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Omar Haijawi-Pirchner (Leiter DSN) und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) anl. der Pressekonferenz "Präsentation des Verfassungsschutzberichtes 2022"

APA/EVA MANHART

Anschlagspläne am Volksstimmefest: Wie akut ist die Bedrohung von Rechts?

Ein verurteilter Rechtsextremist soll einen Anschlag auf das Volksstimmefest der KPÖ im Wiener Prater geplant haben. Informationen dazu kommen nur Stück für Stück an die Öffentlichkeit. Wir haben Rechtsextremismusexperten Bernhard Weidinger gefragt, ob die Bedrohungslage von rechtsextremen Gruppen zugenommen hat.

Von Paul Pant

Trotz der Brisanz des Falles hielten sich die Behörden lange Zeit bedeckt. Ein 78-jähriger Supporter der Identitären Bewegung Österreich/DO5, hatte geplant, mithilfe von Rohrbomben eine „rechtsterroristische Straftat“ durchzuführen. Bei der Hausdurchsuch wurde ein USB Stick mit möglichen Anschlagszielen und einer „Feindesliste“ gefunden.

Erst zwei Jahre später, im aktuellen Verfassungsschutzbericht, berichten die Behörden dann von einem möglicherweise vereitelten Anschlag auf das KPÖ Volksstimmefest 2021. Der Veranstalter, die KPÖ, versteht nun nicht, warum man über die Anschlagspläne nicht informiert worden sei. Auch dass die Informationen zu diesem Fall trotz diverser Anfragen, auch im Parlament, nur spärlich beantwortet wurden und es zwei Jahre lang keine Auskunft zu den konkreten Anschlagszielen gegeben habe.

Verurteilt wurde der 78-jährige Mann schließlich wegen NS-Wiederbetätigung, Verhetzung und Vergehen gegen das Waffen- und Suchtmittelgesetz. Er hatte mit seinem 48-jährigen Sohn eine Indoor-Plantage betrieben, mit Drogen gehandelt, dazu illegal Kriegsmaterial und Bestandteile für die Herstellung von Rohrbomben besessen. Außerdem fanden die Ermittler bei der Hausdurchsuchung Fan-Artikel der rechtsextremen Identitären, NS-Devotionalien und gerahmte Porträts von rechtsextremen Attentätern wie Franz Fuchs und Anders Breivik.

Auf der Feindesliste und als mögliches Anschlagsziel stand auch das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW). Rechtsextremismusexperte Bernhard Weidinger von DÖW sagt, dass auch er keine Kenntnis davon hat, dass sein Institut von den Behörden über die Bedrohungslage 2021 informiert worden wäre. Im Interview beantwortet er die Frage, wie gefährlich er die rechtsextreme Szene in Österreich aktuell einschätzt.

Laut Berichten stand auch das DÖW als ein mögliches Ziel auf der Feindesliste des verurteilten Rechtsextremisten, der mutmaßlich Sprengstoff-Anschläge plante. Wurde das DÖW darüber informiert?

Bernhard Weidinger: Mir ist nicht bekannt, dass die Institution informiert worden wäre. Gleichzeitig ist es natürlich nicht überraschend angesichts unserer Arbeit. Wenn ein Rechtsextremist eine Feindesliste erstellt, dann ist relativ naheliegend, dass das DÖW da auch drauf steht.

In den letzten Wochen gab es immer wieder Razzien und Hausdurchsuchungen vom österreichischen Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) in der rechtsextremen Szene. Es wird auch gesagt, dass die Ermittlungsverfahren wegen nationalsozialistischer Propaganda auf Social Media zunehmen. Registrieren Sie das auch?

Bernhard Weidinger: Also Teil unserer Arbeit ist auch, dass wir im Blick haben, was vor österreichischen Gerichten in einschlägigen Delikt-Kategorien passiert. Und insofern kriegen wir das auch mit und sehen da natürlich auch, dass es immer wieder Ermittlungserfolge gibt. Das ist erfreulich. Gleichzeitig, gerade wenn wir von Waffenfunden reden, muss man schon sagen, dass die Frequenz, in der die in Österreich auftreten und auch die Quantität und teilweise die Qualität an Waffen, die da gefunden wird - dann oft zusammen mit NS-Devotionalien - dass das durchaus besorgniserregend ist. Das ist jetzt ein Trend, der uns jetzt auch schon einige Jahre begleitet.

