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Satellitenbilder von den Bränden im Amazonas

APA/AFP/NOAA/HO

Mercosur bedroht die Regenwälder Brasiliens

In Brasilien wüten die schwersten Waldbrände seit Jahren. Die Regierung macht ausgerechnet Umweltschützer*innen dafür verantwortlich. Die Brände könnten ein umstrittenes Freihandelsabkommen ins Wanken bringen. Ein Greenpeace-Experte erklärt, wieso es bei Handelsabkommen nicht nur um wirtschaftliche Interessen gehen sollte.

Von Ali Cem Deniz

Über Sao Paulo hängen schwarze Wolken. Sie sind eine Folge der Brände, die über 2.000 Kilometer entfernt von der Metropole, in den Amazonas wüten. Allein in diesem Jahr gab es in Brasilien über 72.000 Waldbrände. Brasiliens rechte Regierung verdächtigt Umweltschutz-Organisationen. Die wiederum beschuldigen Viehzüchter*innen, die die Wälder roden um mehr Weideflächen zu schaffen.

Die Brände kommen zu einem empfindlichen Zeitpunkt. Erst kürzlich haben die südamerikanischen Mercosur-Staaten und die EU-Kommission eine Einigung zu einem umstrittenen Freihandelsabkommen bekannt gegeben. Sollte das Abkommen in Kraft treten, würde Brasilien massenweise Rindfleisch nach Europa exportieren. Die österreichische Landwirtschaft fürchtet, um ihre Konkurrenzfähigkeit. Jens Karg, Landwirtschaftsexperte für Greenpeace sieht eine größere Gefahr. Das Abkommen könne schwerwiegende Folgen auf die Klimakrise haben.

Ali Cem Deniz/FM4: Sind die Waldbrände, die in Brasilien wüten, ein böses Omen für das Mercosur-Freihandelsabkommen?

Jens Karg: Derzeit gibt es weltweit ziemlich viele Waldbrände. Der Klimawandel trägt dazu bei, dass die Waldbrände zunehmen. Das Mercosur-Abkommen ist sicherlich ein weiterer Faktor, der die Klimaerhitzung anheizen wird, weil durch dieses Abkommen Anreize geschaffen werden, noch mehr landwirtschaftliche Produkte in Südamerika zu produzieren, um sie nach Europa zu bringen. Und letztlich steigt durch jeden Anreiz für eine landwirtschaftliche Produktion für den Export in Lateinamerika der Druck auf den Regenwald und für das Klima.

Genau 20 Jahre haben die Mercosur-Staaten und die EU verhandelt. Jetzt wird die Kritik an dem Freihandelsabkommen lauter, aber es scheint so als würde es wieder um wirtschaftliche Interessen gehen und weniger um die Klimakrise. Wie sehen Sie das?

Ein Abkommen, das reduziert gesagt, Agrarprodukte gegen Autos tauschen will, ist natürlich ein sehr heikles Abkommen. Jetzt ist die Klimakrise wohl definitiv das bedeutendste Thema der Gegenwart und die findet sich in den Bewertungen zum Mercosur-Abkommen wieder. Deshalb ist allein schon aus Klimaschutz-Sicht das Gebot der Stunde diesem Abkommen nicht beizutreten. Es gibt aber auch viele andere Gründe.

Die Agrarproduktion ist definitiv nicht geschützt, nicht nur aus der Klima-Perspektive, sondern auch aus der Sicht einer gesunden Nahrungsmittelproduktion, die halbwegs nachhaltig ist.

Können Bilder wie von den Waldbränden in Brasilien zu einem Umdenken führen, wenn es um solche Handelsabkommen geht?

Ich glaube diese Waldbrände müssen dazu führen, dass wir generell umdenken. Wir müssen die Klimakrise als die Herausforderung der Gegenwart einfach erkennen und müssen etwas dagegen tun. Wir müssen den Regenwald schützen und unsere Landwirtschaft umstellen. Das heißt, wir müssen alle Handelsabkommen, die wir treffen, unter einen Klimaschutz-Vorbehalt stellen.

Ist es überhaupt möglich, solche Abkommen abzuschließen?

Natürlich wir könnten stark veredelte Produkte, in denen schon eine große Wertschöpfung entstanden ist, exportieren und keine Rohstoffe hin und herkarren. Dass wir Rindfleisch aus Brasilien und Argentinien importieren ergibt keinen Sinn, weil wir genug eigene tierische Produktion haben und wir die Fleischproduktion eigentlich sowieso senken müssten. Unser Fleischverzehr ist einer der Klima-Killer.

Aufnahme von Südamerika aus dem Weltraum

VIIRS/Suomi NPP/Worldview/NASA

Die NASA markiert auf ihren Satellitenbildern die Brände in den Amazonas

Ich bin davon überzeugt, dass Handelsabkommen fortschrittlicher sein könnten, indem man sagt, dass wir Entwicklungen fördern wollen, die soziale Standards, Umweltstandards, aber auch technischen Fortschritt und Klimaschutz-Standards erhöhen. Wenn wir Abkommen schaffen, die zu einer Bewahrung und Unterstützung von Wirtschaftssystemen führen, damit diese den Regenwald stärker schützen, damit es dort Aufforstungen gibt, dass es partnerschaftlichen Umgang gibt, dann sind diese sinnvoll. Abkommen, die nur darauf ausgerichtet sind mehr zu produzieren und mehr zu konsumieren sind definitiv der falsche Weg.

Länder wie Brasilien sind sehr stark von der Landwirtschaft abhängig. Ist es fair, diesen Ländern, die wirtschaftlich schwächer sind als Europa, jetzt zu sagen, dass ein solches Abkommen nicht in Kraft treten sollte, weil es das Klima gefährdet?

Ich würde die Frage umdrehen. Ist es fair, Abkommen abzuschließen, von denen der ganze Planet letztendlich geschädigt wird?Es ist ja nicht nur so, dass bei uns in Europa das Klima schlechter wird, sondern es wird weltweit schlechter. Wenn die Regenwälder abgeholzt werden, wenn die Agrarflächen ausgeweitet werden, wenn weiter massenhaft Pestizide eingesetzt werden, ruinieren wir den Planeten und die Zukunft aller Menschen. Dieses Abkommen ist eine Bedrohung für alle und deshalb soll das gestoppt werden.

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