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Foto des Werks "Verblassende Stimmen"

Sonja Höglinger

Ars Electronica

Verblassende Stimmen: Wie halten wir Erinnerungen fest?

Sonja Höglinger gewinnt mit „Verblassende Stimmen“ beim Prix Ars Electronica 2023 die Goldene Nica in der Kategorie „u19 – create your world“. Die Tonspur auf Textil ist ein Erinnerungsstück an einen verstorbenen nahestehenden Menschen und beschäftigt sich mit dem Verblassen von Erinnerungen.

Von Siri Malmborg

„Verblassende Stimmen“ ist eine Audiospur, aufgenäht auf einer zwei Meter langen beigen Stoffbahn. Sie hängt beleuchtet in einem sonst finsteren Eck der create your world-Ausstellung beim Ars Electronica Festival 2023. Sonja Höglinger aus St. Valentin hat mit diesem Projekt – ursprünglich Teil ihres Diplomprojekts - die Goldene Nica in der Kategorie u19 – create your world gewonnen. Die 18-jährige Absolventin der Linzer HBLA für künstlerische Gestaltung verarbeitet in ihrem Projekt „Verblassende Stimmen“ den Verlust einer nahestehenden Person.

„Ich beschäftige mich mit dem Thema Erinnerung, Erinnerungen an Stimmen und das Festhalten von Stimmen, die man nicht mehr hören kann, weil zum Beispiel die Person verstorben ist. Die Stimme meines verstorbenen Vaters“, sagt Sonja Höglinger. „Weil die Erinnerung an die Stimme sehr vergänglich ist, habe ich mir die Frage gestellt: Wie kann man Stimmen in Erinnerung halten? Ich habe dann festgestellt, dass es am besten funktioniert, wenn man sich typische Aussagen in Erinnerung ruft.“ Sonja Höglinger hat eine oft verwendete Aussage ihres Vaters eingesprochen, um die Tonfrequenzen zu bekommen, und diese dann mit einem Zick-Zack-Stich auf die Stoffbahn genäht.

Foto des Werks "Verblassende Stimmen" mit Künstlerin Sonja Höglinger

Siri Malmborg

Sonja Höglinger mit der Goldenen Nica vor ihrem Werk

„Ich hab lange überlegt, ob ich diese Phrase preisgeben soll oder nicht, und hab mir dann gedacht: Nein, eigentlich braucht es das für die Message überhaupt nicht“, sagt Sonja Höglinger über die zur Audiospur gehörende Phrase. „Es soll vielmehr so sein, dass der Betrachter selbst überlegt: Wen würde ich gerne wieder mal hören?“ Am Boden unter der Stoffbahn klebt ein weißer Schriftzug: „An wen denkst du? Hörst du die Stimme?“ Damit will Sonja Höglinger die Betrachter:innen dazu anregen, selbst nachzudenken. „Verblassende Stimmen“ ist von der Jury dafür gelobt worden, Analoges und Digitales zu verweben. Aus dem Jurystatement: „Sie spricht, ohne zu sprechen.“

„Tamina“: Der Sessel der Schönen

Beim Prix Ars Electronica in der Kategorie „u19 - create your world“ haben junge Menschen aus ganz Österreich Projekte und Ideen eingereicht. Neben der Goldenen Nica für Sonja Höglinger wurden auch Young Professionals-Auszeichnungen oder -Anerkennungen an 22 andere Projekte vergeben. „Tamina“ und „Isolation“ sind zwei Projekte, die es mit einer Young Professionals Anerkennung in die Ausstellung geschafft haben.

