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Bright Eyes

Bright Eyes / Dead Oceans/Cargo

Conor Oberst: Bright Eyes ist mein Zuhause

Bright Eyes aus Omaha, Nebraska sind nach fast zehn Jahren Pause endlich wieder mit neuen Songs zurück. „Down In The Weeds, Where The World Once Was“ nennen Conor Oberst, Mike Mogis und Nate Walcott ihr zehntes Album. Gäste auf der neuen Platte sind Flea von den Red Hot Chili Peppers oder Jenny Lindberg von Warpaint.

von Eva Umbauer

Stars wie Matthew Healy von The 1975 verehren die Musik von Bright Eyes. Die junge US-Musikerin Phoebe Bridgers ist ebenfalls ein Fan. Die Liste der Bright-Eyes-Verehrer*nnen unter den Musiker*innen ist lang. Auch ohne Bright Eyes vermag Mastermind Conor Oberst zu faszinieren, entweder solo, oder mit diversen Bandprojekten - von Monsters Of Folk bis zu Desaparecidos. Mit Bright Eyes aber erleben wir den ultimativen Conor Oberst.

Heimkommen

Conor Oberst war gerade einmal dreizehn Jahre alt, als er begann, Gedanken niederzuschreiben und sie dann unter dem Namen Bright Eyes zu vertonen. Was erst ein Ein-Mann-Projekt war, wurde bald zu einer richtigen Band. Mike Mogis und Nate Walcott sind die ältesten Freunde von Oberst, und sie waren seine allerersten Mitmusiker. Den Kontakt zueinander haben Conor, Mike und Nate nie verloren, nicht nur, weil man in direkter Nachbarschaft zueinander wohnt. Aber eine neue Bright-Eyes-Platte konnte dennoch seit 2011 einfach nicht mehr realisiert werden. Bis es sich plötzlich praktisch wie von selbst ergab.

„Making a Bright Eyes album is the most like being at home, in my natural habitat“, sagt Conor Oberst in den Interviews anlässlich der neuen Bright-Eyes-Songs. Sie waren über einen Zeitraum von zwei Jahren entstanden. Die Band wollte ihren Sound nicht allzu sehr verändern, ganz im Gegenteil, man wollte bewusst Anknüpfungspunkte zu den bisherigen Alben schaffen, ja, gar einer gewissen Bright-Eyes-Nostalgie frönen. Raum für ein paar Experimente gab es dennoch.

Bright Eyes trifft auf Chili Peppers

So spielt etwa Flea von den Red Hot Chili Peppers Bass bei ein paar der neuen Songs. Na gibt´s denn das, Flea und Bright Eyes machen miteinander Musik? Keine große Sache, man kennt einander, schließlich spielte Nate Walcott eine Weile Keyboards und Klavier bei den Chili Peppers, ging sogar mit der legendären kalifornischen Band auf Welttournee.

Also bat Conor Oberst Flea einfach, ein bisschen seinen „slap bass“ auszupacken. Das klingt dann besonders gut, wenn sich Jon Theodore an das Schlagzeug setzt und zusammen mit Flea die Rhythm Section bildet. Jon Theodore ist ein meisterhafter Drummer. Conor Oberst war ein großer Bewunderer seines Schlagzeugspiels am ersten Album der kalifornischen Heavy-Rock-Band The Mars Volta.

Mariana Trench

Auf „Mariana Trench“, einer der Singles des neuen Albums, spielen Flea und John Theodore fabelhaft zusammen. Der Bass-Groove ist toll, die Drum-Parts ebenso, dazu die Bläser am Ende dieses Songs mit der so wunderbar einfachen Melodie. Das Stück mit dem sozio-politischen Text, das den tiefsten Ort des Ozeans, den Marianengraben, referenziert, war eines der ersten, das die wieder zusammengekommenen Bright Eyes schufen.

Bei Bright Eyes war es immer so, dass Conor Oberst erst die Lieder schrieb, recht geradlinige Folk-Songs, und sie dann Nate Walcott übergab, damit dieser ihnen einen komplexeren Rahmen gab. Dieses Mal war Nate gleich von Anfang an viel stärker involviert, etwa mit seinen Orchester-Arrangements, ebenso Mike Mogis. Die Sound-Effects, mit denen Letzterer spielt, sind facettenreich, etwa bei „One And Done“, einem Piano-Blues-Stück mit viel Hall.

