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Julianna aus dem Computerspiel "Deathloop".

Arkane Lyon / Bethesda

„Deathloop“ ist ein wilder Ritt durch den ewigen Tag

Als ebenso cooler wie pflichtbewusster Security-Badass treten wir einer irren Zeitschleifensekte entgegen, die sich auf einer ehemaligen Militärinsel in einem immer wiederkehrenden Tag veschanzt hat.

Von Robert Glashüttner

Eine der ältesten Sehnsüchte des Menschen, die immer wieder oft und umfangreich ausgeschmückt in Fantasy- und Science-Fiction-Stories niedergeschrieben wird, ist die Zeitmanipulation. Die Zeit zurückdrehen und die eigenen Fehler korrigieren. Bestimmte Geschehnisse verhindern. Jemanden retten. Wieder ganz von vorne beginnen. Vermutlich können wir froh sein, dass das nicht wirklich klappt, weil es unsere komplette Existenz ultimativ auf den Kopf stellen würden. Doch als Idee ist es hochgradig faszinierend.

In „Deathloop“ steht allerdings nicht die große Idee, das Schwelgen und Staunen im Vordergrund, sondern pure Action-Unterhaltung. Das Game scheut sich nicht davor, laut, schrill und kurzweilig zu sein - und dieser Mut sorgt dafür, dass dieser brachial-komische Retro-Scifi-Egoshooter eines, wenn nicht sogar das Games-Highlight des Jahres ist.

Täglich grüßt der Hinterntreter

Wir tauchen in „Deathloop“ als Colt in eine sektenhafte Gruppe ein, die sich auf einer Insel verschanzt hat, wo sich ein Tag auf alle Ewigkeit immer wiederholt. Colt war früher Teil dieser fragwürdigen Gemeinschaft, doch aus unerfindlichen Gründen hat er nicht nur einen Großteil seines Gedächtnisses verloren, sondern sich auch von den anderen abgespalten. Er stellt sich nun den sogenannten Visionären (und ihren Anhänger*innen) entgegen, die die Zeitschleifeninsel erschaffen haben und will den Loop brechen. Das gelingt aber nur, wenn wir innerhalb des immer selben Tages – also innerhalb von 24 Stunden – alle acht sogenannten Visionäre ausschalten: die Masterminds dieses Ortes.

Schnell wird klar, dass es für diese Meisteraufgabe nicht großer Waffen und wilder Fähigkeiten bedarf - obwohl diese äußerst amüsant in der Anwendung sind und es viel Freude macht, die dekadent-amoralischen und ohnehin unsterblichen Deppen auf dieser Insel immer wieder zum Beginn der Schleife zurückzujagen.

Screenshot aus dem Computerspiel "Deathloop".

Arkane Lyon / Bethesda. Screenshot: Robert Glashüttner

Die Idylle täuscht.

Feels like Rapture:

„Deathloop“ erinnert visuell als auch spielerisch stark an das originale „Bioshock“: Hier wie da gibt es stylische Mode, Architektur und Einrichtungsgegenstände in der fast selben Zeitepoche (1960er Jahre) und da wie dort tritt man mit Waffen als auch seltsamen Fähigkeiten gegen eine anmaßend-dekadente, sektenartige Aussteigergesellschaft an, die sich wähnt, alles besser zu wissen.

Was wirklich zählt, ist Wissen - über uns, über unsere Gegenspieler*innen, über die Orte und Tageszeiten. Die Insel in „Deathloop“ (Blackreef) besteht aus vier Abschnitten, und jeden Abschnitt können wir zu einer bestimmten Tageszeit besuchen: morgens, mittags, nachmittags und abends. Naturgemäß ändern sich die Zustände der Orte zu unterschiedlichen Zeiten. Manche Gebäude sind etwa morgens geöffnet und abends geschlossen, oder man trifft bestimmte Figuren nur nachmittags. Die jeweiligen Visionäre müssen wir alle Schritt für Schritt am richtigen Ort zur richtigen Zeit erledigen. Doch bis es soweit ist, dass das zeitlich perfekt abgestimmte Todesballett beginnen kann und wir eine Chance haben, den Loop zu brechen, müssen wir erst alle notwendigen Informationen sammeln. Wo ist wer wann mit wem und in welcher Weise schalten wir sie oder ihn aus?

