevens steuert auf der Instrumental-Miniatur „November 7“ ein sublimes Piano bei; die Abschluss-Soundcollage „My name is for my friends“ besteht überhaupt vollständig aus zusammengesammelten Klangschnippseln befreundeter Musiker*Innen wie Matana Roberts oder der Geigerin Jean Cook.

Der versponnen-verspielte Lo-Fi-Pop aus Helado Negros Anfangstagen ist einem entspannten Pop-Entwurf zwischen elektronisch und organisch gewichen. „That brown won’t go, brown just glows“, heißt es im Album-Opener „Please won’t please“, und ebenso glüht und leuchtet „This is how you smile” in seiner Gesamtheit, ein sanftes Manifest, ein sicherer Hafen.

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