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Die Krux mit der Anpassung

Achmed will sich in Österreich integrieren. Aber wie sehr soll er sich anpassen, wenn es um die Motivation in der Arbeit geht?

Eine Kolumne von Todor Ovtcharov

Achmed kam 2015 aus Syrien. Er will sich sehr gerne in Österreich integrieren. Wirklich sehr. Aber er schafft es nicht.

Seine Familie hat sich in ganz Europa verstreut. Sie sprechen jeden Abend über Besonderheiten des Lebens in Belgien, Portugal oder Großbritanien. Jeder berichtet von seinen eigenen Schwierigkeiten. Achmed versucht seinen Verwandten seine Lage zu erklären. Mir scheint, dass sie ihn nicht ganz verstehen.

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Achmed hat eine Schulung bei den Wiener Linien gemacht. Er ist engagiert und fleißig, Deutsch hat er auch gut gelernt. Aber irgendwie fühlt er sich ungewollt an seinem Arbeitsplatz. Er meint, dass sein Fleiß und sein Verlangen, immer als erster beim Lösen von Problemen zu sein, ihn unbeliebt bei seinen Kollegen mache.
Sie geben ihm ständig Ratschläge, wie man es ruhiger angehen könne und wie man sich am Besten vor der Arbeit drückt. Einer seiner Kollegen, der auch ein bisschen ein Philosoph ist, meinte: „Das wichtigste am Job ist die Antwort auf die Frage: Wann haben wir wieder Urlaub?“

Deshalb muss sich Achmed ständig entschleunigen. Denn die Arbeit wird nicht weglaufen, aber das Fußballspiel, das heute läuft, kann man nicht auch morgen schauen. Achmed ist kein großer Fußballfan, aber im Namen der Integration schaut er während der Arbeitszeit mit seinen Kollegen Fußball. Das stört ihn ein Bisschen. Er will nicht der faule Flüchtling aus dem Orient sein, der den Fortschritt der Europäer behindert.

Er ist noch jung, hat viel Energie und will sie in die Arbeit stecken. Was wohl mit dieser seiner Energie passiert, wenn er sich noch weitere 30 Jahre ducken muss? Und was passiert wohl mit seinem Job, wenn ihn keiner gescheit machen will? All das fragt er seine Verwandten, die in ganz Europa leben und sucht nach Ratschlägen.

Sie sagen ihm er solle nicht hinausstechen, indem er überaktiv ist. Es müsse so viel arbeiten wie seine Kollegen auch. Achmed wurde immer gelehrt, dass, wenn der Einheimische 100% gibt, der Ausländer 300% geben muss. Seine Kollegen geben um die 30% und er zwingt sich, um die 90% zu geben. Ob das genug ist? Er kann seine Kollegen nicht fragen, denn außerhalb der Arbeit will niemand mit ihm sprechen.

Also fragt er mich um Rat.

Genau wie seine Kollegen, sage auch ich nichts - was heißt, dass ich mich super integriert habe.

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