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Dragon's Dogma 2

Capcom

Drachenfest mit kleinen Macken

„Dragon’s Dogma 2“ greift nach dem Open-World-Rollenspiel-Thron. So gelungen es auch ist, hat das japanische Drachen-Epos durchaus mit Schönheitsfehlern zu kämpfen.

Von Rainer Sigl

Der 2012 erschienene erste Teil ist ein ewiger Geheimtipp, der Nachfolger soll der ganzen Games-Welt zeigen, dass der Name „Dragon’s Dogma“ wert ist, in einem Atemzug mit „The Elder Scrolls“, „Elden Ring“ und „The Witcher 2“ genannt zu werden. Das japanische Open-World-Rollenspiel will 2024 das ganz große Publikum erreichen, das vor einem Jahr in „Baldur’s Gate 3“ versunken ist und sich mit Vorliebe in epische, frei erforschbare Rollenspielwelten stürzt, um dort gewissermaßen eine Parallelexistenz als Held oder Heldin zu führen. Dafür wird geklotzt.

Zeitgemäß hübsch und viermal so groß wie der Vorgänger ist „Dragon’s Dogma 2“, ansonsten hält sich Capcom ziemlich genau an die Blaupause des Vorgängers. Das beginnt bei der etwas generischen Fantasy-Welt, die - man möchte sagen: auf typisch japanische Art und Weise - hauptsächlich europäische Mythen unbekümmert vermischt und mit jeder Menge Mittelaltermotiven und -klischees präsentiert.

Könige, Zauberer, Drachen, Burgen: Zumindest im ersten großen Gebiet des Spiels ist großteils 0815-Fantasy das Thema, in späteren Gebiten kommt die Atmosphäre von 1001 Nacht dazu. Ein wenig langweilt das durchaus; originelle Variationen der Fantasy-Blaupause zeigen sich eher in Details.

Allein und doch gemeinsam

Auch spielerisch zeigt sich „Dragon’s Dogma 2“ erst auf den zweiten Blick erfrischend eigenständig und durchaus auch manchmal selbstbewusst sperrig. Statt eines Koop-Multiplayer-Teils gibt es nur indirekte Interaktion mit anderen Menschen, und zwar durch das „Pawn“-System. Diese Vasallen, vom Spiel vorgegeben oder aber von anderen MitspielerInnen global erstellt, lassen sich anheuern und machen die vierköpfige Abenteurergruppe komplett, in der der eigene Held, die eigene Heldin stets die Hauptrolle spielt.

Dessen Charakterklasse ist relativ flexibel wechselbar, neben diversen Standards wie Kämpfer, Zauberer, Dieb gibt es insgesamt zehn auch originellere Kombinationen. Das Aussehen der eigenen Spielfigur sowie des eigenen Vasallen lässt sich in einem Charakter-Editor erstellen, der neue Standards in Sachen Detailgrad setzt.

Dragon's Dogma 2

Capcom

Open World zum Selbstentdecken ...

Trotz Open-World-Charakters setzt „Dragon’s Dogma 2“ nicht auf die von Ubisoft & Co bekannten Patentrezepte, sondern beweist Eigenständigkeit: Die Laufwege zwischen den Schauplätzen dieses Abenteuers sind lang und gefährlich, die Nacht ist viel dunkler als in anderen Spielen und es gibt kein Minimap-„GPS“, das einem den richtigen Weg zeigt.

Das macht die gewaltige, detailliert gestaltete Welt zu einem atmosphärischen Ort, den man Stück für Stück selbst erforschen will; das Gefühl, auf einem virtuellen Vergnügungspark nur Symbole auf der Map abzugrasen, wird so erfreulicherweise vermieden. Die Kämpfe gegen gewaltige Monster, an denen man teilweise emporklettern muss, um sie zu besiegen, gehören neben dieser dichten Atmosphäre zu den Highlights dieses Spiels.

Bei einer derart großen Leinwand wird die Haupt-Story selbst fast zur Nebensache; wer Open-World-Klassiker wie „Skyrim“ & Co kennt, weiß, dass der überwiegende Teil der Spielerschaft deren Erledigung aber ohnehin nicht als besonders wichtig betrachtet.

Dragon's Dogma 2

Capcom

... mit kleinen Macken

Neben viel Licht gibt es durchaus auch Schatten in „Dragon’s Dogma 2“. Neben der generischen Welt ist es hier vor allem der anstrengend „heroische“ Tonfall der Figuren, der sich im Dauergeplänkel mit den KI-NPCs schnell als ermüdend herausstellt. Das Inventory-Management sorgt dank allgemein umständlicher Verwaltungsmenüs ebenso für Ärger wie schlecht erklärte Spielmechaniken und gelegentliche technische Probleme. Auch das ungeliebte Kopierschutzsystem Denuvo sowie die Entscheidung, nach dem ersten Spielstart keine simple Option zum erneuten Start ins Abenteuer bereitzustellen, sorgt für Irritationen. Zumindest Letzteres soll bald nachgebessert werden.

„Dragon’s Dogma 2“, entwickelt und im Vertrieb von Capcom, erschienen für Windows, PS5 und Xbox Series X/S.

Am emotionalsten reagierte das Publikum allerdings auf die optionalen DLC-Käufe, die „Dragon’s Dogma 2“ per Mikrotransaktion zur Verfügung stellt. Um ein bis vier Euro kann man sich nützliche Gegenstände, die im Spiel nur schwierig zu erlangen oder beschränkt verfügbar sind, dazukaufen. Das kann ein Schnellreise-Teleport sein, oder - besonders angefeindet - ein optisches Umgestalten des Aussehens der eigenen Spielfigur. Auch wenn diese Käufe letztlich völlig optional sind, sorgen sie vor allem beim PC-Publikum für Unmut - und für Review-Bombing auf Steam, wo „Dragon’s Dogma 2“ hauptsächlich aus diesem Grund schon wenige Stunden nach Release zeitweise „größtenteils negative“ Rezensionen erhielt.

Die Aufregung hat sich mit hastig nachgereichten Erklärungen und Nachbesserungsversprechen etwas gelegt. Zum Glück: Was bleibt, ist ein gelungenes Open-World-Epos, das die neue, große Bühne für ein klassisches, vielleicht sogar ein bisschen zu klassisches Fantasy-Abenteuer ist. Trotzdem: Vielleicht das Rollenspiel des Jahres 2024.

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