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Kiki Heindl / VOLUME.at

Gossip in der Wiener Arena: „Punkrock saved my life“

Gossip haben gestern abend in der Wiener Arena den zehnten Jahrestag ihres Albums „Music For Men“ gefeiert, das ihren Übergang vom Punk zum Pop markiert, ihnen aber auch in Europa den großen Durchbruch gebracht hat.

Von Christian Pausch

„I’m gassy.“ Frontfrau Beth Ditto von Gossip ist in Topform. Wie immer lässt sie uns an all ihren Befindlichkeiten teilhaben und zeigt mit Leichtigkeit, wie menschlich man wirken kann, wenn man sich nur ein bisschen öffnet. Selbst auf einer Bühne, wo der Kontakt zum Publikum durch einen Security-Graben erschwert wird.

Schlagzeugerin Hannah Billie hat eine eigene Superfan-Gruppe, die in der ersten Reihe stehend, schon nach dem ersten Song alles signiert haben möchte. Doch Billie lässt sich nicht aus dem Takt bringen, selbst dann nicht, wenn ihre Bandkollegin sich in Monologen verliert. Kurzerhand nimmt sie das Mikro und sagt beschwichtigende Phrasen: „We love you, Vienna.“

Überhaupt wirkt die Band - verstärkt durch zwei Musiker an Bass und Keyboards - super happy über die Möglichkeit, mal wieder gemeinsam spielen zu können. Zehn Jahre „Music For Men“ bietet diese Gelegenheit. Das vierte und bis dato vorletzte Album von Gossip aus dem Jahre 2009 hat damals den europäischen Mainstream-Markt erobert, während es in den USA, dem Heimatland der Band, viel weniger wahrgenommen wurde.

Mit „Music For Men“ war ein für alle mal klar, dass Gossip keine Punkband mehr sind, die in Garagen und Hinterhöfen von Olympia, in Arkansas oder Portland die Leute zum moshen bringen. Schade, dass man sie hier, auf der anderen Seite des großen Teiches, erst so richtig wahrgenommen hat, als sie schon Pop gemacht haben.

Natürlich nicht alle, viele erinnern sich an energiegeladene kleine Punkshows von Gossip, auch in Österreich, noch vor den großen kommerziellen Erfolgen. In Anlehnung daran, wurde wohl auch die österreichische Vorband für diesen Abend gebucht: Lime Crush machen heute das, was Gossip einst gemacht haben: Punk. Den titelgebenden Satz dieses Artikels sagt Beth Ditto, nachdem sie ausgiebig über Lime Crush schwärmt. Da liegen ihre Wurzeln und irgendwie wirkt es, als würde sie sich danach zurücksehnen. Zum rohen, spaßigen DIY-Musikmachen.

Doch Pop-Shaming ist schon lange nicht mehr en vogue, die großen Hits dieses Albums - „Four Letter Word“, „Heavy Cross“, „Love Long Distance“ und (da steht es schon geschrieben) „Pop Goes The World“ - sind fantastische Songs, die an diesem Abend zwar von Beth Ditto gesungen werden, aber zu hunderten aus dem Publikum zurückschallen. „I wanna thank you for your cooperation“, heißt es doch so schön in „Love Long Distance“.

Das Beste an diesem Abend ist aber, dass die anderen Songs von „Music For Men“, die Songs, die keine Single-Rekorde gebrochen haben, die wo nur noch eine handvoll Leute mitsingen können, auch Raum bekommen. Der Opener „Dimestore Diamond“, der titelgebende Track „Music For Men“ oder „8th Wonder“, ein Highlight dieses Konzerts, in dem es um Homosexualität und Body-Positivity in gleichen Maßen geht, vielleicht die zwei stärksten Punkte im Gossip-Themenkatalog.

Dass sich Gossip ihrer Punk-Vergangenheit und ihrer Pop-Gegenwart sehr wohl bewusst sind, zeigt auch die Auswahl der Cover dieses Konzertes: mitten in einem Song stimmt Beth Ditto „Rebel Girl“ von Bikini Kill an und die erste Zugabe der Band wird „Careless Whisper“ von George Michael. Das geht sich hier beides aus.

Hannah Billie kommentiert das Gossip-Band-Dasein mit einem Lächeln: „It’s constant confusion.“ Beth Ditto antwortet: „That’s why I like being in it.“ Gossip wird es wohl noch länger geben.

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