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Pexels / Ron Lach

Sephora Kids: Tweens als neue Zielgruppe der Kosmetikindustrie

Kinder, die Skincare-Videos auf Tiktok machen, Kosmetikketten stürmen und teure Hautpflegeprodukte sammeln als wären sie Spielzeug. Das Phänomen der Sephora Kids ist die extreme Variante der Entwicklung, dass sich zunehmend junge Leute mit Skincare und Beauty beschäftigen. Doch was haben Werbung und Social Media damit zu tun?

Von Siri Malmborg

„Get ready with me only using Drunk Elephant“, sagt die 7-jährige, US-amerikanische Haven Garza vom Family-Influencerinnenkanal @garzacrew auf Tiktok. „Let’s try my new serum that I got for my birthday. Oh my gosh. Let’s rub-a-dub-dub. I have to rate you ten out of ten. SO refreshing.“ Sie zeigt den 4.8 Millionen Follower:innen des Accounts ihre Hautpflege-Routine bestehend aus Serum, Feuchtigkeitscreme, Liquid Blush und Lippenbalsam - alle von der Marke Drunk Elephant. Das ist eine der Hautpflege-Brands, die unter den sogenannten Sephora-Kids besonders beliebt ist.

Haven Garza ist ein Extrembeispiel. Genauso wie die Kinder, die anderen Videos auf Tiktok zufolge die Tester-Produkte in Kosmetikgeschäften zerstören, Skincare- und Beauty-Produkte für 900 Dollar einkaufen und Kindergeburtstage in der Kosmetikkette Sephora feiern. In den USA ist das Phänomen der sogenannten Sephora Kids besonders extrem. Es ist so präsent, dass Brands Stellung beziehen und Dove etwa eine Kampagne gegen den Trend fährt.

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Auch in Europa kippen Kinder, Tweens und zunehmend jüngere Teenager:innen in Skincare und Beauty hinein. Zum Beispiel gibt es in Schweden jetzt in einer der großen Apothekenketten eine Einschränkung beim Verkauf bestimmter Hautpflegeprodukte an unter 15-Jährige. Die ist eingeführt worden, weil zunehmend junge Leute Pflegeprodukte mit Inhaltsstoffen wie Retinol oder Salicylsäure kaufen, die eigentlich für die Haut von Erwachsenen gemacht sind. Über diese Entwicklung machen sich nicht nur Dermatolog:innen Sorgen, sondern auch Psycholog:innen.

Social Media: Zwischen Aufklärung und Produktplatzierung

Die Teenager:innen vorm Douglas in Wien bekommen ihre Infos zu Skincare und Beauty via Social Media. „Es gibt einen Influencer, der erklärt immer die Inhaltsstoffe und nennt auch Sachen, die gut sind, aber auch leistbar“, sagt eine 18-Jährige, die ihren Vornamen nicht nennen will. Sie beschäftigt sich mit Skincare und Beauty, seit sie 13 ist. Ihre 17-jährige Freundin stimmt zu: „Es gibt eine Influencerin, die das alles chemisch erklärt und die Studien dazu erklärt. Da kann man das alles gut verstehen.“

Sie sprechen von Hyaluron-Masken, Retinol Serum und Cleansern mit Salicylic Acid. Die meisten der Teenager:innen wissen, dass manche Inhaltsstoffe recht harsch sind, die natürliche Hautbarriere beschädigen können und nicht auf der jungen Haut verwendet werden sollten. Ein Mädchen macht sich über das Phänomen der Sephora Kids lustig und sagt: „Ich bin 17, ich brauche nicht so viel, ich brauche keine Retinole. Gesicht waschen, Feuchtigkeitscreme und Sonnencreme, also UV-Schutz, und sonst sollte es passen.“

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Sie klingen aufgeklärt: „Ich achte auf die Inhaltsstoffe, dass es keine pore-clogging ingredients sind.“, sagt die 17-Jährige Julia. Die 14-jährige Verena schminkt sich, seit sie zwölf ist: „Ich schaue immer, ob Stoffe drinnen sind, die der Haut schaden. Bei Make-up zum Beispiel.“ Gleichzeitig ist ihnen bewusst, wie stark ihr Kaufverhalten von Social Media beeinflusst ist: „Ich habe bei Tiktok so ein Gesichtswasser gesehen, von Nø Cosmetics. Das habe ich mir dann auch gekauft, weil’s mir vorgeschlagen wurde.“, sagt die 14-Jährige Mina. „Man wird da sehr beeinflusst von den Medien, was man kaufen soll.“, sagt die 17-Jährige Julia.

