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Lana Del Rey und ihr 9. Longplayer: leise, dennoch gebieterisch

Lana Del Rey ist mit ihrem neunten Studioalbum „Did you know that there’s a tunnel under Ocean Bvld“ bei den großen Fragen des Lebens angekommen. Kinder bekommen? Eine Familie gründen? Fragen der Gesellschaft, an denen auch die US-Pop-Ikone nicht vorbeikommt.

Von Eva Umbauer

Den ersten Song auf ihrer neuen Platte nennt die in Los Angeles lebende, gebürtige New Yorkerin Lana Del Rey „The Grants“, und mit diesem ein wenig gospelhaften Track sind wir eigentlich auch schon mitten drinnen im Album „Did you know that there´s a tunnel under Ocean Blvd“. Die Grants sind die Familie aus der Lana kommt, ihre Familie väterlicherseits. Ihren Vater liebt Lana, die ja eigentlich Elizabeth Grant heißt, und die ihr erstes Album „Lana Del Rey a.ka. Lizzy Grant“ betitelte, sehr, leider war ihr Verhältnis zur Mutter nie wirklich ein gutes.

Cover "Did you know that there's a tunnel under Ocean Blvd“

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„Did you know that there’s a tunnel under Ocean Blvd“ ist bei Universal Music erschienen.

Nicht zum ersten Mal kommt Lanas Mutter vor in ihrer Musik, da gab es etwa die Songs „Wildflower Wildfire“ und „Mommy“, und auch diesmal hadert Lana mit der Mutter, die früher einmal sagte, wenn sie so weitermachen würde, würde sie in einer Erziehungsanstalt landen. Lana Del Ray ist inzwischen fast 38 Jahre alt und die Frage der Mutterschaft, die die Gesellschaft den Frauen stellt, geht auch an ihr nicht vorüber.

„Will the baby be alright? Can I have one of mine? Can I handle it?“ Das fragt Lana Del Rey mit sanfter Stimme in „Fingertips“, einem der Songs von ihrem neuen Album. Auch Lanas Bruder kommt vor in „Fingertips“, diesem Song mit dem tollen Streicherarrangement. In der hinreißenden Piano-Ballade „Sweet“ fragt Lana einen möglichen Partner „about stuff that’s at the very heart of things“, wie sie singt, nämlich: „Do you want children? Do you wanna marry me? Do you wanna run marathons in Long Beach by the sea?“ Aber auch böse Gedanken gibt es da: „If you want some basic bitch, go to the Beverly Center“, fordert Lana Del Rey auf.

Lizzy Grant, pardon, Lana Del Rey - der Künstlerinnenname kommt von einem Ort in Florida, wo sie früher Zeit verbrachte, nämlich Delray Beach und von der großen Hollywood-Schauspielerin Lana Turner - bindet aber auch Menschen ein ihre neuen Songs, die nicht direkt zu ihrer Familie gehören, aber zu ihrem nahen Umfeld. So heißt einer der Songs „Margaret“, in dem Lana singt "He met Margaret on a rooftop. She was wearing white and he was like. ‚I might be in trouble.‘ He had flashes of the good life. He was like, ‚Shall I jump off this building now or do it on the double?‘. Jack Antonoff aka Bleachers singt mit bei „Margaret“.

Wie kam es zu diesem Song, der einer der schönsten am neuen Album von Lana Del Rey ist?

„September 2022 was the very last song I wrote. It’s a song called ‚Margaret‘, about Jack Antonoff’s fiancée. I was like, ‚You know what? I want to write a song for him.‘ It lands right in the middle of the album.“

Bei Margaret handelt es sich also um Margaret Qualley, US-Schauspielerin („The Leftovers“) und Tochter der Schauspielerin Andie MacDowell. Margaret ist die Freundin von Jack Antonoff, dem Producer von Lana Del Rey, der sich auch am neuen Album der Musikerin nie aufdrängt, sondern sich mitnehmen lässt, wohin ihn Lana Del Ray mitnehmen möchte. Er ist neugierig, und „Did you know that there’s a tunnel under Ocean Bvld“ ist ein gewissermaßen neugieriges Album, aber auch manchmal ein etwas erschöpft anmutendes, but that’s ok.

