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Cop & Che

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Der Cop und der Tschetschene: Wer sind Cop & Che?

Dass die TikTok-Stars Cop & Che aus so unterschiedlichen Welten kommen, macht sie so besonders. Zuletzt ist ein Buch über das unverhoffte Duo erschienen.

Von Aischa Sane

Überraschend pünktlich finden sich alle zur Lesung von Cop & Che in der bibliobox am Rand von Wien-Ottakring ein. Das ist eine neue kleine Buchhandlung mit großen Fenstern. Hier stehen die Bücher und Geschichten von People of Colour im Mittelpunkt. Es liegen schon Datteln und Pita bereit, weil die Lesung während des Ramadan stattfindet und viele der Anwesenden hier ihr Fasten brechen werden.

Cop & Che - die ungleichen TikTok-Stars zu Gast bei FM4 Auf Laut am 16.4.2024

Migrantenkid und Grätzl-Polizist: mit über 20 Millionen Views sind Ahmad und Uwe aus Wien-Brigittenau Tiktok-Stars. Bei Cop und Che stellt Ahmad, Migrantenkid mit tschetschenischen Wurzeln, die Fragen der Follower:innen - und Uwe, der Polizist, beantwortet sie.

Bei FM4 Auf Laut erzählen Ahmad Mitaev und Uwe Schaffer ihre Geschichte. Ab 21 Uhr auf FM4 und danach zum Nachhören im Player und als FM4 Auf Laut Podcast

So auch Ahmad, eine Hälfte jenes Duos, wegen dem alle gekommen sind. Er und der Grätzpolizist Uwe betreiben seit 2022 einen überaus erfolgreichen TikTok-Kanal, der sofort Anklang gefunden hat. Ihre Videos zählen 1,1 Millionen Likes und in der Kommentarspalte ist immer was los. Hier können Menschen alle möglichen Fragen abladen, die sie über Recht und Unrecht haben. Ein niederschwelliger Zugang zur Polizei, die vor allem für migrantische Jugendliche eher eine einschüchternde und unerreichbare Institution ist. Also kommt da allerhand zusammen: „Kann man für Böller werfen ins Gefängnis kommen?“, „Ist es erlaubt mit Freunden zum Spaß draußen zu ringen?“ oder auch „Kann mich Uwe bitte verhaften?“

Meistens nehmen sie im 22. Bezirk Videos auf, im Shoppingcenter oder auf der Donauinsel. Uwe ist dabei fast immer uniformiert unterwegs - authentischer Auftritt als Grätzlpolizist - und Ahmad begrüßt die Zusehenden regelmäßig mit einem "Salam alaikum“, bevor er ihre Fragen an Uwe richtet. Darin liegt auch der Pull - hier verstellt sich niemand, sondern die sind einfach wirklich so - und so kommen sie auch miteinander gut aus. Zu blöd ist ihnen keine Frage: Es ist ein Safe Space, wo niemand befürchten muss, von dem Cop zurechtgewiesen zu werden. Das ist wichtig. Räume, wo Jugendliche und die Vetreter:innen der Staatsgewalt derart offen miteinander kommunizieren können, gibt es nicht oft.

@ahmadtvie Antwort auf @anonyml 🐺👮‍♂️ Ist #ACAB #strafbar wenn man es am T-Shirt hat oder am Plakat im #Stadion ? Was macht die #Polizei was sagt das #Gesetz wie hoch ist die #Strafe ? Schreib uns deine #Meinung in die #Kommentare 👇👇 #CopUndChe #Kontrolle #Polizeikontrolle #Polizeieinsatz #Polizeigewalt #Beamtenbeleidigung #Spieltag #Fußball #Derby #Wien #Osterreich ♬ Originalton - a._mtv

Auf Augenhöhe

Ahmad und Uwe haben eine Plattform geschaffen, auf der Jugendliche und sonst auch alle anderen, die das möchten, anonym beraten und unterhalten werden. Mittlerweile gibt es auch eine Kooperation mit der Arbeiterkammer, regelmäßig kommen nämlich auch verschiedenste Fragen zum Arbeitsrecht.

Über diesen praktischen Nutzen hinaus sind Cop & Che auch ein Symbol - sie verkörpern Gegensätze, die Österreich sich nur schwer in einem Raum vorstellen kann. Um so schöner, wenn das gelingt. So ähnlich haben die beiden sich kennengelernt, bei einem Get Together in Wien-Brigittenau. Die tschetschenische Community und die Polizei sollten hier einander vorsichtig näher kommen.

