„The Last Duel“: Ridley Scott begibt sich ins Mittelalter
Von Christian Fuchs
Wie kann sich eine Pressevorführung eines heiß erwarteten Films, noch dazu in einem der tollsten Kinosäle Wiens, in eine kleine Vorhölle verwandeln? Wenn man, wie der Schreiber dieser Zeilen, mit einer Verkühlung in die Vorführung geht. Natürlich vollimmunisiert und mit einem negativen PCR-Test in der Tasche. Der lästige Reizhusten, der sich unter der Maske aufstaut, kennt trotzdem keine Pause.
Also höchste, angestrengte Konzentration, dass es es nicht zu einem lautstarken Ausbruch kommt, der die Kolleg*innen im IMAX empfindlich stören könnte. Und das ganze zweieinhalb Stunden lang. So lange dauert nämlich Ridley Scotts neuer Film.
Der Schöpfer von modernen Klassikern wie „Alien“ und „Blade Runner“ ist mit 83 Jahren unglaublicherweise umtriebiger denn je. Heuer legt Sir Ridley gleich zwei Filme vor. Auf das vielversprechende Modeindustrie-Drama „House of Gucci“ muss man leider noch eine Weile warten. Vorher begibt sich der Regisseur mit „The Last Duel“ aber noch ins finstere Mittelalter.
Walt Disney
Verarmter Ritter mit lächerlicher Frisur
Die Stimmung am Beginn ist grimmig, Gewalt liegt in der Luft, das Publikum aufgeregt. Ein Duell zwischen Leben und Tod in einer winterlichen Arena steht bevor, zwei Ritter kämpfen um ihre Ehre - und um den Ruf einer Frau. Bald krachen die Lanzen aufeinander, Pferde schreien auf, Blut spritzt.
Ridley Scott, dem wir ja auch Brachial-Epen wie „Gladiator“ verdanken, beherrscht die Kunst die perfekt geschnittenen Actionchoreographie. „The Last Duel“ beginnt mit dramatischen Bildern, die die Erwartungen schüren.
Noch bevor wir erfahren, wer im mittelalterlichen Frankreich das Duell gewinnt, spult der Film zurück. Wir sehen den Lauf der tragischen Ereignisse bis zu dem entscheidenden Moment des Kampfes, aus der Perspektive von Jean de Carrouges. Matt Damon spielt den verarmten Ritter mit lächerlicher Vokuhila-Frisur und prolligen Posen. Seine Hochzeit mit der schönen Marguerite de Thibouville soll den Kriegsveteranen zur Ruhe bringen. Jody Comer, die in „Killing Eve“ als Auftragskillerin brilliert, gibt die selbstbewusste Braut.
Walt Disney
Eine mittelalterliche #metoo-Story
Aber ausgerechnet Jacques Le Gris, sein Freund aus dem Schlachtfeld (ein dandyhafter und diabolischer Adam Driver) begehrt die Frau von Jean - und bringt ihn um sein restliches Vermögen.
„The Last Duel“ startet nach einer dreiviertel Stunde erneut, zeigt diesmal den Blickwinkel des Nebenbuhlers. Auch wenn man das Stilmittel der Flashbacks an diesem Punkt für ausgereizt hält, gibt es einen dritten Neuanlauf. Im interessantesten Strang des Films erfahren wir, wie Marguerite das gezeigte Geschehen erlebt hat. Eine mittelalterliche #metoo Story entfaltet sich, die von Missbrauch erzählt, von zwei grobschlächtigen Männern und einer Frau am Abgrund, angeblich auf einer wahren Geschichte basierend.
„The Last Duel“ verwandelt sich zwar im Finale in einen dringlichen Gegenwartskommentar, da ist es aber längst zu spät, um noch irgendwas zu retten. Zwei Drittel der fast dreistündigen Laufzeit nervt der Film mit Macho-Plattitüden und Game-of-Thrones-Klischees. Zugegeben, die sich anbahnenden Hustenattacken erschweren den potentiellen Filmgenuss meinerseits noch.
Walt Disney
Es hilft auch nicht weiter, dass Matt Damon im Wrestling-Look der 80er wie ein Kasperl aussieht. Oder dass es Ridley Scott überhaupt nicht gelingt, die Spannung über die ausgedehnte Länge aufrecht zu erhalten. Fantastisch, dass ein so großer Regisseur in seinen Achtzigern noch arbeitet, beeindruckend, dass er hier so ein riesiges Set dirigiert. Das macht dieses missglückte Historiendrama aber auch nicht besser.
Publiziert am 14.10.2021