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Letzte Generation

Ausgeklebt? Ändert die Letzte Generation ihre Strategie?

In Deutschland haben die Klimaaktivist:innen der Letzten Generation angekündigt, ihre Klebeaktionen einzustellen und künftig zu anderen Protestformen zu greifen. Gilt das auch für Österreich? Letzte Generation-Sprecherin Marina Hagen-Canaval im Interview.

Von Simon Welebil

Nach über zwei Jahren, in denen Klimaaktivist:innen in Deutschland mit Klebeaktionen Straßen blockierten, haben sie heute in einer Aussendung angekündigt, das Kapitel des Klebens und der Straßenblockaden zu beenden und von nun an in anderer Form protestieren zu wollen. Die Anzahl der Protestierenden mit der Letzten Generation hätte sich verhundertfacht, was ihnen neue Möglichkeiten eröffnen würde. Ab März wollen sie zu „ungehorsamen Versammlungen“ in ganz Deutschland aufrufen und auch Politiker:innen und andere Entscheider:innen vor laufenden Kameras verstärkt mit deren Verantwortung für die Klimakrise konfrontieren. Was bedeutet dieser Strategiewechsel der Letzten Generation in Deutschland jetzt für die unabhängige Schwesterorganisation in Österreich? Wir haben die Sprecherin der Letzten Generation Österreich, Marina Hagen-Canaval, dazu befragt.

Marina Hagen-Canaval

Andreas Stroh

Simon Welebil/FM4:Die Letzte Generation in Deutschland hat angekündigt, Straßenblockaden einzustellen und stattdessen andere Aktionsformen zu ergreifen. Wie sieht es denn diesbezüglich bei der Letzten Generation Österreich aus?

Marina Hagen-Canaval: Ja, wir in Österreich werden unsere Proteste ebenfalls weiterführen. Manchmal mit Kleber, manchmal ohne, wie zuletzt in Schladming. Auch wir entwickeln unsere Protestformen ständig weiter. Wir probieren Farbproteste aus, kreative Proteste, Eventcrashs und so weiter. Aber wir werden weiterhin ab und zu kleben in Österreich.

Was steckt hinter eurer Entscheidung beim Kleben zu bleiben? Was versprecht ihr euch davon noch?

Die Situation in Österreich und in Deutschland ist eine etwas andere. Das deutsche Projekt, das ja unabhängig von unserem ist, ist schon ein bisschen älter, die sind schon ein bisschen weiter als wir in Österreich, und die Repressionen sind einfach andere. Wir haben eben gemerkt, dass wir in Österreich sehr, sehr gut politischen Druck erzeugen können, indem wir mit überschaubaren rechtlichen Konsequenzen protestieren - auf der Straße, weil wir ein sehr, sehr gutes Versammlungsgesetz haben. Und deswegen werden wir das weiterhin tun. Zum Beispiel ist das Vernichtungsverbot von Neuware eine grundlegend vernünftige Forderung, wo man sich fragt: Warum haben wir das nicht? Dann hören wir auf zu protestieren. Aber so lange das nicht passiert, werden wir weiterhin auf die Straße gehen und das einfordern und bringen somit die Regierung in die Bredouille, indem wir den Alltag stören. Jetzt haben sie die Wahl: Entweder einfachste Maßnahmen einführen oder friedliche Menschen in den Kerker sperren.

Das heißt, ihr versprecht euch noch eine Wirkung vom vom Straßen blockieren.

Auf jeden Fall. Wir sehen es im Medienniederschlag, wir sind sehr datengetrieben. Wenn wir uns irgendwo auf einen Gehsteig stellen mit einem Schild, dann interessiert das halt einfach leider niemanden. Aber wenn wir einmal auf der Straße protestieren, dann gibt es entsprechende Medienberichterstattung. Entsprechend viele Menschen bekommen das mit und diskutieren dann auch mit. Und das macht einen Gesprächsraum in der Gesellschaft auf. Beim zivilen Widerstand geht es nicht darum, beliebt zu sein, sondern darum, die Menschen auf die tödliche Bedrohung aufmerksam zu machen.

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Anti/Letzte Generation

Ist es denn nicht so, dass bei dieser ganzen Diskussion um Aktionsformen die Inhalte zu kurz kommen, die ihr eigentlich transportieren wollt?

Wir sollten nicht darüber sprechen, ob es jetzt gut ist, sich an die Straße zu kleben oder nicht. Niemand möchte das tun. Wir tun es nur, weil es funktioniert. Aber viel wichtiger wäre, dass wir uns darüber unterhalten, was ein Leben bedeutet in einer drei Grad heißeren Welt. Das bedeutet Hungersnöte, Dürren, Extremwetter, nicht mehr versicherbare Sturmschäden, Wetterschäden, überschwemmte, untergespülte Häuser und so weiter. Es geht darum, das zu verhindern. Und deswegen wählen wir diese störende Protestform, die unbeliebt ist, einfach weil wir den Menschen sagen wollen: Hallo, bitte wacht auf, wir befinden uns in einer Notsituation!

Ihr seid Teil des internationalen A22-Netzwerks. Gibt es da so was wie eine gemeinsame Strategie?

Wir treffen uns regelmäßig und stimmen uns ab. Es gibt auch Überlegungen, eine internationale Strategie zu entwickeln und das macht auch Sinn, weil die Klimakatastrophe ist ja auch ein internationales Problem.

Wo stehen denn eure Strategiediskussionen bei der österreichischen Gruppe derzeit?

Wir wollen, dass das Klimathema das wichtigste Wahlthema wird. Und wir wollen auch bekannter machen, was der Klimarat gefordert hat. Zum Beispiel ein Vernichtungsverbot für Neuware, das heißt, Essen darf nicht weggeschmissen werden. Oder massive Investitionen in Gebäudesanierung, was zum Beispiel ärmeren Menschen zugutekommt.

Heißt das, ihr werdet in diesem Wahljahr auch verstärkt auftreten mit noch mehr Aktionen?

Ja, genau. Wir werden alle Parteien damit konfrontieren, dass ihre Wahlprogramme nicht ausreichen, um eine lebenswerte Zukunft zu sichern. Noch nie hatte eine Partei in Österreich ein Wahlprogramm oder ein Regierungsprogramm, das 1,5-Grad-tauglich war. Und das werden wir konsequent einfordern.

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