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Ahmad hat davor Einiges gesehen, saß als Jugendlicher in U-Haft und hat sich dort radikalisiert. Heraus geholfen haben ihm Religion und Familie, in dieser Reihenfolge, wie er sagt. Wenn Teenager Stress suchen, aufmüpfig werden, die Grenzen mit dem Gesetz und der Polizei austesten, tun sie das nicht aus einer Laune heraus. Es steckt immer mehr dahinter als nur die Herkunft oder etwa ein unstillbarer Drang zum Fehlverhalten, weiß Ahmad. Deshalb macht er diese Arbeit mit Jugendlichen heute auf TikTok, aber auch offline als Trainer bei der Beratungsstelle Extremismus. Er möchte Jugendliche davon abhalten, sich islamistischen Organisationen anzuschließen, wie er es 2014 fast getan hat.

Zusammen kommt, was zusammen gehört

Ahmad und Uwe, der Grätzlpolizist und Wahl-Wiener aus der Steiermark, gerieten beim ersten Kennenlernen erst mal aneinander. Auch heute ist Ahmad nicht der größte Fan der Wiener Polizei, aber dieser stundenlangen Diskussion entsprang dieser TikTok-Channel, für den Uwe sich erst einmal monatelang eine Erlaubnis erarbeiten musste. Und die TikTok-User schätzen seine trockene, aber nahbare Art.

Die ganze Geschichte hat die Journalistin Edith Meinhart detaillierter in „Cop und Che - Wie ein Tschetschene und ein Polizist zu TikTok-Stars wurden“ niedergeschrieben. Die meisten Anwesenden bei der Lesung beobachten die gegenwärtigen Debatten zu Jugendkriminalität mit Sorge. Viele kommen selbst aus der Sozial- oder Jugendarbeit. Und sie halten aktuelle Ansätze zur Bekämpfung der ansteigenden Jugendkriminalität, wie etwa die Waffenverbotszone am Reumannplatz, für wenig nachhaltig: Wenn, dann überall.

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Jugendliche brauchen mehr als Strafe

Außerdem spielt die soziale Herkunft der Jugendlichen sehr wohl eine Rolle: Die Kids, mit denen die meisten arbeiten, kommen häufig aus Armut. Darüber hinaus erleben viele regelmäßig Rassismus oder werden anderweitig diskriminiert - auch in der Schule, auch im öffentlichen Raum. Und sie finden eben teilweise Anschluss dort, wo es gefährlich ist, wo sie abrutschen und andere in Gefahr bringen.

„Ich glaube, dass Werte wie Ehre und Respekt [in kriminellen Milieus] Synonyme sind für fehlende Möglichkeiten, sozial aufzusteigen“, sagt mir eine Anwesende bei der Lesung. „Da müssen wir was tun.“ Viele hier wünschen sich eine nachhaltige und unaufgeregte Auseinandersetzung mit Jugendkriminalität, die bei den Ursachen ansetzt. Sie befürchten, dass dieses durchaus reale Problem für Wahlkampfzwecke missbraucht wird. Ein Sozialarbeiter wünscht sich vor Ort mehr Polizeibeamte mit offenen Ohren und Sozialarbeit. Er befürchtet: „Wenn die Wahlen vorbei sind, ist wieder allen egal, was am Reumannplatz passiert.“

Cop & Che treffen sich derweil also irgendwo in der Mitte. Nicht, um einander zu bekehren oder von irgendetwas zu überzeugen. Sie bezwecken, dass irgendetwas weitergeht zwischen diesen Standpunkten. Dass die Leute jemanden zum Reden haben. Dafür muss Wertschätzung aufgebracht werden. Und ein ehrlicher Wille und die Ressourcen, sich mit den Beweggründen und Krisen des Gegenübers auseinanderzusetzen. Das sollte auch bei Jugendlichen funktionieren; eine Zuhörerin sagt es bei der Lesung von Cop & Che am besten: „Ich glaube, man kann genau in dem Alter Personen noch in die richtige Richtung lenken.“

Cop & Che - die ungleichen TikTok-Stars zu Gast bei FM4 Auf Laut am 16.4.2024

Migrantenkid und Grätzlpolizist: Mit über 20 Millionen Views sind Ahmad und Uwe aus Wien-Brigittenau Tiktok-Stars. Bei Cop und Che stellt Ahmad, Migrantenkid mit tschetschenischen Wurzeln, die Fragen der Follower:innen - und Uwe, der Polizist, beantwortet sie.

Es ist ziemlich ungewöhnlich, dass die beiden sich hier auf Augenhöhe begegnen. Edith Meinhart hat die Geschichte von Uwe und Ahmad aufgeschrieben und als Buch veröffentlicht. „Cop und Che – Wie ein Tschetschene und ein Polizist zu TikTok-Stars wurden“ ist kürzlich im mandelbaum Verlag erschienen und ein differenzierter Beitrag zur aktuellen Debatte um Jugendkriminalität.

Bei FM4 Auf Laut erzählen Ahmad Mitaev und Uwe Schaffer ihre Geschichte. Am 16.4.2024 ab 21 Uhr auf FM4, und danach zum Nachhören im Player und als FM4 Auf Laut Podcast.

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