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Die Ärzte am FM4 Frequency 2023

APA/FLORIAN WIESER

Du bist immer dann am besten, wenn’s dir eigentlich egal ist

Die österreichische Festivalkultur ist schon eine Sache für sich. Gedanken zum ersten Abend am FM4 Frequency Festival 2023.

Von Lisa Schneider

Reden hilft, immer. Reden über Dinge wie ärgerliche Line-Ups und Statements frei nach „Das schau ich mir sicher nicht an“. Reden mit Menschen, die Dinge blöd, und andere, die sie gut finden, reden mit Menschen, die das erste Mal auf ein Festival fahren, weil von Freund:innen mitgeschleppt, die dann das erleben, was man grob als „Festivalkultur“ umreißen kann. Wir sind in Österreich nicht superverwöhnt, was große Namen auf großen (Festival-)Plakaten angeht, es gibt Glücksgriffe, aber die sind immer subjektiv zu bewerten. Was ist gute Musik?

Reden also, immer. Reden mit Menschen, die gute Dinge sagen wie: Das FM4 Frequency ist ein Festival, das dir sagt, was zu tun ist, also ein bisschen Spaßhaben als Glücksverpflichtung. Du kommst hierher und bist dabei, da sind die Verhaltenscodes und die To-Dos, alle machen den Furchtbartanz bei „Can’t Hold Us“ von Macklemore, alle schmusen zumindest ein bisschen bei „1/2 Lovesong“ von Die Ärzte, alle wollen wieder mehr Emo sein als früher bei den Sets von Kennyhoopla oder Ekkstacy.

Das FM4 Frequency Festival hat gestern seine Tore im Green Park St. Pölten eröffnet, ausverkauft ist es eh schon wieder. Das Programm grätscht auch heuer wieder auf zwischen Namen, die man so vielleicht tatsächlich noch nicht gehört hat und denen, die das eh schon ewig machen.

Crowd @FM4 Frequency Festival 2023

Patrick Münnich

Dieses Festival ist außerdem, und das seit Jahren, ein guter Ort, um über Zynismus nachzudenken. Und über die Frage, wieviel Musik überhaupt gehört wird, generell, in Büros, daheim, in der Badewanne oder am Weg zum ersten Date. Eine handvoll Menschen nimmt sich vorbehaltslos das Recht heraus, zu sagen, was ausgezeichnet, und was das eben nicht ist, das sind dann die Menschen, die über Konzerte schreiben und Interviews führen und die nicht selten ein bisschen eingebildet durchs Leben gehen. Das ist so, wenn man eine Sache liebt und die verteidigen will, das ist Berufsethos und in keinem Bereich der Jobwelt anders. Zynismus hat aber auch mit Empathie oder eher ihrem Fehlen zu tun.

KennyHoopla

Patrick Münnich

KennyHoopla war’s auch ein bisschen heiß, Space Stage, früher, brennewarmer Nachmittag

Vielleicht ist das einer der wenigen oustanding features auf österreichischen Festivals, das funktioniert hier alles frei nach dem Volksfest-Motto, und die Musik ist nicht egal, aber schon manchmal ein bisschen, Augenzudrücken rettet Vieles. So liest sich auch das heurige Line-up. Was haben wir hier schon erlebt? Billie Eilish war da. Charli XCX war da. Yungblud war vor dem Riesen-Karriere-Boom da, Baby Queen war da, Oliver Malcolm auch und dann noch Lewis Capaldi und Gorillaz oder irgendwann sogar mal Kendrick Lamar. Acts, die man so in Österreich noch nicht oder lange nicht mehr gesehen hat, da wären wir bei den Glücksgriffen. Die Headliner vom Donnerstag waren Die Ärzte, Macklemore, Limp Bizkit und Alligatoah.

Unromantische Fragen obendrauf: Wieso ein System ändern, das offenbar funktioniert? Vielleicht sollte man, und das eh schon immer in den letzten Jahren, das FM4 Frequency Festival und sein Line-Up auch als Gesamtpuzzlestück im österreichischen Festivalsommer betrachten.

Dilla und ihre Crowd am FM4 Frequency Festival 2023

Philipp Carl Riedl

Draußen Sonne, drinnen Dilla

Das FM4 Frequency ist wie jedes Festival mehr als ein Line-Up, ein irrsinniges, rosarotes Zirkuszelt, Menschen kommen fürs Rundherum. Für die Ein-Tages-Tattoos für Mama, für die Trichter, für die überteuerte Pizza, für die Campingplatzpavillons, für die schrecklichsten Zeltnachbar:innen der Welt, fürs Zusammensein und vor allem fürs gemeinsame Feiern. Der Greenpark ist dahingehend ein Königreich, das an diesem Wochenende mit großer Leidenschaft regiert wird, und genau da findet eine Überwindung im Sinne von neuen Ideen statt. Niemand muss hierher, alle wollen.

Und dann sehen sie zum Beispiel Ekkstacy, der mal bei Blink 182 ganz genau hingehört und Dinge gelernt hat wie: Immer gut, mal ein langes Instrumental über die Fläche zu schicken und erst dann die zu Bühne betreten, da denkt jemand nach über die Idee vom Superstardom, es ist heiß, das Ramones-Shirt sitzt locker.

Ekkstacy

Patrick Münnich

Ein Foto ist eine ganze Geschichte, Ekkstacy am FM4 Frequency Festival

Macklemore @FM4 Frequency Festival 2023

Patrick Münnich

Alle Jahre wieder: Macklemore

Gestern Abend, nach dröhnendem Vollkörpereinsatz von Limp Bizkit, nach eh der hundertsten gemeinsamen, immer schön inklusiven Macklemore-Party, nach nu-schlageresker Euphorie bei Dilla, nach Coverversionen von „Creep“ und fast ein bisschen Yungblud, nach einem Auftritt der besten Band der Welt, den Ärzten (ich weiß nicht wie es geht), schleicht sich ein untypischer Gedanke von „Das geht sich schon alles irgendwie aus“ an.

So muss das sein, wenn man sich wünscht, man wäre ein Chor, einer mit vielen verschiedenen Stimmen und dann halt auch Vorlieben. Vielleicht ist’s frei nach Bela B das gute Motto von „du bist immer dann am besten, wenn’s dir eigentlich egal ist“, vielleicht ist das aber auch der Zynismus, den man immer loswerden wollen sollte, und vielleicht ist das einfach und schlicht auch nur Festival.

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