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IDSA bei der Ars Electronica

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Ars Electronica

Uni aus dem Versuchslabor

Die ARS Electronica hat schon viele Ideen angestoßen. Dieses Jahr denkt man über eine neue Uni nach. In Linz entsteht gerade das Institute of Digital Sciences Austria (IDSA). Auf dem Festival kann man dem Founding Lab zur Uni beim Entwickeln zusehen und zuhören.

Von Paul Pant

Das erste, das sich von der neuen Digitaluni im real life materialisiert hat ist Kunst. Studierende der Summer School des IDSA präsentieren Kunstprojekte neben einer „Transformation Lounge“ und einem öffentlich zugänglichen „Workshop Space“. Bierbänke, Kaffeeautomat, Elektronikinstallationen stehen unter und neben riesigen Metallrutschen, die sich durch die stillgelegte Postcity in Linz schlängeln. Früher sind hier Postpakete durchs Gebäude gewandert.

Im Founding Lab auf der ARS Electronica wird nun präsentiert, diskutiert, verhandelt. Und es werden vor allem Fragen gestellt: Wie soll die Universität der Zukunft aussehen? Wie können Freiräume in starren Uni-Strukturen abgesichert werden? Wie soll die interdisziplinäre diverse Wissenschaftscommunity in Linz verankert werden? Mit diesen Fragen beschäftigen sich die 78 Studierenden der Summer School. Angeleitet werden sie von 21 Fellows, einer Gruppe international tätiger Expert:innen und Wissenschafter:innen, die später auch am IDSA unterrichten sollen.

IDSA bei der Ars Electronica

Patrick Münnich

Das Institute of Digital Sciences Austria (IDSA) startet im Wintersemester 2023/24. Das IDSA solle ein „Living Lab für Lehr- und Lerntechnologien“ sein. Im Fokus der Lehre und Forschung sollen „Transformationsthemen zur Digitalisierung“ stehen.

Den freien Rahmen für das Future Lab hat sich das IDSA-Gründungskonvent durchaus erkämpfen müssen, berichtet Katja Schechtner. Sie und die weiteren Mitglieder des Gründungsteams sind für die inhaltliche Konzeption und Organisation der neuen Uni zuständig. Schechtner sagt, es war ihnen wichtig, dass die Studierenden und Lehrenden gemeinsam diskutieren und erarbeiten können, wie diese Uni der Zukunft aussehen soll.

„Wir gehen nicht mit einem Strategiepapier raus, das dann von Leuten geschrieben ist, die 60 plus sind und sich das vorstellen, wie sie es denn gern in ihrer Studienzeit gehabt hätten“, sagt Schechtner. Es gehe darum, mit denen zu reden, die jetzt in ihren 20ern sind und sie zu fragen, wie sie sich die Zukunft vorstellen. Einer dieser Studierenden ist Historiker Nathan Cornish. Der Oxford-Absolvent ist aktuell Doktorand an der Uni Uppsala in Schweden, sein Spezialgebiet ist Umweltgeschichte. Er sagt auf die Frage, was Studierende von einer idealen Uni wollen: das, was alle Menschen wollen würden. „To be able to live comfortably in an uncomfortable world.“

Es ginge darum schon in der Konzeption einer Uni immer mitzubedenken, dass Studierende einen „safe space“ brauchen. Denn auch in auf Leistung und Output getrimmten Systemen müsse man existieren können. „I think functionally a university will never work if the students can’t actually be healthy individuals in healthy communities”, sagt Nathan.

IDSA bei der Ars Electronica

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Architektin Luisa do Amaral aus Brasilien studiert in Südkorea Computational Social Science. Das menschliche Verhalten und Soziale Netzwerke stehen da im Mittelpunkt. Luisa sagt, dass die Studierenden nicht revolutionär Neues von einer Uni der Zukunft erwarten würden. Es gehe darum, Diversität und Inklusivität zu leben und nicht zu diskutieren, wenn man Antworten auf aktuelle Probleme finden wolle. „We are really approaching the time when we really have to do stronger efforts for a more equitable society. And we need to tackle the big structural problems, to tackle climate change. These things cannot really be resolved in the current context”, sagt Luisa.

Das Founding Lab besteht aus drei Teilen: Die „Summer School“ (bis 13. September), deren Ergebnisse im Rahmen des Ars Electronica Festivals beim „Forum“ vorgestellt und im Seminarprogramm des „Fall Term“ (Wintersemester 2023/24) vertieft bzw. angewandt werden. Von den 78 Studierenden der Summer School werden 25 eine Einladung für den Fall Term erhalten.

Dass von den Studierenden in den Workshops vor allem Fragen zu Ressourcen formuliert werden, ist bei Budgetnot und Ressourcenängsten an den heimischen Unis durchaus erwartbar. Selbst die Österreichische Universitätenkonferenz (Uniko) blickt skeptisch auf die Universitätsgründung in Linz. Die Kritik lautet, dass es bei den gravierenden Geldnöten der 22 öffentlichen und 17 Privatunis nicht auch noch eine Digitalisierungs-Universität brauche. Eine Sichtweise, die Dietmar Offenhuber, Professor an der Northeastern University in Boston, nachvollziehen kann, allerdings bestünde die Notwendigkeit nach einem neuen Institut wie dem IDSA. Hier sollte man nicht sparen, meint er.

Das akademische System in den USA sei viel pragmatischer und problemorientierter als in Europa, sagt Offenhuber. Es gebe eine höhere Bereitschaft zur Zusammenarbeit und mehr interdisziplinäre Forschungsprojekte. Ein Verständnis von Universität, das auch im IDSA umgesetzt werden solle. Offenhuber sagt auch, dass es rund um seine Stadt Boston allein 70 Unis gebe und dass mehr Unis mehr Möglichkeiten bedeute. In einem europäischen Kontext gedacht, brauche es mehr Austausch und Verbindungen, erklärt Offenhuber.

IDSA bei der Ars Electronica

Patrick Münnich

Eine Arbeitsweise, die das IDAS entwickeln will, ist projektbasiertes Lernen, erklärt Katja Schechtner. Auf der interdisziplinären Uni kämen unterschiedlichste Wissenschafter:innen und Künstler:innen zusammen. Eine Medizinerin, die für ein Forschungsprojekt eine App programmieren will, werde deswegen keine Vorlesung Grundlagen der Programmierung besuchen müssen. „Sondern wir widmen uns einem Thema, einer Fragestellung und praktizieren in den Kursen ein Learning on the Projekt. Das ist das Ziel“, sagt Schechtner.

Gestartet wird das IDSA vorerst nur mit einem Doktoratstudium. Ab 2025 kommt dann ein Masterstudium dazu. Einen eigenen neuen Universitätsstandort wird es in Linz aber vorerst nicht geben. Das IDSA wird am Campus der Johannes Kepler Universität seine erste Heimat finden.

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