Es gibt ja den Vorwurf, dass der Verfassungsschutzbericht oft sehr schlampig recherchiert wird oder wurde. Wie sehen Sie das? Weil jetzt auch dieser Vorfall über das Volksstimme Fest erst im Nachhinein sozusagen nach außen gedrungen ist. Wird da einfach zu wenig genau informiert und recherchiert?

Bernhard Weidinger: Ich glaube, es sind grundsätzlich zwei unterschiedliche Fragen, was ein Verfassungsschutz weiß und was er in einen Bericht schreibt oder wie er die Öffentlichkeit darüber informiert. Man muss auch sehen, dass die österreichischen Verfassungsschutzberichte ganz anders aufgestellt sind als etwa die deutschen. Das hat auch mit dem unterschiedlichen Charakter der Institutionen zu tun. In Deutschland sind die sehr viel umfangreicher, sehr viel informativer. Aber hier ist ja in Österreich auch geplant, jetzt wieder einen eigenen Rechtsextremismus-Bericht einzuführen. Insofern gehe ich davon aus, dass sich da auch in punkto Information der Öffentlichkeit einiges verbessert. Was die Frage betrifft, warum über diesen Vorfall von 2021 nicht schon im letzten Verfassungsschutzbericht informiert worden ist: Das ist tatsächlich etwas, das ich Ihnen nicht beantworten kann.

Wie aktiv würden Sie die rechtsextreme Szene in Österreich aktuell einschätzen?

Bernhard Weidinger: Also im Großen und Ganzen wird man feststellen können, dass es in den letzten zehn Jahren zweimal bereits so was wie eine sehr stark zunehmende Dynamik der rechtsextremen Mobilisierungen gegeben hat. Also einerseits auf der Straße, aber andererseits auch was Online-Aktivismus betrifft. Das war einerseits im Gefolge der Migrationsbewegungen von 2015/2016 und andererseits während der Pandemie im Zuge dieser Protestbewegung, die nicht in ihrer Gesamtheit rechtsextrem war, aber die von Rechtsextremen sehr stark besucht und aufgeladen und teilweise auch getragen wurde. Insofern würde ich schon meinen, dass wir da - auch wenn diese Protest-Dynamik der Pandemie wieder abgeebbt ist - als Nachwirkung nach wie vor eine erhöhte Dynamik sehen.

Omar Haijawi-Pirchner (Leiter DSN) und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) anl. der Pressekonferenz "Präsentation des Verfassungsschutzberichtes 2022"

APA/EVA MANHART

Omar Haijawi-Pirchner (Leiter DSN) und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) bei der Pressekonferenz „Präsentation des Verfassungsschutzberichtes 2022“, am 12. Mai 2023

Hat sich in den vergangenen Jahren im Bezug auf das Gefahrenpotenzial etwas verändert? Also wenn Sie sagen, Waffenfunde und solche Dinge kommen jetzt immer wieder vor? Ist die Gefährdungslage größer geworden?

Bernhard Weidinger: Das ist jedenfalls mein Eindruck, also dass Waffenfunde eben in dieser Frequenz auftreten, das ist schon eine neue Qualität. Und ich meine die positivste Interpretation, die man davon haben könnte, ist, dass die Ermittlungen sehr erfolgreich verlaufen, dass die Behörden da sehr genau hinschauen. Insofern würde ich auch zu einem generellen „der Verfassungsschutz ist auf dem rechten Auge blind“ oder so nicht zustimmen, dass das ist definitiv nicht mein Eindruck. Aber natürlich werfen solche Funde dann auch immer die Frage auf, was es da möglicherweise noch eine Dunkelziffer gibt oder welche Funde da potenziell noch zu tätigen wären. Verbunden natürlich auch mit der Frage, inwieweit es dann wirklich isolierte Fälle von Einzelpersonen sind - die einfach für sich diese Waffen horten, sei es als Sammelleidenschaft, sei es aus kommerziellem Interesse oder oder sonst was - oder ob es da nicht doch zumindest teilweise Verbindungen in eine organisierte Szene gibt, ob es da organisatorische Hintergründe, Netzwerke gibt. Das ist sicher eine aus meiner Sicht sehr zentrale Herausforderung, auch an die Ermittlungsbehörden.