Erschöpfung aus vielerlei Gründen, eine Erschöpfung, die bei einem neunten Album vielleicht insgesamt nichts Ungewöhnliches ist, und Erschöpfung, die Corona mit sich brachte. Auf die Pandemie bezieht sich Lana Del Rey im Song „Peppers“, wo sie singt, „My boyfriend tested positive for COVID, it don’t matter. We’ve been kissing so whatever he has, I have.“

Den Albumtitel „Did you know that there’s a tunnel under Ocean Bvld“ klärte Lana Del Rey zuletzt im US-Magazin „Interview“ - im Gespräch mit Billie Eilish als Interviewerin - folgendermaßen: „I was spending a lot of time in Long Beach and I had read that there was a tunnel sealed up under the Jergins [Trust] Building. All of the mosaic ceilings were still perfectly preserved, but no one could get in.“

Und weiter meinte Lana in diesem Interview mit Billie Eilish: „I had also been listening to a lot of Harry Nilsson. He has this song called ‚Don’t Forget Me‘. That sentiment plus this man-made tunnel that was sealed up but was so beautiful, I liked the idea of putting them together. I knew right off the bat that that was going to be the title.“

Harry Nilsson, den Lana Del Rey im Interview mit Billie Eilish erwähnt, war ein US-amerikanischer Singer-Songwriter, der vorallem in den 1960er und 70er Jahren erfolgreich war, mit Songs wie „Without You“ oder eben „Don´t Forget Me“. Lanas Liebe zu großen alten Songs der nordamerikanischen Musik-Geschichte - von Pop über Soul bis zu Country und Folk -, kombiniert mit ihrem Gespür für die aktuellen Sounds der Populärkultur, machte sie zu dieser einzigartigen Figur des US-Pop, eine charismatische, authentische moderne Geschichtenerzählerin zwischen dem Klassischen und dem Experimentellen, die inzwischen wiederum nachkommende Musiker*innen wie eben etwa Billie Eilish inspiriert hat.

Wer hören will, muss fühlen - der FM4 Musikpodcast

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FM4 Musikpodcast: Lana Del Rey: Wirkt der Hollywood Sadcore immer noch?
Christian Fuchs und Christoph Sepin reden im FM4 Musikpodcast über die Karriere von Lana del Rey, über Tumblr Sad Girls, erfolgreiches Aussteigen, toxische Romantik, Filme von David Lynch, den American Dream, den American Nightmare und noch viel mehr. Am 30.3. im FM4 Musikpodcast und überall wo es Podcasts gibt.

„A & W“ ist ein komplexer, durchaus etwas verstörender 7-Minuten-Track und ein Herzstück vom neuen Lana-Del-Rey-Album, der Song „Kintsugi“ - das Wort kommt aus Japan und es handelt sich dabei um eine kunstvolle Art der Reparatur von Keramik - erinnert an Leonard Cohen, und da ist noch ein wunderschönes Duett mit Father John Misty am neuen Album von Lana Del Rey - „Let The Light In“, das den sogenannten Bakersfield-Sound der US-Countrymusik feiert.

Die Ursprünge des Bakersfield-Sound liegen in den Wanderungsbewegungen der 1930er und 1940er Jahre, als während der Depression in den USA und nach der Dust-Bowl-Katastrophe zehntausende armer Landarbeiter aus Oklahoma Richtung Westen zogen. Die sogenannten Okies suchten Arbeit in den Obstplantagen und Industriegebieten des reichen Kalifornien. Eines der Hauptansiedlungsgebiete war die Gegend rund um das 150 Kilometer nordöstlich von Los Angeles gelegene Bakersfield. Hier entstand eine lebendige Musikszene, die von der ländlichen Musik der Okies geprägt war. In den 1950er Jahren zog der gebürtige Texaner Buck Owens nach Bakersfield. Er hatte einen harten, an den Rock ’n’ Roll angelehnten Gitarrenstil. Der härtere und klarere Sound und die simplen Arrangements hoben sich deutlich von dem in dieser Zeit vorherrschenden weicheren Nashville-Sound ab.

Mit dem letzten Track am Album, „Taco Truck x VB“, recyclet sich Lana Del Rey - sie greift auf der neuen Platte öfter zurück auf ihr bisheriges Werk - selbst. „VB“ steht in diesem Songtitel für „Venice Bitch“, einem Stück von „Norman Fucking Rockwell!“. Jetzt ist es düsterer und härter als das Original.

„Did you know that there’s a tunnel under the Ocean Bvld“ ist nicht so gut wie das 2019er Lana-Del-Rey-Meisterwerk „Norman Fucking Rockwell!“, aber ein wenig in die Nähe kommt Lana damit gelegentlich schon. Es ist leise, aber dennoch meist gebieterisch. Lana Del Rey ist nach wie vor eine der faszinierendsten US-Pop-Künstlerinnen. Die Antworten auf die großen Fragen, um die es auf ihrer neuen Platte geht, hat sie auch nicht wirklich, aber im Song „Paris, Texas“, bei dem übrigens der US-Musiker SYML mitmacht, heißt es in einer Spoken-Word-Passage „So if you don’t know, don’t give up ’cos you never know what the new day will bring“. Genauso soll es sein. Thanks, Lana!

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