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Einige MusikerInnen des Protestlieds

Screenshot Youtube/7MinContreLeCFA

Musikalischer Protest gegen eine „koloniale Währung“

In mehreren Ländern West- und Zentralafrikas gibt es seit Jahrzehnten eine Gemeinschaftswährung: den CFA-Franc. Er ist ein Überbleibsel aus der französischen Kolonialzeit. Zehn Musiker haben kürzlich ein Lied gegen diese Währung geschrieben. Mit ihrer Kritik sind sie nicht allein.

Von Lukas Lottersberger

„Schluss mit dem Blabla - kein CFA-Franc mehr! Die Geschichte ist in Bewegung und niemand wird sie aufhalten“ - so beginnt der Refrain von 7 minutes contre le CFA, ein Lied von zehn Musikern aus sieben Ländern, das Ende Juni 2018 veröffentlicht wurde.

Warum ausgerechnet gegen eine Währung rappen und singen? „Der CFA-Franc ist ein neokoloniales Werkzeug, dass von Frankreich aus gelenkt wird“, sagt der togolesische Rapper Elom 20ce, einer der Interpreten des Songs. „Die Währung dient nicht unserer Wirtschaft und sie repräsentiert sie auch nicht“, kritisiert er.

Nicht nur von den zehn MusikerInnen wird Frankreich immer wieder vorgeworfen, die Länder der CFA-Franc-Zone auszubeuten, die wirtschaftliche Entwicklung kontrolliert niedrig zu halten und den politischen und militärischen Einfluss in der Region auszunutzen. Dass es den CFA-Franc weiterhin gibt, gilt KritikerInnen wie Elom 20ce und seinen musikalischen MitstreiterInnen als Beweis, dass eine echte Entkolonialisierung nicht stattgefunden hat.

Wie funktioniert diese Währung eigentlich und warum gibt es sie in dieser Form noch?

Das koloniale Erbe des CFA-Franc

Der CFA-Franc wurde von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich 1945 eingeführt. Die Abkürzung CFA stand ursprünglich für Colonies Françaises d’Afrique - also „Französischen Kolonien in Afrika“. Um die koloniale Vergangenheit zu verwischen, steht die Abkürzung seit der Unabhängigkeit für Communauté Financière Africaine (Afrikanische Finanzgemeinschaft) oder auch für Franc de la Coopération Financière en Afrique Centrale (Franc der Finanzkooperation in Zentralafrika).

Die Gemeinschaftswährung ist aufgeteilt in zwei Wirtschaftsräume und technisch gesehen auch in zwei Währungen: Der CFA-Franc BCEAO in den acht Ländern des UEMOA-Wirtschaftsraums und der CFA-Franc BEAC in den sechs Ländern des zentralafrikanischen Wirtschaftraums CEMAC.

Die Franc-Zone heute

Banque de France

Die heutige „Franc-Zone“ beinhaltet die ehemalige Kolonialmacht Frankreich, die zwei CFA-Zonen und die Komoren im Indischen Ozean. Der Komoren-Franc ist eine eigene Währung, die wie der CFA-Franc an den Euro gebunden ist.

Seit der Einführung war der CFA-Franc stets an den Französischen Franc gekoppelt. Das änderte sich auch nicht, als die CFA-Länder von Frankreich unabhängig wurden. Der Einfluss Frankreichs auf die beiden Wirtschafträume blieb bestehen, und als Frankreich den Euro einführte, wurde der CFA-Franc eben an diesen gekoppelt. Seitdem bekommt man für einen Euro 655,957 CFA-Francs.

Diese Koppelung bedeutet, dass der CFA-Franc nur bedingt auf- oder abgewertet werden kann - eben wenn auch Frankreich die Zustimmung dazu gibt. Der CFA-Franc wächst und schrumpft sozusagen mit dem Euro. Das macht die Währung zwar stabil und verglichen mit den Währungen in den Nachbarländern relativ stark. Das macht jedoch auch Exporte teurer - ein wirtschaftlicher Nachteil für diese hauptsächlich Rohstoffe exportierenden Länder. Mangels einer etablierten Fertigungsindustrie werden die meisten Fertigprodukte und Konsumgüter hauptsächlich aus dem Ausland importiert.

Frankreichs Einfluss wird auch deutlich, wenn man in die Verwaltungsgremien der zwei Zentralbanken der CFA-Zone blickt: Frankreich hat in der westafrikanischen Zentralbank BCEAO ein Vetorecht und in den zentralafrikanischen BEAC-Gremien müssen Entscheidungen einstimmig getroffen werden - können also auch von Frankreich blockiert werden. Zudem müssen die CFA-Länder die Hälfte ihrer Währungsreserven bei der französischen Zentralbank hinterlegen. Diese garantiert dafür, dass der CFA-Franc in andere Währungen gewechselt werden kann.

