FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Hochwasser Liezen 2012

APA/MARKUS LEODOLTER

Erster Klimanotstand in Österreich

Michaelerberg-Pruggern hat als erste Gemeinde Österreichs den Klimanotstand ausgerufen. Eine Reportage darüber, was ein kleiner Ort gegen die Klimakrise unternimmt und warum das Thema in der Masse oft auf Desinteresse stößt.

Von Lukas Tagwerker

Drei Tage lang feiert die Freiwillige Feuerwehr Pruggern ein rauschendes Fest. Das große Zelt am Kälberbodenweg bebt zum Bass. Das Gluckern der Enns gleich daneben hört nur, wer vom Zelt über den Parkplatz bis zur aufgestellten WC-Anlage spaziert. Als die kollektiv mitgesungene Songzeile „Wann ma lang so weiter hoazen brennt da Huat!“ in die Nacht hallt, ist das der einzige mögliche Hinweis darauf, dass in Michaelerberg-Pruggern diesmal etwas Spezielles in der Luft liegt: Am Tag vor Beginn des Feuerwehrfests hat der Gemeinderat den Klimanotstand ausgerufen.

„Sinnlos.“, „publicitygeil“, „Klimanotstand in der Südsee, ja. Aber bei uns? Kann ich mir nicht vorstellen.“ – Nicht alle Pruggerner*innen können die Ausrufung des Notstands nachvollziehen. Andere begrüßen den einstimmigen Gemeinderatsbeschluss als „ersten Schritt“. „Alle Achtung“, „ein Apell“, „ein Hilfeschrei vom Volk“. „Ernst ist es schon das Klima, es wird akut. Vor allem der Starkregen.“ „Es ist sonst oft das Problem, dass die Leute erst wachgerüttelt werden, wenn der Extremfall eingetroffen ist.“

Unwetter und Hochwasser

Einzelne Extremfälle hat die Gemeinde mit 1.164-Einwohner*innen durchaus erlebt. Ein Fest des Alpenvereins direkt am Sattentalbach ist Bürgermeister Hannes Huber in schlimmer Erinnerung. Durch intensiven Regen schwoll der Bach schnell an, im schießenden Wasser rumpelten die Felsbrocken bedrohlich. Zum Glück hat der Bach zwei Staustufen und zwei Geröllsperren. Diese vier Bauten haben Fließgeschwindigkeit und mitgeführtes Geschiebematerial zurückgehalten. „Das war unser Glück!“ sagt der Bürgermeister. Im benachbarten Kleinsölktal, wo es keine derartigen Bauten gibt, ist das Wasser mit aller Kraft aus dem Tal gekommen, der Schaden war entsprechend enorm.

Hochwasser Liezen 2012

APA/MARKUS LEODOLTER

Klimaschäden in Kleinsölk 2012

Seit März 2017 bietet ein Programm des Umweltministeriums besonders betroffenen Regionen die Möglichkeit, sich auf die Klimakrise „vorzubereiten“, sich „anzupassen“ sowie „die sich eröffnenden Chancen zu nutzen“. Die erste Klimanotstandsgemeinde Österreichs, Michaelerberg-Pruggern, ist in KLAR!-Klimawandel-Anpassungsmodellregionen mit den Nachbargemeinden Sölk und Öblarn zusammengefasst.

Engagement eines Einzelnen

Dass ausgerechnet Michaelerberg-Pruggern als erste Gemeinde den Klimanotstand ausgerufen hat, liegt vor allem am Einsatz von Ernst Schrempf, der den Gemeinderat überzeugt hat. Der gelernte Elektrotechniker und Hotelier hat gerade einen Vortrag über die global steigenden CO2-Konzentrationen gehalten. Jetzt telefoniert er mit einem befreundeten Christbaumzüchter, der das Wort „klimafit“ nicht mehr hören kann und wütend wird. Solange fossile Brennstoffe weiter gefördert und verwendet würden, gebe es keinen „klimafitten Wald“ schreit der Forstwirt. „Es is ois Schmäh! Es is ois sinnlos! Des geht nur von die Kapitalisten aus, die versuchen des auße zu zögern, dass no möglichst vü Göd mochn kennan! Wenn mia des ned abrupt umstellen, des mocht an Schnoiza, dass ma gach so schaun!“

Ernst Schrempf hat in seinem Betrieb, dem vielfach preisgekrönten Schlosshotel Thannegg, bereits vor Monaten den Klimanotstand ausgerufen. Der Techniker-Hotelier-Klimafachmann heizt sein Hotel mittels Grundwasserwärmepumpe. Jährlich spart dieses Gerät der Umwelt 60 Tonnen CO2. Warmes Abflusswasser aus den Duschen wird darüber hinaus zur Wärmerückgewinnung verwendet. Und am Bach neben dem Schloss steht ein hauseigenes Wasserkraftwerk, das ein Viertel des Strombedarfs abdeckt.