Ganz banal gesprochen: Gibt es da eine dauerhafte Gefährdung einfach und man muss sich der bewusst sein, wenn man eine politische Veranstaltung besucht?

Bernhard Weidinger: Dass es so was wie eine abstrakte Gefährdung bei Massenveranstaltungen gibt, das ist, glaube ich, inzwischen eh jeder Person bewusst. Zumal wenn es eine politische oder vielleicht auch eine politisch etwas umstrittene Veranstaltung ist. Natürlich mag man sich damit nicht abfinden. Ich glaube auch nicht, dass dass man jetzt davon ausgehen muss, dass man jetzt grundsätzlich nur unter Gefahr eine linke Veranstaltung in Österreich besuchen kann. Dass würde ich dann doch für Panikmache halten. Aber natürlich, in Zeiten eines international tätigen Terrorismus mit unterschiedlichen ideologischen Hintergründen ist eine gewisse Wachsamkeit beim Besuch von Massenveranstaltungen nie ein Fehler.

Wo tritt Rechtsextremismus in Österreich als konkrete Bedrohungslage in Erscheinung?

Bernhard Weidinger: Da gibt es natürlich verschiedene Ebenen, also einerseits die Online und die Offline-Ebene. Dann kann man es auch unterteilen in verschiedene Szene-Spektren. Es gibt eher traditionellere Segmente der Szene, wie zum Beispiel die Burschenschaften. Und dann gibt es die zumindest rhetorisch modernisierten, wie eben die sogenannten Identitären. Dann gibt es noch die klassisch neonazistischen Kreise, dann gibt es diese Szene der sogenannten Staatsverweigerer. Dann gibt es natürlich auch etwas, das man migrantische Rechtsextremismen nennen könnte, wie - vor allem in Österreich - den türkischen Faschismus in Gestalt der Grauen Wölfe. Also sehr unterschiedliche Äußerungsformen, auch unterschiedliche Aktionsformen, manchmal eher aktionistisch, wo es vor allem darum geht, Bilder zu produzieren, die man dann idealerweise viral weiterverbreiten kann. Teilweise geht es dann auch um die Masse, also wo man dann versucht, in möglichst große Zahl an Leuten auf die Straße zu bringen. Und neben all dem und in enge Bezugnahme darauf gibt es dann natürlich auch noch die parteipolitische Ebene, die halt in Österreich sicherlich die größte Relevanz in Gestalt der Freiheitlichen Partei hat.

Wie gut oder wie genau ist zurzeit die polizeiliche und auch geheimdienstliche Arbeit im Hinblick auf Rechtsextremismus in Österreich? Wird jetzt vielleicht wieder genauer hingesehen? Sie haben gesagt, das ist ein Beweis, dass man eben auf dem rechten Auge nicht blind ist. Also wird jetzt wieder genau hingesehen?

Bernhard Weidinger: Wie gesagt, in meiner Wahrnehmung ist es schon bislang nicht so, dass man weggesehen hätte. Wo man, denke ich, schon ein Missverhältnis orten kann, ist in der Frage, wie unterschiedliche Ereignisse oder auch unterschiedliche Ermittlungsergebnisse dann auf der politischen Ebene medial verarbeitet werden. Was man groß zum Thema macht und was nicht. Das sehe ich aber wie gesagt eher auf der politischen Ebene als auf der Ebene des Verfassungsschutzes selbst. Ich will es jetzt auch gar nicht so bewerten, aber mein Gesamteindruck ist, dass die Leute, die da arbeiten, ihre Arbeit ernst nehmen. Wobei es natürlich trotzdem weiterhin sehr wichtig ist und sehr begrüßenswert ist, dass es auch zivilgesellschaftliche Akteure und Akteurinnen gibt, die sich dieser Phänomene annehmen, die zum Beispiel Prozess-Beobachtung betreiben bei Verbotsgesetz Prozessen, wie die Leute von „Prozess Report“ wie die Leute von „Österreich Rechtsaußen“, die auch die ersten waren, die über diesen Fall berichtet haben, natürlich auch die Arbeit, die wir hier im Dokumentationsarchiv machen. Also Rechtsextremismus in Summe ist eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung und die Verantwortung, damit zurechtzukommen, kann man auch nicht nur den Verfassungsschutzbehörden umhängen, sondern das ist letztlich eine Verantwortung, die sich wirklich auch an jeden und jede einzelne richtet.

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