„Life´s a lonely love affair“, singt Conor Oberst irgendwo am neuen Bright-Eyes-Album. Das Leben als einsame Liebesaffäre. Oberst ist noch immer traurig oder gar verzweifelt. Er hat Gründe dafür, etwa das Ende seiner Ehe, den Tod seines Bruders, Donald Trump, oder ein Hund, der in einem überhitzten Auto stirbt: „Hot Car In The Sun“ ist ein ruhiger, introvertierter Song, und „Tilt-A-Whirl“ ist jener Track, den Conor seinem älteren Bruder Matthew widmet.

Matthew Oberst

Matthew Oberst hatte das Saddle Creek Plattenlabel gegründet, das Omaha, Nebraska, im Mittleren Westen der USA - wo die Winter besonders streng sind und ein Blizzard nach dem anderen über das Land fegt - eine Zeit lang zum angesagten Indierock-Mittelpunkt machte, mit Bands wie Cursive, The Faint, Azure Ray oder eben Bright Eyes. Saddle Creek veröffentlicht weiterhin unbeirrt Platten, vor allem Songwriter-Musik, auch wenn der Hippness-Faktor dem Label längst abhanden gekommen ist.

Matthew Oberst - seine Band hieß Sorry About Dresden - war inzwischen Lehrer geworden, er litt an Atemaussetzern im Schlaf, und an Alkoholismus. Er wurde nur 42 Jahre alt. Sein kleiner Bruder muss ohne ihn auskommen, und die alternde Mutter weint.

Mühlsteine

Bright Eyes Civer „Down In The Weeds, Where The World Once Was“

Bright Eyes / Dead Oceans/Cargo

„Down In The Weeds, Where The World Once Was“ von Bright Eyes ist am 21.08.2020 bei Dead Oceans erschienen.

Zum Albumtitel, laut Presseaussendung: „As a title, as a thesis, ‚Down in the Weeds, Where the World Once Was‘ functions on a global, apocalyptic level of anxiety that looms throughout the record. But on a personal level, it speaks to rooting around in the dirt of one’s memories, trying to find the preciousness that’s overgrown and unrecognizable. For Conor Oberst, coming back to Bright Eyes was a bit of that.“

Die Songtexte von Conor Oberst sind oft so schwer wie Mühlsteine um den Hals. Existenzangst, Klaustrophobie, das Älterwerden. Die vierzehn neuen Songs von Bright Eyes sind kein Easy Listening, eh klar, aber die Songschreiber-Muse küsst Conor Oberst noch immer. Dazu all die Mitmusiker*nnen und all die Details, die „Down In The Weeds, Where The World Once Was“ aufbietet.

Conor Oberst summt einen Gitarrenpart und Mike Mogis spielt ihn dann, Multiinstrumentalist Mike und die Pedal-Steel-Gitarre, Mike und das Hackbrett, ein Walzer, ein kompletter Chor. Die kalifornische Musikerin Jesca Hoop und ihre phantastischen Gesangsharmonien oder Jenny Lindberg von der L.A.-Band Warpaint und ihr Bass - auf „Pan And Broom“ -, den Conor Oberst so liebt, weil er so, wie er sagt, „watery“ klingt.

Dazu eine Dudelsack-Gruppe, die Conor Oberst im Internet suchte - und fand: freundliche ältere Herren aus Omaha, Nebraska, die gewöhnlich bei Begräbnissen oder Veranstaltungen rund um den St. Patrick´s Day spielen. Sie waren noch nie zuvor im Aufnahmestudio, es war ein großer Spaß mit ihnen.

Resilienz

Es ist also nicht alles „doom and gloom“ bei Conor Oberst und dem Comeback von Bright Eyes. Obwohl, seit der Pandemie hat Conor keine Songs mehr geschrieben, er schafft es nicht, fühlt sich zu depressiv und unmotiviert. Und Touren geht auch nicht. Aber dass die neuen Bright-Eyes-Songs Resilienz haben, hofft er, und dass sie trotz allem Freude bereiten. In der Tat, das tun sie. Welcome back, Bright Eyes!

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