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Jugendsprache? Nope, African-American Vernacular English

African-American Vernacular English ist ein Dialekt der Afroamerikaner*innen. Hip Hop und Social Media transportieren losgelöste Begriffe und sprachliche Wendungen schon seit Jahren ins Deutsche. Dabei geht unter, dass es sich um einen durchaus geschichtsträchtigen Dialekt handelt.

Von Aischa Sane

Seit 2008 wird in Deutschland jedes Jahr über das Jugendwort des Jahres abgestimmt. Daran, welche zehn Begriffe zur Auswahl stehen, lassen sich die sozialpolitischen und popkulturellen Entwicklungen des Jahres ablesen. 2011 wurde mit swag zum ersten Mal ein Begriff aus dem afroamerikanischen Sprachgebrauch zum jugendlichen Slangwort des Jahres gekürt. Das Wort beschreibt eine gelassene Ausstrahlung, die Siegerehrung ist eine selbstverständliche Vereinnahmung afroamerikanischer Sprache.

Seither sind in der engeren Auswahl immer wieder Begriffe aus dem sogenannten African-American Vernacular English vertreten. Heuer kann beispielsweise über goofy, side eye und slay abgestimmt werden. Side eye kann als eine verurteilende Haltung verstanden werden. Slay ist ein Dauerbrenner auf der Suche nach dem Jugendwort des Jahres: Es ist ein Kompliment, im Sinne von „du machst das großartig“. Und goofy bedeutet im Grunde „ignorant“ oder „irgendwie dumm“.

Thank God for Hip Hop (and Socials)

Die Reise der Sprache aus den Schwarzen Communities der USA nach Europa begann aber sicher nicht erst 2011. Wenn The Fugees, OutKast, Coolio und Run-DMC schon in den 90ern und frühen 2000ern in den österreichischen Charts mitmischten, dann mussten auch die dazugehörige Sprache und der Style hier Anklang finden.

Eine fast schon beiläufige Popularisierung vereinzelter Worte und sprachlicher Wendungen geschah dann über die gängigsten Social-Media-Plattformen. Früher waren das vielleicht Vine und YouTube, heute sind es Twitter, Instagram und vor allem Tik Tok. Häufig werden diese sprachlichen Entwicklungen unter den Labels „Gen-Z Language“ oder „Internet-Slang“ verbucht.

Die Linguistin Alexus Brown ist Doktorandin an der University of Pittsburgh und arbeitet an der Schnittstelle zwischen Soziolinguistik und Rapmusik. Sie erklärt, dass die Umgangssprache in der Rapmusik eine spezielle ist, die sogenannte Hip Hop Nation Language. Und: „Wenn man eine Sprache aus ihrem kulturellen Kontext herausnimmt, verliert man wichtige Teile der Interpretation bestimmter Wörter oder Sätze. Einige Gefühle kann man sogar nicht mehr nachvollziehen. Das ist bei jeder Sprache so, die in eine andere übersetzt oder einfach nur entlehnt wird“.

African-Americans

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We Us

Ein Gefühl, das sich bei der Entlehnung nur schlecht vermitteln lässt, ist die Zugehörigkeit zu einer gewissen sozialen Gruppe. Im African-American Vernacular English gibt es auch regionale Unterschiede. Das erklärt Tayla Myree, die aus dem Süden der USA kommt und in Wien lebt. Am Land wird langsamer gesprochen und weniger geflucht. Es ist eine von Eltern und Großeltern geprägte Sprechkultur. In der Stadt geht es schneller und frecher zu, das wurde Tayla beim Umzug nach Atlanta klar.

Hier in Österreich, losgelöst vom alltäglichen Kontext des afroamerikanischen Englisch, beobachtet Tayla: „Der Mainstream, also was ich bei Tik Tok höre, stammt viel aus der Schwarzen queeren Kultur. So was wie slay oder yas, queen. Das ist es, was ich im Internet höre.“

African-American Vernacular English schwappt also mit Hip Hop Tracks und dem popkulturellen Einfluss des queeren Afro-America zu uns herüber. Sowieso verschwimmen diese Grenzen dank der Popularität queerer und weiblicher Rapper*innen zunehmend.

Geschichte schätzen

Einen unbestreitbaren Ursprung afroamerikanischer Sprache gibt es aber in jedem Fall: Er liegt im transatlantischen Sklavenhandel. Versklavte Menschen fanden auf den Plantagen der Vereinigten Staaten Wege, sich trotz ihrer unterschiedlichen Muttersprachen zu verständigen. Mit den Sklavenhaltern, aber vor allem miteinander. Alexus Brown von der University of Pittsburgh erklärt, dass diese Geschichte der Selbstermächtigung bedeutend ist: „African-American Vernacular English ist aus einem Widerstand entstanden, der einzigartig ist für die Sklaverei in Amerika. Wer diese Einzelheiten kennt, wird eine besondere Wertschätzung für diese Sprache finden.“

Wer also den kulturellen Kontext des African-American Vernacular English kennt und dem Tribut zollt, wird sich laut Brown auch einfacher von der kulturellen Aneignung fernhalten können. In Wahrheit sprechen nur Menschen, die in dem entsprechenden sprachlichen und kulturellen Umfeld aufgewachsen sind, fließend African-American Vernacular English. Alle anderen leihen es aus. Und das sei in einem gewissen Ausmaß auch in Ordnung.

Tayla Myree stört es grundsätzlich nicht, dass African-American Vernacular English im Deutschen ankommt, weil Sprache sich eben ständig weiterentwickelt. Aber: „Es handelt sich nicht einfach nur um Internet-Slang. Leute, die ich kenne, und meine Familie sprechen so. Es gibt Menschen, die diese Sprache entwickelt haben und sie im Alltag verwenden. Also ist es nicht angebracht, sich darüber lustig oder einen Spaß daraus zu machen.“

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