Kritik am CFA-Franc

„Die Probleme des CFA-Francs werden unter Experten und Intelektuellen schon lange diskutiert“, meint der senegalesische Wirtschaftswissenschafter Ndongo Samba Sylla. Er beobachtet den gesellschaftlichen Diskurs über den CFA-Franc seit mehreren Jahren.

Der senegalesische Ökonom Ndongo Samba Sylla

Screenshot YouTube

Ndongo Samba Sylla ist Wirtschaftswissenschafter in Dakar/Senegal und arbeitet dort für die Rosa-Luxemburg-Stiftung als Forschungs- und Programmleiter.

Sylla ist Koautor des Buchs L’arme invisible de la Françafrique - Une histoire du Franc CFA, das im September 2018 erscheint.

„Seit 2016 erreicht die Debatte eine breitere Masse, weil panafrikanische Bewegungen sich dem Thema widmen“, erklärt Sylla. Im Senegal setze sich etwa die Gruppe France Dégage für die „monetäre Souveränität“ der CFA-Staaten ein. Mehr Menschen wird also bewusst, in welchem Abhängigkeitsverhältnis sich ihre Währung und ihr Land befindet. Trotzdem gibt es noch immer genug BefürworterInnen, die meist die Stabilität der Währung unterstreichen.

Sylla ärgert es, dass die Debatte über den CFA-Franc zu häufig auf die Vor- und Nachteile heruntergebrochen wird: „Denn diese sind zwischen den sozialen Schichten extrem ungleich verteilt“, betont der Ökonom. Ein Beispiel: Von der vielbeschworenen Stabilität der Währung „profitiert hauptsächlich die politische und ökonomische Elite: die Manager der Zentralbanken und französische Unternehmen“, sagt Sylla.

Und während der Druck von unten wächst, verweigert der Großteil der politischen Elite - besonders in den zentralafrikanischen CFA-Ländern - die Diskussion. Den PolitikerInnen wird vorgeworfen, alles beim Alten belassen zu wollen, um ihre Macht und ihren persönlichen Wohlstand zu zementieren. Auf der anderen Seite behält Frankreich seinen Einfluss und wirtschaftliche Vorteile. Der französische Präsident Emmanuel Macron betonte jedoch 2017 bei einem Besuch in Burkina Faso, dass die Staaten jederzeit aus der Franc-Zone austreten können.

Umstrittener Protestführer

Eine der schillerndsten Figuren im aktuellen Kampf gegen den CFA-Franc ist der panafrikanische Aktivist Kémi Séba. Er hat die jüngsten Proteste gegen die Währung initiiert und führt die panafrikanische Bewegung Urgences Panafricanistes an.

Vergangenes Jahr verbrannte Kémi Séba in Dakar aus Protest medienwirksam einen 5.000-Francs-Schein (das entspricht etwa 8 Euro). Er wurde daraufhin verhaftet, kurze Zeit später wieder freigelassen und nach Frankreich ausgewiesen - Séba wurde in Straßburg geboren, seine Eltern stammen aus Benin.

Kémi Séba  verbrennt CFA-Geldschein

Screenshot Youtube

Der panafrikanische Aktivist Kémi Séba verbrennt einen 5.000-Franc-Schein

Séba ist nicht unumstritten: Der selbsternannte „Afrozentrist“ gründete in Frankreich eine radikale schwarze Bewegung namens Tribu Ka. Die mittlerweile verbotene Gruppe äußerte sich offen antisemitisch und Kritiker attestierten ihr „schwarzen Suprematismus“. Außerhalb Frankreichs und und Afrikas bekam Kémi Séba unter anderem Unterstützung vom ehemaligen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad und vom russisch-nationalistischen Ideologen Alexander Dugin.

In der Zwischenzeit tourt der polarisierende Aktivist durch zahlreiche Länder inner- und außerhalb Afrikas, um die Ideen seiner panafrikanischen Bewegung zu verbreiten - unter anderem die Idee der Abschaffung des CFA-Francs. Die von ihm initiierten Proteste gegen die Währung verschafften der Debatte darüber eine neue Dynamik. In einem UserInnen-Voting von africanews wurde der Aktivist mit großem Vorsprung zur Afrikanischen Persönlichkeit des Jahres 2017 gewählt.

