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Padam: Ist dank TikTok Schluss mit Ageism in den Pop-Charts?

Charterfolg ohne Airplay: Die 55-jährige Kylie Minogue hat genau das mit “Padam Padam” geschafft – denn TikTok schreibt die Regeln neu.

Eine Kolumne von Verena Bogner

“Wenn du ein paar Jahre älter wirst, wollen sie dich in den Müll werfen”: Aussagen wie diese kennen wir zum Beispiel aus dem Modelbusiness – in diesem Fall stammt sie jedoch aus dem Mund von Sängerin Kesha. Sie legt damit nahe, dass es für (Pop-)Artists ein Ablaufdatum gibt, sie in ihren Zwanzigern und Dreißigern von der Industrie, von Medien und Radiosendern gepusht würden, nur um sie später fallen zu lassen.

Verena Bogner ist freie Journalistin und Autorin und schreibt gerade an ihrem ersten Buch. Sie liebt Mainstream-Popkultur und findet, es gibt keine Guilty Pleasures.

Ageism, also die Diskriminierung aufgrund des Alters einer Person, kann männliche Artists genauso treffen wie weibliche. Bei letzteren greift dieser Mechanismus dennoch um einiges stärker: Ikonen wie Madonna werden nur allzu gerne auf ihr Aussehen reduziert, als verzweifelte Omas hingestellt, die mit allen Mitteln relevant bleiben wollen, während ältere männliche Artists regelmäßig als coole Haudegen geframed werden.

Bleiben wir aber bei weiblichen Künstlerinnen: Viele von ihnen werden schon ab Mitte 30 zum “alten Eisen” gezählt. BBC Radio 1, der große britische Radiosender, der sich an Hörer*innen zwischen 15 und 29 richtet und aktuelle, laut Eigendefinition “zukunftsweisende” Musik aus verschiedenen Genres spielt, muss sich hier immer wieder Vorwürfe gefallen lassen – zum Beispiel, als der Sender Songs von Katy Perry, Ellie Goulding, Shakira, Pink oder Rita Ora aus der Rotation nahm.

Der offizielle Grund: Die Musik dieser Sängerinnen passe einfach nicht zum Geschmack der Zielgruppe. Es hieß, es werde von Fall zu Fall individuell entschieden, ob ein bestimmter Song in die Rotation aufgenommen werde, wobei das Alter der Artists nie eine Rolle spiele. Zahlreiche Social-Media-User*innen waren da jedenfalls anderer Meinung. Es sei ein offenes Geheimnis, dass Radio 1 weibliche Künstlerinnen ab einem bestimmten Alter nicht mehr spiele, ist in zahlreichen Tweets zu lesen. Außerdem: BBC Radio 1 spiele viele weibliche Artists Mitte 30 nur dann, wenn sie auf Tracks von männlichen Künstlern wie David Guetta oder Calvin Harris gefeatured werden.

Um in Großbritannien einen Hit landen zu können, ist es jedoch fast unerlässlich, in eine der Radio-1-Playlists aufgenommen und somit regelmäßig gespielt zu werden. Dass es aber auch ohne funktionieren kann, hat jüngst Kylie Minogue mit ihrem viralen Hit “Padam Padam” bewiesen, der schon jetzt fixer Bestandteil der jüngeren TikTok-Meme-Geschichte und des queeren Pop-Sommers ist, wie nicht nur so einige “Padam”-Schilder auf der Vienna Pride zeigten. Obwohl sie mit “Padam Padam” erstmal gar nicht, dann nur sporadisch und vor allem nicht in der wichtigsten Playlist auf Radio 1 zu hören war, gelang ihr mit dem Song ihr erster Solo-Top-10-Eintrag seit über zehn Jahren.

Fans (und davon hat der Song viele!) sind sich sicher: Der Grund, warum “Padam Padam” keinen großflächigen Radio-Support bekam, ist Kylie Minogues Alter. Minogue, die 55 Jahre alt ist, singt in dem Song noch dazu über einen Flirt mit einem Fremden, der schließlich im Bett endet. Sowas gehört sich doch nicht für eine middle aged woman, oder?

Laura Snapes geht im “Guardian” noch weiter und legt nahe, dass Frauen es ab dem Alter, ab dem sie in unserer Gesellschaft nicht mehr als “begehrenswert” gelten, immer schwerer im Mainstream-Pop haben – und aus diesem Grund gerne als irrelevant abgestempelt werden. Immerhin erfüllen sie die sexistischen und toxischen Standards in Hinblick auf Attraktivität und Sexiness (natürlich stets durch den Male Gaze definiert!) möglicherweise nicht mehr so wie in jüngeren Jahren.

Wer TikTok auf seiner Seite hat, braucht kein Airplay

Ryan Tedder ist zum einen der Sänger der Band One Republic, aber auch der Mann hinter einigen der größten Pop-Hits der letzten Jahre – er steckt als Songwriter und Producer zum Beispiel hinter Beyoncés “Halo” oder “Rumor Has it” von Adele. Tedder sprach kürzlich in einem Interview über den Einfluss von TikTok auf die Musikindustrie – und der ist natürlich nicht nur positiv. Laut ihm werde es allein aufgrund der schieren Masse an Content zum Beispiel immer schwerer, einen Hit zu landen.

@danielswall Replying to @kaysoawsome The Problem Every Artist has #singer #songwriter #viralsong #viralvideo #eltonjohn #artist #sample #dualipa #hitsong #onerepublic #ryantedder #arianagrande #adele #beyonce #jonasbrothers #katebush #tiesto #fleetwoodmac #tiktokers #songwriting #musicproducer #popmisic #problem @Ryan Tedder @OneRepublic ♬ original sound - Daniel Wall

Aber Tedder findet auch: “Es gibt dank TikTok keinen Ageism mehr. Als ich angefangen habe, begann ab dem Moment, als du 30 wurdest, eine Uhr in Sachen Top-40-Relevanz zu ticken. Sieht man sich jetzt die musikalische Landschaft an, ist das anders: Der größte DJ der Welt ist 53. Elton John hatte gerade einen der größten Hits seines Lebens mit Dua Lipa. Oder seht euch Kate Bush mit ‘Running Up That Hill’ an.”

Auch Kylie Minogue nimmt diesen Shift wahr: “Ich finde die junge Generation interessant. Sie kennen kennen Ageism, ihnen ist es egal – und das ist so erfrischend. Sie sagen: ‘Wir lieben diesen Song, er ist ein Banger!’” Und das ist gut so. Denn etwas anderes gibt es zu “Padam Padam” auch wirklich nicht zu sagen.

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