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Autor Lion Christ

Peter-Andreas Hassiepen

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„Sauhund“ von Lion Christ

Der Roman von Lion Christ beschreibt ein schwules Leben im München der 80er Jahre.

Von Martin Pieper

„Sauhund“ ist der Debütroman von Lion Christ, einem jungen deutschen Autor, der es 2021 auf Anhieb in die Top 3 des FM4 Kurzgeschichtenwettbewerbs Wortlaut geschafft hat, damals allerdings noch unter anderem Namen. „Sauhund“ erzählt die Geschichte einer schwulen Jugend, die in der bayrischen Provinz beginnt und im München der 80er Jahre endet.

Buchcover "Sauhund": Person in Nahaufnahme mit geschlossenen Augen

Hanser Verlag

„Sauhund“ von Lion Christ ist im Hanser Verlag erschienen.

Wer jetzt automatisch an die großen hedonistischen Ausschweifungen der Munich-Disco-Glamour-VIPs von Freddy Mercury bis Rainer Werner Fassbinder denkt, der wird mit diesem Sauhund nicht ganz glücklich werden. Statt einer glitzernden Retro-Nostalgie führt das Buch in eine weitaus realistischere schwule Welt der frühen 80er Jahren, in denen Kontaktanzeigen immer mit Sätzen wie „… 100 %ige Diskretion ist selbstverständlich“ enden, die Aids Krise via sensationalistischer Presse („Die schwule Seuche!“) in die Mainstream-Gesellschaft eintritt und an den meisten einschlägigen Bars noch Türklingeln für einen – heute würde man sagen – Safer Space sorgen.

Aus der Provinz nach München

Der Ich-Erzähler Flori hat gerade seinen Zivildienst beendet. Sein Leben spielt sich zwischen Feuerwehrfest, Bronski Beat und Elternhaus mit Thujenhecken-Idylle ab. Er arbeitet als Verkäufer in der bayrischen Provinz, genauer gesagt im Kreis Bad Tölz – Wolfratshausen und beginnt eine holprige Affäre mit einem alten Schulfreund, natürlich im geheimen.

Jimmy Somerville und seine Band Bronski Beat haben ein ähnliches Szenario im Song „Smalltown Boy“ in eine perfekte Synthie-Pop Hymne verwandelt. War die Smalltown von Jimmy Somerville noch ein Nest in Schottland und das überlebenswichtige Ziel London, heißt es für Flori: Ab nach München. Dort warten auf ihn plüschige Discos, Toilettensex, Klingelbars, verschämte Kontaktanzeigen, polizeiliche Verfolgung und auch jede Menge Alkohol. Über knapp 400 Seiten bleiben wir dicht dran an Flori, der durch diese fast schon untergegangene queere Welt mehr taumelt als geht.

Geschichten einer Selbstfindung

Wie präzise der in den 90er Jahren geborene Autor Lion Christ das schwule Leben im München der 80er Jahre beschreibt, ist erstaunenswert. Virtuos wird auch das bayrische Idiom im Text hörbar gemacht, ohne in blau-weiße „Bulle von Tölz" Klischees zu verfallen. Die popkulturellen Marker jener Ära, von Fassbinder bis Bronski Beat sind immer treffsicher und drängen sich trotzdem nie in den Vordergrund dieser eigentlich zeitlosen Geschichten einer Selbstfindung. Mit großer Zärtlichkeit schildert Lion Christ das Coming of Age seiner Hauptfigur. Dieser Flori ist kein politischer Kämpfer, manchmal verrät er seine besten Freunde, er erkennt die Liebe die ihm entgegengebracht wird viel zu spät und wenn gar nichts mehr geht, hilft immer noch ein kleiner Ladendiebstahl. Helden sehen jedenfalls anders aus. Oder anders gesagt: Dieser Sauhund ist einfach zum „abbusseln“.

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