Pure Unterhaltung

„Deathloop“ ist aber alles andere als ein Detektivgame, sondern ein actionreicher, durchaus selbstironischer First-Person-Shooter. Das ist in Bezug auf das dahinter stehende Spieleentwicklerstudio Arkane Lyon nicht selbstverständlich, denn etwa mit der „Dishonored“-Serie hat sich die Firma eigentlich einen anderen Ruf erarbeitet. So ist man in ihren Games meist gewohnt, subtiler vorzugehen. Sprich: Schleichen und tricksen wird vom Spiel lieber gesehen und belohnt, anstatt in großem Getose in die Menge zu stürmen.

Screenshot aus dem Computerspiel "Deathloop".

Arkane Lyon / Bethesda. Screenshot: Robert Glashüttner

Kriegen wir alle innerhalb eines Tages?

Zeitschleifen sind 2021 ein großer Trend in Computerspieleen. FM4 hat dazu vor kurzem eine eigene Extraleben-Sendung ausgestrahlt.

Mit „Deathloop“ traut sich Arkane nun aber auch diese - zweifellos unsubtile - Methode mehr in den Mittelpunkt zu rücken (obwohl man weiterhin auch schleichen kann). Das sorgt für ein derart motivierendes, abwechslungsreiches, lustiges und cooles Erlebnis, dass man währenddessen den Eindruck hat: Das hier ist der erste und gleichzeitig beste Egoshooter, den ich je gespielt habe!

First-Person-Shooter für alle

Ebenfalls eine Freude ist der Mehrspieler*innen-Modus, der eigentlich ein Hybrid aus Single- und Multiplayer-Modus ist. Dabei spielen wir stets mit Julianna, Colts Gegenspielerin (und Ex), die ihn ebenso schätzt wie verachtet und über das ganze Game hinweg seine Sparringpartnerin bleibt. Spielt man alleine, ist Julianna einfach ein Computergegner, doch wer mutig ist, lässt es zu, das Online-Spieler*innen (aus der eigenen Freundesliste oder Fremde) ins eigene Game einstiegen und in einem vielseitigen Katz-und-Maus-Spiel Jagd auf uns machen. Umgekehrt können natürlich auch wir als Julianna in den Spielen der anderen aufpoppen und für ein bisschen Chaos sorgen.

Screenshot aus dem Computerspiel "Deathloop".

Arkane Lyon / Bethesda. Screenshot: Robert Glashüttner

Juliannas Wohnung

„Deathloop“, entwickelt von Arkane Lyon, ist im Vertrieb von Bethesda für PS5 und Windows erschienen. Wir haben es am 16.9. in der FM4 Spielekammerl-Show gespielt.

Zwar ist auch im Julianna-Modus ein Unterschied zwischen erfahrenen Spieler*innen und Einsteiger*innen bemerkbar, doch ist er hier wesentlich weniger invasiv als in üblichen Multiplayer-Shootern, die viele Gelegenheitsspieler*innen erst gar nicht angreifen, weil man weiß, dass man sowieso keine Chance hat. „Deathloop“ holt ganz prinzipiell den Egoshooter wieder ein bisschen aus dem Profibereich zurück und bringt ihn hin zu fantastischem Storytelling, großartigem Leveldesign, überdrehtem Humor und einer allgemeinen Lockerheit, die dieser Spielegattung mittlerweile oft fehlt. „Deathloop“ ist ein markanter Höhepunkt des aktuellen Computerspieljahres.

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