Warum in Tirol sieben Menschen im Hungerstreik sind
Sedat kommt aus dem Irak. Seit 16 Tagen hat er nichts gegessen, er nimmt nur mehr Wasser zu sich. Damit will er auf die Situation im sogenannten Rückkehrzentrum am Bürglkopf in Fieberbrunn hinweisen. Wie auch die 39 anderen derzeit am Bürglkopf untergebrachten Menschen musste Sedat dorthin übersiedeln. Sedat lebte davor in Amstetten, er besuchte einen Deutschkurs, machte Freiwilligenarbeit. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, eines Tages stand die Polizei vor seiner Tür und erklärte ihm, er müsse nach Tirol gehen, dort habe er jetzt eine neue Adresse, berichtet Sedat. Drei Tage hatte er Zeit, um nach Tirol zu gelangen.

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Sedat möchte nicht erkannt werden.
Weit weg am Berg
Seit acht Monaten ist Sedat jetzt am Bürglkopf. Die Flüchtlingseinrichtung hier ist sehr umstritten. Sie liegt auf 1.250 Metern im Gebirge, vier Kilometer vom Ort Fieberbrunn entfernt, mit dem Auto sind es gut 30 Minuten Fahrt die Bergstraße hinauf. Das Land Tirol wollte die Unterkunft wegen seiner abgelegenen Lage bereits schließen. Dann stieg die Anzahl der Menschen, die in Österreich um Asyl ansuchten und das Innenministerium übernahm die Unterkunft.

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Die abgeschiedene Lage am Bürglkopf sieht idyllisch aus, ist aber für die Bewohner eine Belastung.
Die Abgeschiedenheit mache ihm große Probleme, er könne nicht schlafen, berichtet Sedat. Es gebe hier nichts, nur den Berg, kein Leben, keine Nachbarn. Im Winter gebe es nur Schnee, das sei für ihn schwierig gewesen. Im Gefängnis wisse man zumindest, wie lang man bleiben muss, hier wisse er gar nichts. Mit dem Hungerstreik will Sedat auf seine Lage aufmerksam machen, er sei verzweifelt und hofft auf eine Lösung.
Hilfseinrichtungen fordern Schließung
Keine Zukunft in Österreich
Am Bürglkopf sind Menschen mit negativem Asylbescheid untergebracht. Sie können beispielsweise wegen fehlender Dokumente nicht ausgewiesen werden und sollen freiwillig ausreisen.
Auch bei Hilfseinrichtungen sorgt die isolierte Lage des Rückkehrzentrums immer wieder für Kritik. Amnesty International sieht darin eine „böswillige Behördenwillkür“. Mit der abgelegenen Lage werde gezielt versucht, die Menschen zur freiwilligen Ausreise zu drängen, erklärt Heinz Patzelt, der Generalsekretär von Amnesty International. Die Einrichtung am Bürglkopf sei inhuman und menschenrechtswidrig. Sie sei auch nicht notwendig, es gebe in Österreich genügend Flüchtlingseinrichtungen, einige von ihnen seien mittlerweile auch geschlossen. Patzelt spricht sich für eine sofortige Schließung der Einrichtung am Bürglkopf aus und fordert den neuen Innenminister Wolfgang Peschorn auf, ein entsprechendes Zeichen zu setzen. Auch die Grüne Tiroler Landesrätin Gabriele Fischer hat sich für eine Schließung ausgesprochen.

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In Innsbruck wurde ein Protestzelt aufgebaut.
In Tirol hat sich Protest gegen die Unterkunft gebildet. Die drei Tiroler Organisationen „Plattform Asyl“, „Plattform Bleiberecht Innsbruck“ und „Fluchtpunkt“ haben eine Petition ins Leben gerufen, die bereits 3.000 Menschen unterschrieben haben. Sie fordern die sofortige Schließung des Rückkehrzentrums in Fieberbrunn und des Wiener Gegenstücks in Schwechat.
Schließung offenbar nicht geplant
Das Innenministerium lässt in seiner Stellungnahme keine Anzeichen für eine Schließung des Rückkehrzentrums am Bürglkopf zu erkennen. Die dort untergebrachten Personen hätten jederzeit die Möglichkeit, freiwillig auszureisen, und die Einrichtung sei auf einen zeitlich begrenzten Aufenthalt ausgelegt.
Sedat ist seit November am Bürglkopf. Ausreisen könne er nicht, sagt er, im Irak fürchte er um sein Leben. Er wolle den Hungerstreik fortsetzen, obwohl es für ihn und seine sechs Mitstreikenden immer schwieriger werde, auch wegen der Hitze des anbrechenden Sommers. Er hoffe trotzdem auf eine Lösung. Er brauche nichts vom Staat Österreich. „Wir wollen nur Freiheit“, sagt Sedat.
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Publiziert am 19.06.2019