Goldener Sessel "Tamina"

Tom Mesic

Tobias Spinka steht vor seinem Werk „Tamina“, übersetzt „die Schöne“. Tamina ist ein aufwändig gepolsterter Sessel, tapeziert mit goldenem Samt. Es ist aber kein gewöhnlicher Sessel, er hat eine speziell geformte Sitzfläche.
„Die Sitzfläche gibt einen ganz bestimmten Körper vor, sodass nur Menschen mit diesem Körper und diesen Körpermaßen gemütlich darauf Platz nehmen können.“ Die Maße hat sich Tobias Spinka aus den Taillen- und Hüftmaßen von 21 weiblichen Celebrities errechnet.
„Der Beweggrund war jener, dass ganz viele Freundinnen und Freunde von mir mit Körperdysmorphie zu kämpfen haben und das einhergeht mit Anorexie, Bulimie und dergleichen.“ Ein Sessel für den scheinbar perfekten Körper.
„Natürlich ist es nicht möglich, sich als Unbetroffener da zu hundert Prozent hineinzufühlen, aber es ist schon ein sehr beklemmendes Gefühl, wenn man probiert, sich in den Sessel zu setzen.“

Mittlerweile ist Tobias Spinka 20 und hat gerade die Linzer HBLA für künstlerische Gestaltung absolviert. Dort hat er zwar den Umgang mit Holz gelernt, das Bauen, Polstern und Tapezieren eines Sessels hat er sich für das Projekt aber selbst beigebracht. „Ich hab die Liebe zum Tapezieren gefunden“, sagt Tobias Spinka. Dass er bei der Ars Electronica ausstellen darf, sei für ihn eine große Anerkennung: „Ich finde es cool, dass nicht nur ich als Künstler da Platz hab, sondern auch das Thema.“

Preisverleihung an Tobias Spinka bei der Ars Electronica

Siri Malmborg

Tobias Spinka bei der Preisverleihung

Das Game „Isolation“ war ein Aufwand von 11/10

Tim Horner, Matthias Eisenheld, Christian Qiu und Valentin Breunig haben das aufwändigste Projekt ihrer Schulklasse gemacht: „Der Prozess war vom Aufwand her elf von zehn“, sagt Matthias Eisenheld. Und das während der Matura-Zeit. „Isolation“ heißt das 3D-Puzzle-Adventure-Game, das beim Ars Electronica Festival 2023 eine Young Professional Anerkennung in der Kategorie u19 – create your world bekommen hat. In einer Raumstation wütet ein Monster, die Spieler:innen müssen als letzte überlebende Astronaut:innen durch das Lösen von Rätseln entkommen. Das von der Jury für den professionellen Look und „gewieftes Rätseldesign“ gelobte Spiel wechselt zwischen Puzzle-Segmenten, in denen man Rätsel lösen muss, und Segmenten, in denen man vor dem Monster fliehen muss. Zwei Mädels spielen seit einer halben Stunde das Spiel und sind begeistert: „Sehr schön gemacht, von den Visuals her. Und das Konzept mag ich auch. Ich war ziemlich überrascht, als sie uns angesprochen haben. Ich hätte nicht gedacht, dass das die Spielentwickler sind.“

Game "Isolation"

Siri Malmborg

Valentin Breunig ist der Programmierer und Level-Designer, Tim Horner hat Audio, Effekte und Team-Management gemacht, Matthias Eisenheld hat alles 3D-modelliert, texturiert und geriggt, und Christian Qiu ist der Concept Artist von „Isolation“. Die Entwickler haben die fünfjährige HTL Spengergasse in Wien absolviert und gamen selbst auch alle. Tim Horner: „Das ist auch wichtig für Referenzen und ähnliches, damit wir ein gutes Spiel entwickeln können.“ Inspiration in der Entwicklung von „Isolation“ waren die Spiele „Inside“ und „Little Nightmares“. Einen Artstyle hatten sie schon vor Augen: „düster, großer Fokus auf Atmosphäre und eher ins Realistische“, sagt Tim Horner. Das Spiel „Isolation“ kann man nicht nur in der POSTCITY während des Festivals spielen, sondern auch auf itch.io herunterladen und zuhause spielen.

Preisverleihung an das Team von "Isolation" bei der Ars Electronica

Siri Malmborg

Das Team von „Isolation“ bei der Preisverleihung

Die FM4-Spezialsendung von der Ars Electronica vom 8.9.2023 zum Anhören:

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