Klimaaktivist und Hotelier ernst Schrempf und der Bürgermeister von Michaelerberg-Pruggern Hannes Huber.

Lukas Tagwerker / radio fm4

Klimaaktivist und Hotelier Ernst Schrempf und der Bürgermeister von Michaelerberg-Pruggern Hannes Huber.

Bei der Klimawissenschafterin Helga Kromp-Kolb hat Ernst sich zum Klimaschutzbeauftragten weiterbilden lassen. Als er realisiert, dass seine einwandfreie Betriebs-CO2-Bilanz durch die Anreise von Gästen aus dem fernen Ausland wieder kaputtgemacht wird, beschließt er, deren CO2-Fußabdruck in die Bilanz des Hotels einzurechnen.

Mit der Ausrufung des Klimanotstands im Hotel trifft Ernst Schrempf eine bemerkenswerte Entscheidung: das Kontingent an Übersee-Gästen soll sukzessive auf null gesenkt werden. Gattin und Tochter, beide Mitgesellschafterinnen am Unternehmen, sind davon anfangs nicht amüsiert. Die Anreise von nur zehn Hotelbesuchern aus Australien allerdings mache die gesamte CO2-Einsparung der Grundwasserwärmepumpe zunichte, rechnet Ernst vor.

Mangelnde Wissenschaftskommunikation

Dass die Brisanz der Klimakrise trotz #fridaysforfuture von der Gesellschaft weiter unterschätzt wird, liegt für Ernst an mangelnder Wissenschaftskommunikation. „Diese Krise verläuft exponentiell, nicht linear.“ Ein Beispiel dafür ist der vom Hotel gepachtete Fischteich. Jedes Jahr verdoppelt sich hier eine neuartige Wasserpflanze wegen der steigenden Temperatur. Im 19.Jahr der Wasserpflanze ist der Teich zur Hälfte zugewachsen, sieht aber immer noch schön aus, Forellen und Saiblinge fühlen sich wohl. Ein Jahr später muss Ernst dutzende tote Fische aus dem Wasser rechnen. In dem Teich auf 900 Meter Höhe sind die Fische im vergangenen Hochsommer erstickt. „Das hat es bei uns im Ennstal noch nie vorher gegeben.“

Mit der Ausrufung des Klimanotstands will die Gemeinde sowohl ein Zeichen für die Bundesebene setzen, sich selbst mit ihrer kommunalen Energiepolitik als Vorbild empfehlen, als auch übers bisher Erreichte hinaus eine Selbstverpflichtung abgeben.

Am Tag nach dem Feuerwehrfest trägt der Feuerwehrhauptmann Franz Gruber mit seiner Mannschaft das Festzelt an der Enns wieder ab. Auf die Frage nach dem Klimanotstand gibt er die konkreteste Antwort: „Also wenn einhundert bis zweihundert Feuerwehrmänner gleichzeitig im Einsatz sind, dann bedeutet das schon etwas. Wir haben vor einenhalb Jahren im Sölktal Häuser evakuieren müssen, Brücken sperren, Personen, die abgeschnitten waren, irgendwie wieder zurückbringen zu Stützpunkten. Es war wirklich nicht einfach. Aber in der Masse der Feuerwehren ist es dann gegangen.“

FM4 Auf Laut: Klima-Aktvismus für alle?

Keine politische Bewegung hat in den letzten Jahren so viele Menschen mobilisiert wie die Klimaschutzbewegung. Wöchentlich gehen tausende auf die Straßen. Die überwiegende Mehrheit von ihnen sind besser gebildete, junge Menschen aus der oberen Mittelschicht. Gleichzeitig zeigen Umfragen, dass das Klima für viele Wähler*innen inzwischen oberste Priorität hat.

Wie breit und repräsentativ ist der Klima-Aktivismus? Wer macht mit? Welche politischen Facetten sind dabei repräsentiert und welche nicht? Ali Cem Deniz diskutiert mit Philipp Wilfinger von FridaysForFuture, Sybille Chiari von der Universität für Bodenkultur und Anrufer*innen.

0800 226 996 - Ruft an und diskutiert mit!

Diskutiere mit!

mehr Umwelt:

Aktuell: