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Literaturnobelpreisgewinnerin Annie Ernaux

Catherine Hélie/Gallimard

Wer ist Annie Ernaux?

Die Französische Schriftstellerin Annie Ernaux gewinnt den Nobelpreis für Literatur. Merkt euch schon mal ihr Gesicht – hat Zita Bereuter, unsere Leiterin der Literaturabteilung, gern gesagt. Jetzt erklärt sie uns, wer Annie Ernaux ist.

Von Zita Bereuter

Um Annie Ernaux zu verstehen, müssen wir bei der sozialen Herkunft beginnen. In Frankreich war und ist die Unterteilung in soziale Klassen immer sehr stark. Es gibt die Arbeiterklasse und das Bürgertum und die bleiben meist unter sich.

Annie Ernaux kommt aus der Arbeiterklasse in der Normandie. Ihr Vater war Knecht und hatte einen kleinen Laden mit einem Café. Annie Ernaux durfte ins Gymnasium, studierte und unterrichtete. Als junge Lehrerin wurde sie vergewaltigt. Viele Jahre später schrieb sie darüber in „Erinnerung eines Mädchens“.

Neuer Maßstab für autobiographisches Schreiben

In Romanen schreibt sie über ihre Herkunft, über diese sozialen Unterschiede. Und darüber, dass sie als Aufsteigerin ins Bügertum jetzt zum Klassenfeind der Eltern geworden ist. Dass sie durch ihre Bildung ihre Herkunft verlor. In „Eine Frau“ erzählt sie von ihrer Mutter, die sich mehr und mehr als ihre Hausangestellte verhält. In „Der Platz“ schreibt sie über das Leben des Vaters. In „Die Jahre“ widmet sie sich ihrer persönlichen Entwicklung. Diese und andere Werke von ihr sind großartig.

Annie Ernaux setzt im autobiographischen Schreiben einen neuen Maßstab. Sie erzählt schonungslos und radikal. Objektiv und distanziert. Und dabei leicht verständlich. In Frankreich wird sie groß gefeiert. Im deutschsprachigen Raum wurde ihr Werk abschätzig als „Frauenliteratur“ abgestempelt und vom Feuilleton ignoriert.

Das änderte sich, als vor wenigen Jahren die beiden schwulen Autoren Didier Eribon und Édouard Louis über ihren Ausbruch aus der Arbeiterklasse schrieben. Deren Bücher sind Bestseller und beide erwähnen als Vorbild immer wieder: Annie Ernaux.
In Folge wurde auch das Werk von Annie Ernaux neu herausgegeben und übersetzt (von Sonja Finck im Suhrkamp Verlag). Seither findet Annie Ernaux auch im deutschsprachigen Raum mehr und mehr Lesende. Mit dem überaus verdienten Nobelpreis für Literatur wird sich das erst recht steigern. Und das hat sie mehr als verdient.

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