Alternativen zum CFA-Franc

Elaborierte Lösungsvorschläge bietet das Protestlied 7 minutes contre le CFA in seinen sieben Minuten freilich nicht. Zwar lautet eine der letzten Zeilen „Our money should be gold, said Mr Ghaddafi“, was aber wohl als Metapher auf den Rohstoffreichtum Afrikas verstanden werden darf.

Wohin die Reise des CFA-Francs geht, sei sehr schwierig zu sagen, meint der Ökonom Ndongo Samba Sylla. Zwar gibt es Pläne, in der westafrikanischen Wirtschaftszone ECOWAS ab 2020 eine gemeinsame Währung einzuführen, doch Sylla glaubt nicht, dass dieses Vorhaben tatsächlich umgesetzt wird. Für den Wirtschaftswissenschaftler sind zwei Szenarien am wahrscheinlichsten.

Der nationalistische Weg

Das erste Szenario bezeichnet Sylla als den nationalistischen Weg: „Das heißt Ausstieg und die Einführung einer eigenen Landeswährung.“ Dieser Ansatz wurde etwa von Algerien und Vietnam gewählt, die in der kolonialen Vergangenheit auch der Franc-Zone angehörten. Auch Guinea, Madagaskar und Mauretanien kehrten einige Zeit nach der Unabhängigkeit zu eigenen Landeswährungen zurück.

Diese Option berge jedoch Gefahren, betont Sylla: „Frankreich hat dabei jedes Mal versucht, die jeweiligen Volkswirtschaften zu sabotieren.“ Nachdem sich Guinea dazu entschlossen hatte, eine eigene nationale Währung zu einzuführen, habe Frankreich versucht, falsche Banknoten in Umlauf zu bringen, so Sylla. Nicht nur deshalb berge diese Option Gefahren.

Die panafrikanische Perspektive

Die panafrikanische Lösung nennt Ndongo Samba Sylla als zweites Szenario. „Der erste Schritt dabei wäre der Austritt Frankreichs aus der CFA-Franc-Zone.“ Das heißt: Keine Hinterlegung von Reserven mehr in Frankreich, keine französische Vertretung in den Zentralbankgremien mehr. „Die afrikanischen Länder wären dann selbst für ihre Gemeinschaftswährung verantwortlich und diese Währung könnte man auch umbenennen“, sagt der Ökonom. Zudem fordert er eine Restrukturierung der Zentralbanken, damit diese „mehr Einfluss auf Entwicklung und Wachstum“ in der Region hätten.

Sylla plädiert für eine panafrikanische Lösung in der Art einer „Solidargemeinschaft auf Basis nationaler Währungen“: „Wenn man eine Landeswährung hat und diese gut ‚gemanagt‘ wird, erzeugt man eine gewisse Flexibilität innerhalb der heimischen Wirtschaft. Hat man eine einzige Währung in 14 verschiedenen Ländern, kann es dabei große Einschränkungen geben“, erklärt der Ökonom.

Sylla schlägt für diesen Fall vor, dass Fremdwährungsreserven der beteiligten Länder von einem Währungsfonds oder einer Zentralbank verwaltet werden. Mithilfe einer gemeinsamen Verrechnungseinheit könnte man die unterschiedlichen Landeswährungen konvertieren. „Das würde auch die Handelsbeziehungen zwischen diesen Ländern verbessern“, sagt Sylla.

Zukunftsmusik vs. Musik

Während diese Szenarien noch nach Zukunftsmusik klingen, wollen die InterpretInnen von 7 minutes contre le CFA derweil mit ihrer Musik mehr Aufmerksamkeit auf die Probleme im Zusammenhang mit dem CFA-Franc lenken.

Gut einen Monat nach der Veröffentlichung des Songs ist Elom 20ce mit der Resonanz zufrieden: „Es gab viele Fernseh- und Radio-Berichte und Diskussionen darüber. Auch französische und internationale Medien haben berichtet“, sagt der Rapper. Es sei klar, „dass sich die Situation nicht von einem Tag auf den anderen ändert. Doch was die Sensibilisierung betrifft, ist die Bilanz positiv und hier dürfen wir nicht aufhören“.

Es gibt kein Gemurmel mehr, sondern Rufe auf der Straße!

So lautet eine weitere Zeile des Refrains. Die Message ist klar: Weg von intellektuellen Zirkeln, hin zur breiten Masse. Dabei rufen die zehn KünstlerInnen von 7 minutes contre le CFA auch zur Interaktion auf: Unter dem Hashtag #FreestyleContreLeCFA sollen Verse und Rhymes von SympathisantInnen des Protests gesammelt werden.

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