Neue Zielgruppe für die Kosmetikindustrie

Auf Social Media gibt es eben nicht nur Aufklärung, sondern vor allem jede Menge Werbung und bezahlten Content von Influencer:innen. Die Beautyindustrie ist einer der größten Player am Werbemarkt, und via Social Media können Brands ihre Werbung maßgeschneidert und direkt an diese neue, zunehmend junge Zielgruppe ausspielen. Beate Wimmer-Puchinger vom Berufsverband Österreichischer Psycholog:innen: „Da geht es um Geld, um einen riesigen Markt. Und wenn die kleinen Mädchen jetzt auch schon anfangen, sie wollen die und die Schminke und den und den Lippenstift, dann vergrößert das den Markt natürlich noch mehr.“

Laut Tiktok- und Instagram-Nutzungsbedingungen darf man die Apps erst ab 13 nutzen, in Österreich laut Gesetz sogar erst ab 14. Altersangaben werden aber nicht kontrolliert und es gibt auch sonst genügend Workarounds. Die Generation Alpha wächst mit Handy und Social Media auf und ist in zunehmend jungem Alter nicht nur der Werbung, sondern auch den Schönheitsidealen und der Selbstinszenierung auf Social Media ausgesetzt. Kosmetikwerbung ist vor allem auf Mädels und Frauen gemünzt und trägt zusammen mit Influencer:innen zu Online-Bildern bei, die mitunter geschlechtsspezifische Vorurteile verstärken. „Das wird in eine Richtung forciert, die sehr viele Entwicklungsmöglichkeiten ausspart und reduziert schon quasi auf ein Ich als Ware“, sagt Beate Wimmer Puchinger.

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Die 22-jährige Daria spricht etwas an, das ihr bei jüngeren Leuten in ihrem Umfeld auffällt: „Durch Social Media muss man schneller erwachsen werden, weil da ja auch Sachen besprochen werden, die jetzt nichts für Kinder sind.“ Laut Beate Wimmer-Puchinger werden die Entwicklungsstufen sozusagen zusammengestaucht und wichtige Stufen übersprungen. Beate Wimmer-Puchinger: „Früher habe ich mich in der Klasse verglichen. Jetzt heißt es aber: ich möchte erwachsen sein, ich möchte so ausschauen.“ Die Teenager:innen vorm Douglas kennen das aus ihren Umfeld: „Meine Schwester setzt sich damit auseinander und sie ist zehn Jahre alt. Kinder vergleichen sich nicht mehr mit anderen Kindern, sondern basically mit Erwachsenen.“ Ein anderes Mädchen erzählt: „Leute, die jetzt elf sind, in der Schule zum Beispiel, die sind jetzt schon komplett geschminkt. Weil sie immer früher ein Handy haben und immer früher auf Social Media kommen und früher anfangen, sich mit anderen zu vergleichen, auf Tiktok oder so.“

Druck auf junge Mädchen

Es entsteht ein sozialer Druck, bestimmten Normen zu entsprechen, „gepflegt“ auszusehen - Stichwort Grooming Gap und Clean Girl Aesthetic - sowie ein eigenes Skincare- und Beauty-Regime zu haben, was mit hohen finanziellen Kosten einhergeht. Eine Teenagerin vorm Douglas erinnert sich: „Mit 13 war das voll der Druck: du musst voll viel verwenden und du musst die besten Sachen verwenden.“ Verena ist 14 und schminkt sich, seit sie zwölf ist: „Ich habe in der Schule gesehen, dass Mädchen anfangen sich zu schminken, da habe ich auch angefangen.“ Sie hat das Gefühl, zu viel Geld für Beauty auszugeben und schätzt die Menge ihrer Produkte auf die Größe eines Schuhkartons. „Angefangen habe ich wegen anderen Leuten, aber jetzt mache ich es für mich, aus Spaß. Ich gehe auch manchmal ungeschminkt raus.“

Dass kleinere Kinder mit Schminke spielen, hat es immer schon gegeben. „Das kennt man. Dieses sich ein bisserl verkleiden wollen und ein bisserl spielen wollen, als wäre ich jetzt schon erwachsen.“, sagt Beate Wimmer-Puchinger. Problematisch wird es dann, wenn es zur Marketingmasche wird: „Hier müssen wir eigentlich dringend Grenzen setzen und sagen: Stopp.“ Beate Wimmer-Puchinger fordert stärkere Regulierungen für Werbetreibende und Social Media-Plattformen, sowie mehr Medienbildung an Schulen. Und: Kinder sollen im eigenen Umfeld bestärkt werden. „Wichtig finde ich, dass man mehr und mehr die Persönlichkeit unterstützt. So wie du bist, bist du wunderbar. Je stärker mein Selbstbewusstsein ist für das, was ich bin, umso weniger bin ich natürlich anfällig.“

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