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Demo am 8. Juli vor einem Tunneleingang

Extinction Rebellion Vorarlberg

Klimaproteste in Vorarlberg gegen die „Tunnelspinne“

Vorarlberg ist in den letzten Monaten zu einem der Hotspots der Klimaproteste in Österreich geworden. Im Fokus der Proteste steht die „Tunnelspinne“ in Feldkirch, ein 300 Millionen Euro schweres Straßentunnelprojekt.

Von Simon Welebil

Die Bärenkreuzung liegt knapp außerhalb der Altstadt von Feldkirch. Gleich drei Landesstraßen kommen hier zusammen und schleusen jeden Tag etwa 50.000 Fahrzeuge durch. Menschen auf dem Weg zur Arbeit und zum Einkaufen, dazu jede Menge Schwerverkehr aus Liechtenstein auf dem Weg zur Autobahn.

Aktivist:innen an einer Straßenkreuzung

Radio FM4 | Simon Welebil

„Es ist ein Schandfleck. Zubetonierter Boden, wo Leute ihre Zeit verschwenden“, meint Marina Hagen-Canaval zur Bärenkreuzung, die man hauptsächlich als Klimaaktivistin für die Letzte Generation und in Vorarlberg für Extinction Rebellion kennt. Ihre Einschätzung der Bärenkreuzung als Unort ist in Feldkirch und Vorarlberg wohl mehrheitsfähig. Die Kreuzung ist ein Ärgernis für Auto- und Busfahrer:innen, die hier jederzeit mit Stau rechnen müssen, der in alle Richtungen hunderte Meter zurückreichen kann. Die Bärenkreuzung ist ein Lärm- und Feinstaubhotspot in Vorarlberg.

„Generationenprojekt“ in der Kritik

Schon seit den 1990er Jahren sucht die Politik nach Lösungen für die Bärenkreuzung. Diesen „Gordischen Verkehrsknoten“ könne man nun durchschlagen, indem man ihn unter die Erde verbannt. 2009 haben sich die Stadt Feldkirch und das Land Vorarlberg auf die Variante Stadttunnel geeinigt, besser bekannt als Tunnelspinne: Fast vier Kilometer Tunnel in vier Tunnelästen sollen durch einen Kreisverkehr mit 70 Metern Durchmesser verbunden werden. Über 300 Millionen Euro sind für dieses Projekt veranschlagt, bis 2030 soll daran gebaut werden.

Grafik zum geplanten Stadttunnel in Feldkirch

Radio FM4 | Simon Welebil

In einem eigens errichteten Infozentrum nennen Stadt und Land den Stadttunnel ein „Generationenprojekt“ und streichen all die Vorzüge des Tunnels hervor, von Verkehrsentlastung im Zentrum, Reduzierung der Staus und besserer Erreichbarkeit von wichtigen Einrichtungen wie dem Krankenhaus.

Für die Klimaaktivist:innen von Extinction Rebellion Vorarlberg ist die Tunnelspinne hingegen ein „fossiles Megaprojekt“: Einerseits, weil es viel Beton und Energie braucht, um diesen Tunnel überhaupt zu bauen, andererseits, weil er dann hauptsächlich von motorisiertem Individualverkehr genützt werden wird. „Es macht einfach keinen Sinn, mitten in der Klimakatastrophe weitere fossile Infrastruktur zu bauen“, sagt Marina Hagen-Canaval.

Aktivist:innen mit Transparent beim Landhaus in Bregenz am 4. Oktober

Extinction Rebellion Vorarlberg

Eine nur kurzfristige Lösung?

Außerdem wäre das jahrzehntealte Projekt auch nicht mehr zeitgemäß, weil es das ursprüngliche Problem, den Stau, gar nicht nachhaltig lösen würde. Zwar verspricht die Politik eine Reduzierung des Autoverkehrs an der Bärenkreuzung um ein Viertel, das würde sich aber laut dem Klimaaktivisten mit dem Nom de Guerre Rabatz nur kurzfristig einhalten lassen. Denn neue Straßen erzeugen mehr Verkehr. „Es geht maximal fünf Jahre, dann haben wir an der Bärenkreuzung denselben Verkehr wie heute“, vermutet Rabatz, und auch die Zubringerstraßen zum Tunnel würden dann verstopft sein. „Dann wieder vier Tunnels zu brauchen, das kann nicht die Lösung sein.“

Aktivist:innen mit Riesenspinne vor der Einfahrt zur Tiefgarage des Vorarlberger Landhauses in Bregenz am 4. Oktober

Extinction Rebellion Vorarlberg

Die Aktivist:innen werfen dem Land Vorarlberg Scheinheiligkeit und Doppelmoral in Bezug auf Klimaschutz vor. 2019 hat das Land den Klimanotstand ausgerufen und sich verpflichtet, jede Großinvestition auf Nachhaltigkeit zu prüfen. Bis Mitte des Jahrhunderts will das Bundesland auch energieautonom werden. Zu diesem Zweck will Vorarlberg unter anderem die Wegeanteile von PKW-Lenker:innen von 41 auf 34 Prozent reduzieren. „Wie soll das funktionieren mit so einem Projekt?“, fragt sich nicht nur Rabatz.

Ziviler Widerstand, weil alles andere schon versucht wurde

Der Protest gegen die Tunnelspinne in Feldkirch ist mit über 30 Jahren beinahe so alt wie die Planungen zum Tunnel selber. Er wird von einem breiten Bündnis getragen, dem unter anderen Bürgerinitiativen Naturschutzbund, Grüne oder SPÖ angehören. Mit aufwändig inszenierten Aktionen, Blockaden mit Klettergerüsten, Störungen im Landtag, der Grünfärbung von Kreisverkehren und Tunneln etc., hat Extinction Rebellion ihren Protest gegen die Tunnelspinne in den letzten Monaten in die sozialen Medien gebracht und ihren Aktionen mit dem Fokus auf die Klimakrise eine neue Dimension gegeben. „Wir sind der Feueralarm, um die Regierung aufmerksam zu machen, dass hier etwas wahnsinnig schief läuft“, sagt Marina Hagen-Canaval.

Der rechtliche Instanzenweg gegen die Tunnelspinne ist seit über einem Jahr ausgeschöpft, seit letztem Dezember wird an einem Erkundungsstollen gegraben. Für die Tunnelgegner:innen ist der Protest damit aber noch nicht zu Ende, sie setzen weiter auf zivilen Widerstand. Für den 15. November zur Mittagszeit haben sie zu einem Sit-in vor dem Landhaus in Bregenz aufgerufen.

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